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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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dann gute Dienste, wenn er um das Lager ein so gut ge-
schlossenes Zelt bildet, daß auch nicht die kleinste Oeffnung
bleibt, durch die eine Schnake schlüpfen könnte. Diese Be-
dingung ist aber schwer zu erfüllen, und gelingt es auch (wie
zum Beispiel bei der Bergfahrt auf dem Magdalenenstrom,
wo man mit einiger Bequemlichkeit reist), so muß man, um
nicht vor Hitze zu ersticken, den Toldo verlassen und sich in
freier Luft ergehen. Ein schwacher Wind, Rauch, starke Ge-
rüche helfen an Orten, wo die Insekten sehr zahlreich und
gierig sind, so gut wie nichts. Fälschlich behauptet man, die
Tierchen fliehen vor dem eigentümlichen Geruch, den das
Krokodil verbreitet. In Bataillez auf dem Wege von Car-
tagena nach Honda wurden wir jämmerlich zerstochen, wäh-
rend wir ein 3,5 m langes Krokodil zerlegten, das die Luft
weit umher verpestete. Die Indianer loben sehr den Dunst
von brennendem Kuhmist. Ist der Wind sehr stark und regnet
es dabei, so verschwinden die Moskiten auf eine Weile; am
grausamsten stechen sie, wenn ein Gewitter im Anzug ist,
besonders wenn auf die elektrischen Entladungen keine Regen-
güsse folgen.

Alles, was um Kopf und Hände flattert, hilft die In-
sekten verscheuchen. "Je mehr ihr euch rührt, desto weniger
werdet ihr gestochen," sagen die Missionäre. Der Zancudo
summt lange umher, ehe er sich niedersetzt; hat er dann ein-
mal Vertrauen gefaßt, hat er einmal angefangen, seinen Saug-
rüssel einzubohren und sich voll zu saugen, so kann man ihm
die Flügel berühren, ohne daß er sich verscheuchen läßt. Er
streckt währenddessen seine beiden Hinterfüße in die Luft, und
läßt man ihn ungestört sich satt saugen, so bekommt man
keine Geschwulst, empfindet keinen Schmerz. Wir haben
diesen Versuch im Thale des Magdalenenstroms nach dem
Rate der Indianer oft an uns selbst gemacht. Man fragt
sich, ob das Insekt die reizende Flüssigkeit erst im Augenblick
ergießt, wo es wegfliegt, wenn man es verjagt, oder ob es
die Flüssigkeit wieder aufpumpt, wenn man es saugen läßt,
so viel es will? Letztere Annahme scheint mir die wahrschein-
lichere; denn hält man dem Culex cyanopterus ruhig den
Handrücken hin, so ist der Schmerz anfangs sehr heftig, nimmt
aber immer mehr ab, je mehr das Insekt fortsaugt, und hört
ganz auf im Moment, wo es von selbst fortfliegt. Ich habe
mich auch mit einer Nadel in die Haut gestochen und die
Stiche mit zerdrückten Moskiten (mosquitos machucados)

dann gute Dienſte, wenn er um das Lager ein ſo gut ge-
ſchloſſenes Zelt bildet, daß auch nicht die kleinſte Oeffnung
bleibt, durch die eine Schnake ſchlüpfen könnte. Dieſe Be-
dingung iſt aber ſchwer zu erfüllen, und gelingt es auch (wie
zum Beiſpiel bei der Bergfahrt auf dem Magdalenenſtrom,
wo man mit einiger Bequemlichkeit reiſt), ſo muß man, um
nicht vor Hitze zu erſticken, den Toldo verlaſſen und ſich in
freier Luft ergehen. Ein ſchwacher Wind, Rauch, ſtarke Ge-
rüche helfen an Orten, wo die Inſekten ſehr zahlreich und
gierig ſind, ſo gut wie nichts. Fälſchlich behauptet man, die
Tierchen fliehen vor dem eigentümlichen Geruch, den das
Krokodil verbreitet. In Bataillez auf dem Wege von Car-
tagena nach Honda wurden wir jämmerlich zerſtochen, wäh-
rend wir ein 3,5 m langes Krokodil zerlegten, das die Luft
weit umher verpeſtete. Die Indianer loben ſehr den Dunſt
von brennendem Kuhmiſt. Iſt der Wind ſehr ſtark und regnet
es dabei, ſo verſchwinden die Moskiten auf eine Weile; am
grauſamſten ſtechen ſie, wenn ein Gewitter im Anzug iſt,
beſonders wenn auf die elektriſchen Entladungen keine Regen-
güſſe folgen.

