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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Barometers treten in Javita zu denselben Stunden ein wie an
den Küsten und im Hofe Antisana, wo mein Instrument in
4100 m Meereshöhe hing. Sie betrugen von 9 Uhr morgens
bis 4 Uhr abends 3,2 mm, am 4. Mai sogar fast 4,4 mm.
Der Delucsche auf den Saussureschen reduzierte Hygrometer
stand fortwährend im Schatten zwischen 84 und 92°, wobei
nur die Beobachtungen gerechnet sind, die gemacht wurden,
solange es nicht regnete. Die Feuchtigkeit hatte somit seit
den großen Katarakten bedeutend zugenommen: sie war mitten
in einem stark beschatteten, von Aequatorialregen überfluteten
Lande fast so groß wie auf der See.

Vom 29. April bis 4. Mai konnte ich keines Sternes
im Meridian ansichtig werden, um die Länge zu bestimmen.
Ich blieb ganze Nächte wach, um die Methode der doppelten
Höhen anzuwenden; all mein Bemühen war vergeblich. Die
Nebel im nördlichen Europa sind nicht anhaltender als hier
in Guyana in der Nähe des Aequators. Am 4. Mai kam
die Sonne auf einige Minuten zum Vorschein. Ich fand mit
dem Chronometer und mittels Stundenwinkeln die Länge von
Javita gleich 70° 22' oder 1° 1' 5" weiter nach West als die
Länge der Einmündung des Apure in den Orinoko. Dieses
Ergebnis ist von Bedeutung, weil wir damit auf unseren
Karten die Lage des gänzlich unbekannten Landes zwischen
dem Xie und den Quellen des Issana angeben können, die
auf demselben Meridian wie die Mission Javita liegen. Die
Inklination der Magnetnadel war in der Mission 26,40°;
sie hatte demnach seit dem großen nördlichen Katarakt, bei
einem Breitenunterschiede von 3° 50', um 5,85° abgenommen.
Die Abnahme der Intensität der magnctischen Kraft war
ebenso bedeutend. Die Kraft entsprach in Atures 223, in
Javita nur 218 Schwingungen in 10 Zeitminuten.

Die Indianer in Javita, 160 an der Zahl, sind gegen-
wärtig größtenteils Poimisanos, Echinavis und Paraginis,
und treiben Schiffbau. Man nimmt dazu Stämme einer
großen Lorbeerart, von den Missionären Sassafras 1 genannt,
die man mit Feuer und Axt zugleich aushöhlt. Diese Bäume
sind über 30 m hoch; das Holz ist gelb, harzig, verdirbt fast
nie im Wasser und hat einen sehr angenehmen Geruch. Wir
sahen es in San Fernando, in Javita, besonders aber in

1 Ocotea cymbarum, sehr verschieden vom Laurus Sassa-
fras
in Nordamerika.

Barometers treten in Javita zu denſelben Stunden ein wie an
den Küſten und im Hofe Antiſana, wo mein Inſtrument in
4100 m Meereshöhe hing. Sie betrugen von 9 Uhr morgens
bis 4 Uhr abends 3,2 mm, am 4. Mai ſogar faſt 4,4 mm.
Der Delucſche auf den Sauſſureſchen reduzierte Hygrometer
ſtand fortwährend im Schatten zwiſchen 84 und 92°, wobei
nur die Beobachtungen gerechnet ſind, die gemacht wurden,
ſolange es nicht regnete. Die Feuchtigkeit hatte ſomit ſeit
den großen Katarakten bedeutend zugenommen: ſie war mitten
in einem ſtark beſchatteten, von Aequatorialregen überfluteten
Lande faſt ſo groß wie auf der See.

Vom 29. April bis 4. Mai konnte ich keines Sternes
im Meridian anſichtig werden, um die Länge zu beſtimmen.
Ich blieb ganze Nächte wach, um die Methode der doppelten
Höhen anzuwenden; all mein Bemühen war vergeblich. Die
Nebel im nördlichen Europa ſind nicht anhaltender als hier
in Guyana in der Nähe des Aequators. Am 4. Mai kam
die Sonne auf einige Minuten zum Vorſchein. Ich fand mit
dem Chronometer und mittels Stundenwinkeln die Länge von
Javita gleich 70° 22′ oder 1° 1′ 5″ weiter nach Weſt als die
Länge der Einmündung des Apure in den Orinoko. Dieſes
Ergebnis iſt von Bedeutung, weil wir damit auf unſeren
Karten die Lage des gänzlich unbekannten Landes zwiſchen
dem Xie und den Quellen des Iſſana angeben können, die
auf demſelben Meridian wie die Miſſion Javita liegen. Die
Inklination der Magnetnadel war in der Miſſion 26,40°;
ſie hatte demnach ſeit dem großen nördlichen Katarakt, bei
einem Breitenunterſchiede von 3° 50′, um 5,85° abgenommen.
Die Abnahme der Intenſität der magnctiſchen Kraft war
ebenſo bedeutend. Die Kraft entſprach in Atures 223, in
Javita nur 218 Schwingungen in 10 Zeitminuten.

