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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Gestalt der Mesa im Brigantin bei Cumana, nur endigt sie mit
einem abgestutzten Kegel. Der Pik Calitamini (so heißt dieser
Gipfel) ist bei Sonnenuntergang wie von rötlichem Feuer
bestrahlt, und zwar einen Tag wie den anderen. Kein Mensch
ist je diesem Berge nahe gekommen, der nicht über 1170 m
hoch ist.1 Ich glaube, dieser gewöhnlich rötliche, zuweilen silber-
weiße Schimmer ist ein Reflex von großen Talgblättern oder
von Gneis, der in Glimmerschiefer übergeht. Das ganze
Land besteht hier aus Granitgestein, dem da und dort, auf
kleinen Ebenen, unmittelbar ein thonichter Sandstein mit Quarz-
trümmern und Brauneisenstein aufgelagert ist.

Auf dem Wege zum Landungsplatz fingen wir auf einem
Heveastamm2 eine neue, durch ihre schöne Färbung ausgezeich-
nete Froschart. Der Bauch war gelb, Rücken und Kopf schön
samtartig purpurfarb; ein einziger ganz schmaler weißer Streif
lief von der Spitze des Maules zu den Hinterbeinen. Der
Frosch war 5 cm lang, nahe verwandt der Rana tinctoria,
deren Blut (wie man behauptet), wenn man es Papageien
da, wo man ihnen Federn ausgerauft, in die Haut einreibt,
macht, daß die neuen gelben oder roten Federn scheckigt werden.
Den Weg entlang zeigten uns die Indianer etwas, was hier-
zulande allerdings sehr merkwürdig ist, Räderspuren im Ge-
stein. Sie sprachen, wie von einem unbekannten Geschöpf,
von den Tieren mit großen Hörnern, welche zur Zeit der
Grenzexpedition die Fahrzeuge durch das Thal des Keri vom
Rio Toparo zum Rio Cameji gezogen, um die Katarakte zu
umgehen und die Mühe des Umladens zu ersparen. Ich glaube,
diese armen Einwohner von Maypures wunderten sich jetzt
beim Anblick eines Ochsen von kastilischer Rasse wie die
Römer über die lukanischen Ochsen (die Elefanten im
Heere des Pyrrhus).

Wenn man durch das Thal des Keri einen Kanal zöge,
der die kleinen Flüsse Cameji und Toparo vereinigte, brauchten
die Pirogen nicht mehr durch die Raudales zu gehen. Auf
diesem ganz einfachen Gedanken beruht der Plan, den ich im
ersten Entwurf durch den Generalkapitän von Caracas, Gue-
vara Vasconzelos, der spanischen Regierung habe vorlegen
lassen. Beim Katarakt von Maypures sind die Bodenverhält-

1 Er erscheint in Maypures unter einem Winkel von 1 Grad
27 Minuten.
2 Einer der Bäume, deren Milch Kautschuk gibt.

Geſtalt der Meſa im Brigantin bei Cumana, nur endigt ſie mit
einem abgeſtutzten Kegel. Der Pik Calitamini (ſo heißt dieſer
Gipfel) iſt bei Sonnenuntergang wie von rötlichem Feuer
beſtrahlt, und zwar einen Tag wie den anderen. Kein Menſch
iſt je dieſem Berge nahe gekommen, der nicht über 1170 m
hoch iſt.1 Ich glaube, dieſer gewöhnlich rötliche, zuweilen ſilber-
weiße Schimmer iſt ein Reflex von großen Talgblättern oder
von Gneis, der in Glimmerſchiefer übergeht. Das ganze
Land beſteht hier aus Granitgeſtein, dem da und dort, auf
kleinen Ebenen, unmittelbar ein thonichter Sandſtein mit Quarz-
trümmern und Brauneiſenſtein aufgelagert iſt.

