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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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geflochtene Matten, den ganzen Hausrat dieser sorglosen, um
Eigentum wenig bekümmerten Menschenart. Große Vorräte
von Mani (eine Mischung vom Harz der Moronobea und
der Amyris Caranna) lagen um die Hütte. Die Indianer
bedienen sich desselben hier wie in Cayenne zum Teeren der
Pirogen und zum Befestigen des knöchernen Stachels der
Rochen an die Pfeile. Wir fanden ferner Näpfe voll vege-
tabilischer Milch, die zum Firnissen dient und in den Missionen
als Leche para pindar viel genannt wird. Man bestreicht
mit diesem klebrigen Safte das Geräte, dem man eine schöne
weiße Farbe geben will. An der Luft verdickt er sich, ohne
gelb zu werden, und nimmt einen bedeutenden Glanz an. Wie
oben bemerkt worden, 1 ist der Kautschuk der fette Teil, die
Butter in jeder Pflanzenmilch. Dieses Gerinnsel nun, diese
weiße Haut, die glänzt, als wäre sie mit Kopalfirnis über-
zogen, ist ohne Zweifel eine eigene Form des Kautschuk.
Könnte man diesem milchigen Firnis verschiedene Farben geben,
so hätte man damit, sollte ich meinen, ein Mittel, um unsere
Kutschenkasten rasch, in einer Handlung zu bemalen und zu
firnissen. Je genauer man die chemischen Verhältnisse der
Gewächse der heißen Zone kennen lernt, desto mehr wird man
hie und da an abgelegenen, aber dem europäischen Handel
zugänglichen Orten in den Organen gewisser Gewächse halb-
fertige Stoffe entdecken, die nach der bisherigen Ansicht nur
dem Tierreiche angehören, oder die wir auf künstlichem, zwar
sicherem, oft aber langem und mühsamem Wege hervorbringen.
So hat man bereits das Wachs gefunden, das den Palm-
baum der Anden von Quindiu überzieht, die Seide der
Mocoapalme, die nahrhafte Milch des Palo de Vaca, den
afrikanischen Butterbaum, den käseartigen Stoff im fast ani-
malischen Safte der Carica Papaya. Dergleichen Entdeckungen
werden sich häufen, wenn, wie nach den gegenwärtigen poli-
tischen Verhältnissen in der Welt wahrscheinlich ist, die euro-
päische Kultur großenteils in die Aequinoktialländer des neuen
Kontinents überfließt.

Wie ich oben erwähnt, ist die sumpfige Ebene zwischen
Javita und dem Landungsplatze am Pimichin wegen ihrer
vielen Nattern im Lande berüchtigt. Bevor wir von der ver-
lassenen Hütte Besitz nahmen, schlugen die Indianer zwei
große, 1,3 bis 2,6 m lange Mapanareschlangen tot. Sie

1 S. Band II, Seite 247.

geflochtene Matten, den ganzen Hausrat dieſer ſorgloſen, um
Eigentum wenig bekümmerten Menſchenart. Große Vorräte
von Mani (eine Miſchung vom Harz der Moronobea und
der Amyris Caraña) lagen um die Hütte. Die Indianer
bedienen ſich desſelben hier wie in Cayenne zum Teeren der
Pirogen und zum Befeſtigen des knöchernen Stachels der
Rochen an die Pfeile. Wir fanden ferner Näpfe voll vege-
tabiliſcher Milch, die zum Firniſſen dient und in den Miſſionen
als Leche para pindar viel genannt wird. Man beſtreicht
mit dieſem klebrigen Safte das Geräte, dem man eine ſchöne
weiße Farbe geben will. An der Luft verdickt er ſich, ohne
gelb zu werden, und nimmt einen bedeutenden Glanz an. Wie
oben bemerkt worden, 1 iſt der Kautſchuk der fette Teil, die
Butter in jeder Pflanzenmilch. Dieſes Gerinnſel nun, dieſe
weiße Haut, die glänzt, als wäre ſie mit Kopalfirnis über-
zogen, iſt ohne Zweifel eine eigene Form des Kautſchuk.
Könnte man dieſem milchigen Firnis verſchiedene Farben geben,
ſo hätte man damit, ſollte ich meinen, ein Mittel, um unſere
Kutſchenkaſten raſch, in einer Handlung zu bemalen und zu
firniſſen. Je genauer man die chemiſchen Verhältniſſe der
Gewächſe der heißen Zone kennen lernt, deſto mehr wird man
hie und da an abgelegenen, aber dem europäiſchen Handel
zugänglichen Orten in den Organen gewiſſer Gewächſe halb-
fertige Stoffe entdecken, die nach der bisherigen Anſicht nur
dem Tierreiche angehören, oder die wir auf künſtlichem, zwar
ſicherem, oft aber langem und mühſamem Wege hervorbringen.
So hat man bereits das Wachs gefunden, das den Palm-
baum der Anden von Quindiu überzieht, die Seide der
Mocoapalme, die nahrhafte Milch des Palo de Vaca, den
afrikaniſchen Butterbaum, den käſeartigen Stoff im faſt ani-
maliſchen Safte der Carica Papaya. Dergleichen Entdeckungen
werden ſich häufen, wenn, wie nach den gegenwärtigen poli-
tiſchen Verhältniſſen in der Welt wahrſcheinlich iſt, die euro-
päiſche Kultur großenteils in die Aequinoktialländer des neuen
Kontinents überfließt.