Die Indianer in Javita, 160 an der Zahl, ſind gegen-
wärtig größtenteils Poimiſanos, Echinavis und Paraginis,
und treiben Schiffbau. Man nimmt dazu Stämme einer
großen Lorbeerart, von den Miſſionären Saſſafras 1 genannt,
die man mit Feuer und Axt zugleich aushöhlt. Dieſe Bäume
ſind über 30 m hoch; das Holz iſt gelb, harzig, verdirbt faſt
nie im Waſſer und hat einen ſehr angenehmen Geruch. Wir
ſahen es in San Fernando, in Javita, beſonders aber in

1 Ocotea cymbarum, ſehr verſchieden vom Laurus Sassa-
fras
in Nordamerika.
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[227/0235] Barometers treten in Javita zu denſelben Stunden ein wie an den Küſten und im Hofe Antiſana, wo mein Inſtrument in 4100 m Meereshöhe hing. Sie betrugen von 9 Uhr morgens bis 4 Uhr abends 3,2 mm, am 4. Mai ſogar faſt 4,4 mm. Der Delucſche auf den Sauſſureſchen reduzierte Hygrometer ſtand fortwährend im Schatten zwiſchen 84 und 92°, wobei nur die Beobachtungen gerechnet ſind, die gemacht wurden, ſolange es nicht regnete. Die Feuchtigkeit hatte ſomit ſeit den großen Katarakten bedeutend zugenommen: ſie war mitten in einem ſtark beſchatteten, von Aequatorialregen überfluteten Lande faſt ſo groß wie auf der See. Vom 29. April bis 4. Mai konnte ich keines Sternes im Meridian anſichtig werden, um die Länge zu beſtimmen. Ich blieb ganze Nächte wach, um die Methode der doppelten Höhen anzuwenden; all mein Bemühen war vergeblich. Die Nebel im nördlichen Europa ſind nicht anhaltender als hier in Guyana in der Nähe des Aequators. Am 4. Mai kam die Sonne auf einige Minuten zum Vorſchein. Ich fand mit dem Chronometer und mittels Stundenwinkeln die Länge von Javita gleich 70° 22′ oder 1° 1′ 5″ weiter nach Weſt als die Länge der Einmündung des Apure in den Orinoko. Dieſes Ergebnis iſt von Bedeutung, weil wir damit auf unſeren Karten die Lage des gänzlich unbekannten Landes zwiſchen dem Xie und den Quellen des Iſſana angeben können, die auf demſelben Meridian wie die Miſſion Javita liegen. Die Inklination der Magnetnadel war in der Miſſion 26,40°; ſie hatte demnach ſeit dem großen nördlichen Katarakt, bei einem Breitenunterſchiede von 3° 50′, um 5,85° abgenommen. Die Abnahme der Intenſität der magnctiſchen Kraft war ebenſo bedeutend. Die Kraft entſprach in Atures 223, in Javita nur 218 Schwingungen in 10 Zeitminuten. Die Indianer in Javita, 160 an der Zahl, ſind gegen- wärtig größtenteils Poimiſanos, Echinavis und Paraginis, und treiben Schiffbau. Man nimmt dazu Stämme einer großen Lorbeerart, von den Miſſionären Saſſafras 1 genannt, die man mit Feuer und Axt zugleich aushöhlt. Dieſe Bäume ſind über 30 m hoch; das Holz iſt gelb, harzig, verdirbt faſt nie im Waſſer und hat einen ſehr angenehmen Geruch. Wir ſahen es in San Fernando, in Javita, beſonders aber in 1 Ocotea cymbarum, ſehr verſchieden vom Laurus Sassa- fras in Nordamerika.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/235>, abgerufen am 19.04.2024.