Auf dem Wege zum Landungsplatz fingen wir auf einem
Heveaſtamm2 eine neue, durch ihre ſchöne Färbung ausgezeich-
nete Froſchart. Der Bauch war gelb, Rücken und Kopf ſchön
ſamtartig purpurfarb; ein einziger ganz ſchmaler weißer Streif
lief von der Spitze des Maules zu den Hinterbeinen. Der
Froſch war 5 cm lang, nahe verwandt der Rana tinctoria,
deren Blut (wie man behauptet), wenn man es Papageien
da, wo man ihnen Federn ausgerauft, in die Haut einreibt,
macht, daß die neuen gelben oder roten Federn ſcheckigt werden.
Den Weg entlang zeigten uns die Indianer etwas, was hier-
zulande allerdings ſehr merkwürdig iſt, Räderſpuren im Ge-
ſtein. Sie ſprachen, wie von einem unbekannten Geſchöpf,
von den Tieren mit großen Hörnern, welche zur Zeit der
Grenzexpedition die Fahrzeuge durch das Thal des Keri vom
Rio Toparo zum Rio Cameji gezogen, um die Katarakte zu
umgehen und die Mühe des Umladens zu erſparen. Ich glaube,
dieſe armen Einwohner von Maypures wunderten ſich jetzt
beim Anblick eines Ochſen von kaſtiliſcher Raſſe wie die
Römer über die lukaniſchen Ochſen (die Elefanten im
Heere des Pyrrhus).

Wenn man durch das Thal des Keri einen Kanal zöge,
der die kleinen Flüſſe Cameji und Toparo vereinigte, brauchten
die Pirogen nicht mehr durch die Raudales zu gehen. Auf
dieſem ganz einfachen Gedanken beruht der Plan, den ich im
erſten Entwurf durch den Generalkapitän von Caracas, Gue-
vara Vasconzelos, der ſpaniſchen Regierung habe vorlegen
laſſen. Beim Katarakt von Maypures ſind die Bodenverhält-

1 Er erſcheint in Maypures unter einem Winkel von 1 Grad
27 Minuten.
2 Einer der Bäume, deren Milch Kautſchuk gibt.
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[182/0190] Geſtalt der Meſa im Brigantin bei Cumana, nur endigt ſie mit einem abgeſtutzten Kegel. Der Pik Calitamini (ſo heißt dieſer Gipfel) iſt bei Sonnenuntergang wie von rötlichem Feuer beſtrahlt, und zwar einen Tag wie den anderen. Kein Menſch iſt je dieſem Berge nahe gekommen, der nicht über 1170 m hoch iſt. 1 Ich glaube, dieſer gewöhnlich rötliche, zuweilen ſilber- weiße Schimmer iſt ein Reflex von großen Talgblättern oder von Gneis, der in Glimmerſchiefer übergeht. Das ganze Land beſteht hier aus Granitgeſtein, dem da und dort, auf kleinen Ebenen, unmittelbar ein thonichter Sandſtein mit Quarz- trümmern und Brauneiſenſtein aufgelagert iſt. Auf dem Wege zum Landungsplatz fingen wir auf einem Heveaſtamm 2 eine neue, durch ihre ſchöne Färbung ausgezeich- nete Froſchart. Der Bauch war gelb, Rücken und Kopf ſchön ſamtartig purpurfarb; ein einziger ganz ſchmaler weißer Streif lief von der Spitze des Maules zu den Hinterbeinen. Der Froſch war 5 cm lang, nahe verwandt der Rana tinctoria, deren Blut (wie man behauptet), wenn man es Papageien da, wo man ihnen Federn ausgerauft, in die Haut einreibt, macht, daß die neuen gelben oder roten Federn ſcheckigt werden. Den Weg entlang zeigten uns die Indianer etwas, was hier- zulande allerdings ſehr merkwürdig iſt, Räderſpuren im Ge- ſtein. Sie ſprachen, wie von einem unbekannten Geſchöpf, von den Tieren mit großen Hörnern, welche zur Zeit der Grenzexpedition die Fahrzeuge durch das Thal des Keri vom Rio Toparo zum Rio Cameji gezogen, um die Katarakte zu umgehen und die Mühe des Umladens zu erſparen. Ich glaube, dieſe armen Einwohner von Maypures wunderten ſich jetzt beim Anblick eines Ochſen von kaſtiliſcher Raſſe wie die Römer über die lukaniſchen Ochſen (die Elefanten im Heere des Pyrrhus). Wenn man durch das Thal des Keri einen Kanal zöge, der die kleinen Flüſſe Cameji und Toparo vereinigte, brauchten die Pirogen nicht mehr durch die Raudales zu gehen. Auf dieſem ganz einfachen Gedanken beruht der Plan, den ich im erſten Entwurf durch den Generalkapitän von Caracas, Gue- vara Vasconzelos, der ſpaniſchen Regierung habe vorlegen laſſen. Beim Katarakt von Maypures ſind die Bodenverhält- 1 Er erſcheint in Maypures unter einem Winkel von 1 Grad 27 Minuten. 2 Einer der Bäume, deren Milch Kautſchuk gibt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/190>, abgerufen am 29.03.2024.