Wie ich oben erwähnt, iſt die ſumpfige Ebene zwiſchen
Javita und dem Landungsplatze am Pimichin wegen ihrer
vielen Nattern im Lande berüchtigt. Bevor wir von der ver-
laſſenen Hütte Beſitz nahmen, ſchlugen die Indianer zwei
große, 1,3 bis 2,6 m lange Mapanareſchlangen tot. Sie

1 S. Band II, Seite 247.
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[242/0250] geflochtene Matten, den ganzen Hausrat dieſer ſorgloſen, um Eigentum wenig bekümmerten Menſchenart. Große Vorräte von Mani (eine Miſchung vom Harz der Moronobea und der Amyris Caraña) lagen um die Hütte. Die Indianer bedienen ſich desſelben hier wie in Cayenne zum Teeren der Pirogen und zum Befeſtigen des knöchernen Stachels der Rochen an die Pfeile. Wir fanden ferner Näpfe voll vege- tabiliſcher Milch, die zum Firniſſen dient und in den Miſſionen als Leche para pindar viel genannt wird. Man beſtreicht mit dieſem klebrigen Safte das Geräte, dem man eine ſchöne weiße Farbe geben will. An der Luft verdickt er ſich, ohne gelb zu werden, und nimmt einen bedeutenden Glanz an. Wie oben bemerkt worden, 1 iſt der Kautſchuk der fette Teil, die Butter in jeder Pflanzenmilch. Dieſes Gerinnſel nun, dieſe weiße Haut, die glänzt, als wäre ſie mit Kopalfirnis über- zogen, iſt ohne Zweifel eine eigene Form des Kautſchuk. Könnte man dieſem milchigen Firnis verſchiedene Farben geben, ſo hätte man damit, ſollte ich meinen, ein Mittel, um unſere Kutſchenkaſten raſch, in einer Handlung zu bemalen und zu firniſſen. Je genauer man die chemiſchen Verhältniſſe der Gewächſe der heißen Zone kennen lernt, deſto mehr wird man hie und da an abgelegenen, aber dem europäiſchen Handel zugänglichen Orten in den Organen gewiſſer Gewächſe halb- fertige Stoffe entdecken, die nach der bisherigen Anſicht nur dem Tierreiche angehören, oder die wir auf künſtlichem, zwar ſicherem, oft aber langem und mühſamem Wege hervorbringen. So hat man bereits das Wachs gefunden, das den Palm- baum der Anden von Quindiu überzieht, die Seide der Mocoapalme, die nahrhafte Milch des Palo de Vaca, den afrikaniſchen Butterbaum, den käſeartigen Stoff im faſt ani- maliſchen Safte der Carica Papaya. Dergleichen Entdeckungen werden ſich häufen, wenn, wie nach den gegenwärtigen poli- tiſchen Verhältniſſen in der Welt wahrſcheinlich iſt, die euro- päiſche Kultur großenteils in die Aequinoktialländer des neuen Kontinents überfließt. Wie ich oben erwähnt, iſt die ſumpfige Ebene zwiſchen Javita und dem Landungsplatze am Pimichin wegen ihrer vielen Nattern im Lande berüchtigt. Bevor wir von der ver- laſſenen Hütte Beſitz nahmen, ſchlugen die Indianer zwei große, 1,3 bis 2,6 m lange Mapanareſchlangen tot. Sie 1 S. Band II, Seite 247.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/250>, abgerufen am 29.03.2024.