Alles, was um Kopf und Hände flattert, hilft die In-
ſekten verſcheuchen. „Je mehr ihr euch rührt, deſto weniger
werdet ihr geſtochen,“ ſagen die Miſſionäre. Der Zancudo
ſummt lange umher, ehe er ſich niederſetzt; hat er dann ein-
mal Vertrauen gefaßt, hat er einmal angefangen, ſeinen Saug-
rüſſel einzubohren und ſich voll zu ſaugen, ſo kann man ihm
die Flügel berühren, ohne daß er ſich verſcheuchen läßt. Er
ſtreckt währenddeſſen ſeine beiden Hinterfüße in die Luft, und
läßt man ihn ungeſtört ſich ſatt ſaugen, ſo bekommt man
keine Geſchwulſt, empfindet keinen Schmerz. Wir haben
dieſen Verſuch im Thale des Magdalenenſtroms nach dem
Rate der Indianer oft an uns ſelbſt gemacht. Man fragt
ſich, ob das Inſekt die reizende Flüſſigkeit erſt im Augenblick
ergießt, wo es wegfliegt, wenn man es verjagt, oder ob es
die Flüſſigkeit wieder aufpumpt, wenn man es ſaugen läßt,
ſo viel es will? Letztere Annahme ſcheint mir die wahrſchein-
lichere; denn hält man dem Culex cyanopterus ruhig den
Handrücken hin, ſo iſt der Schmerz anfangs ſehr heftig, nimmt
aber immer mehr ab, je mehr das Inſekt fortſaugt, und hört
ganz auf im Moment, wo es von ſelbſt fortfliegt. Ich habe
mich auch mit einer Nadel in die Haut geſtochen und die
Stiche mit zerdrückten Moskiten (mosquitos machucados)

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[158/0166] dann gute Dienſte, wenn er um das Lager ein ſo gut ge- ſchloſſenes Zelt bildet, daß auch nicht die kleinſte Oeffnung bleibt, durch die eine Schnake ſchlüpfen könnte. Dieſe Be- dingung iſt aber ſchwer zu erfüllen, und gelingt es auch (wie zum Beiſpiel bei der Bergfahrt auf dem Magdalenenſtrom, wo man mit einiger Bequemlichkeit reiſt), ſo muß man, um nicht vor Hitze zu erſticken, den Toldo verlaſſen und ſich in freier Luft ergehen. Ein ſchwacher Wind, Rauch, ſtarke Ge- rüche helfen an Orten, wo die Inſekten ſehr zahlreich und gierig ſind, ſo gut wie nichts. Fälſchlich behauptet man, die Tierchen fliehen vor dem eigentümlichen Geruch, den das Krokodil verbreitet. In Bataillez auf dem Wege von Car- tagena nach Honda wurden wir jämmerlich zerſtochen, wäh- rend wir ein 3,5 m langes Krokodil zerlegten, das die Luft weit umher verpeſtete. Die Indianer loben ſehr den Dunſt von brennendem Kuhmiſt. Iſt der Wind ſehr ſtark und regnet es dabei, ſo verſchwinden die Moskiten auf eine Weile; am grauſamſten ſtechen ſie, wenn ein Gewitter im Anzug iſt, beſonders wenn auf die elektriſchen Entladungen keine Regen- güſſe folgen. Alles, was um Kopf und Hände flattert, hilft die In- ſekten verſcheuchen. „Je mehr ihr euch rührt, deſto weniger werdet ihr geſtochen,“ ſagen die Miſſionäre. Der Zancudo ſummt lange umher, ehe er ſich niederſetzt; hat er dann ein- mal Vertrauen gefaßt, hat er einmal angefangen, ſeinen Saug- rüſſel einzubohren und ſich voll zu ſaugen, ſo kann man ihm die Flügel berühren, ohne daß er ſich verſcheuchen läßt. Er ſtreckt währenddeſſen ſeine beiden Hinterfüße in die Luft, und läßt man ihn ungeſtört ſich ſatt ſaugen, ſo bekommt man keine Geſchwulſt, empfindet keinen Schmerz. Wir haben dieſen Verſuch im Thale des Magdalenenſtroms nach dem Rate der Indianer oft an uns ſelbſt gemacht. Man fragt ſich, ob das Inſekt die reizende Flüſſigkeit erſt im Augenblick ergießt, wo es wegfliegt, wenn man es verjagt, oder ob es die Flüſſigkeit wieder aufpumpt, wenn man es ſaugen läßt, ſo viel es will? Letztere Annahme ſcheint mir die wahrſchein- lichere; denn hält man dem Culex cyanopterus ruhig den Handrücken hin, ſo iſt der Schmerz anfangs ſehr heftig, nimmt aber immer mehr ab, je mehr das Inſekt fortſaugt, und hört ganz auf im Moment, wo es von ſelbſt fortfliegt. Ich habe mich auch mit einer Nadel in die Haut geſtochen und die Stiche mit zerdrückten Moskiten (mosquitos machucados)

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/166>, abgerufen am 18.04.2024.