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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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geworfen, die durch sehr verschiedene Bodenbildungen hervor-
gebracht werden. Zuweilen stürzt sich ein ganzer Fluß aus
bedeutender Höhe in einem Falle herunter, wodurch die Schiff-
fahrt völlig unterbrochen wird. Dahin gehört der prächtige
Fall des Rio Tequendama, den ich in meinen Vues des Cor-
dilleres
abgebildet habe; dahin die Fälle des Niagara und
der Rheinfall, die nicht sowohl durch ihre Höhe als durch
die Wassermasse bedeutend sind. Andere Male liegen niedrige
Steindämme in weiten Abständen hintereinander und bilden
getrennte Wasserfälle; dahin gehören die Cachoeiras des
Rio Negro und des Rio de la Madeira, die Saltos des
Rio Cauca und die meisten Pongos im oberen Amazonen-
strome zwischen dem Einflusse des Chinchipe und dem Dorfe
San Borja. Der höchste und gefährlichste dieser Pongos,
den man auf Flößen herunterfährt, der bei Mayasi, ist
übrigens nur 1 m hoch. Noch andere Male liegen kleine Stein-
dämme so nahe aneinander, daß sie auf mehrere Kilometer
Erstreckung eine ununterbrochene Reihe von Fällen und Stru-
deln, Chorros und Remolinos, bilden, und dies nennt man
eigentlich Raudales, Rapides, Stromschnellen. Dahin gehören
die Yellala, die Stromschnellen des Zaire- oder Kongo-
flusses, mit denen uns Kapitän Tuckey kürzlich bekannt gemacht
hat; die Stromschnellen des Orangeflusses in Afrika oberhalb
Pella, und die 18 km langen Fälle des Missouri da, wo der
Fluß aus den Rocky Mountains hervorbricht. Hierher gehören
nun auch die Fälle von Atures und Maypures, die einzigen,
die, im tropischen Erdstriche der Neuen Welt gelegen, mit
einer herrlichen Palmenvegetation geschmückt sind. Zu allen
Jahreszeiten gewähren sie den Anblick eigentlicher Wasserfälle
und hemmen die Schiffahrt auf dem Orinoko in sehr be-
deutendem Grade, während die Stromschnellen des Ohio und
in Oberägypten zur Zeit der Hochgewässer kaum sichtbar sind.
Ein vereinzelter Wasserfall, wie der Niagara oder der Fall
bei Terni, gibt ein herrliches Bild, aber nur eines; es wird
nur anders, wenn der Zuschauer seinen Standpunkt verändert;
Stromschnellen dagegen, namentlich wenn sie zu beiden Seiten
mit großen Bäumen besetzt sind, machen eine Landschaft meilen-
weit schön. Zuweilen rührt die stürmische Bewegung des
Wassers nur daher, daß die Strombetten sehr eingeengt sind.
Dahin gehört die Angostura de Carare im Magdalenenfluß,
ein Engpaß, der dem Verkehr zwischen Santa Fe de Bogota
und der Küste von Cartagena Eintrag thut; dahin gehört

geworfen, die durch ſehr verſchiedene Bodenbildungen hervor-
gebracht werden. Zuweilen ſtürzt ſich ein ganzer Fluß aus
bedeutender Höhe in einem Falle herunter, wodurch die Schiff-
fahrt völlig unterbrochen wird. Dahin gehört der prächtige
Fall des Rio Tequendama, den ich in meinen Vues des Cor-
dillères
abgebildet habe; dahin die Fälle des Niagara und
der Rheinfall, die nicht ſowohl durch ihre Höhe als durch
die Waſſermaſſe bedeutend ſind. Andere Male liegen niedrige
Steindämme in weiten Abſtänden hintereinander und bilden
getrennte Waſſerfälle; dahin gehören die Cachoeiras des
Rio Negro und des Rio de la Madeira, die Saltos des
Rio Cauca und die meiſten Pongos im oberen Amazonen-
ſtrome zwiſchen dem Einfluſſe des Chinchipe und dem Dorfe
San Borja. Der höchſte und gefährlichſte dieſer Pongos,
den man auf Flößen herunterfährt, der bei Mayaſi, iſt
übrigens nur 1 m hoch. Noch andere Male liegen kleine Stein-
dämme ſo nahe aneinander, daß ſie auf mehrere Kilometer
Erſtreckung eine ununterbrochene Reihe von Fällen und Stru-
deln, Chorros und Remolinos, bilden, und dies nennt man
eigentlich Raudales, Rapides, Stromſchnellen. Dahin gehören
die Yellala, die Stromſchnellen des Zaire- oder Kongo-
fluſſes, mit denen uns Kapitän Tuckey kürzlich bekannt gemacht
hat; die Stromſchnellen des Orangefluſſes in Afrika oberhalb
Pella, und die 18 km langen Fälle des Miſſouri da, wo der
Fluß aus den Rocky Mountains hervorbricht. Hierher gehören
nun auch die Fälle von Atures und Maypures, die einzigen,
die, im tropiſchen Erdſtriche der Neuen Welt gelegen, mit
einer herrlichen Palmenvegetation geſchmückt ſind. Zu allen
Jahreszeiten gewähren ſie den Anblick eigentlicher Waſſerfälle
und hemmen die Schiffahrt auf dem Orinoko in ſehr be-
deutendem Grade, während die Stromſchnellen des Ohio und
in Oberägypten zur Zeit der Hochgewäſſer kaum ſichtbar ſind.
Ein vereinzelter Waſſerfall, wie der Niagara oder der Fall
bei Terni, gibt ein herrliches Bild, aber nur eines; es wird
nur anders, wenn der Zuſchauer ſeinen Standpunkt verändert;
Stromſchnellen dagegen, namentlich wenn ſie zu beiden Seiten
mit großen Bäumen beſetzt ſind, machen eine Landſchaft meilen-
weit ſchön. Zuweilen rührt die ſtürmiſche Bewegung des
Waſſers nur daher, daß die Strombetten ſehr eingeengt ſind.
Dahin gehört die Angoſtura de Carare im Magdalenenfluß,
ein Engpaß, der dem Verkehr zwiſchen Santa Fé de Bogota
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[128/0136] geworfen, die durch ſehr verſchiedene Bodenbildungen hervor- gebracht werden. Zuweilen ſtürzt ſich ein ganzer Fluß aus bedeutender Höhe in einem Falle herunter, wodurch die Schiff- fahrt völlig unterbrochen wird. Dahin gehört der prächtige Fall des Rio Tequendama, den ich in meinen Vues des Cor- dillères abgebildet habe; dahin die Fälle des Niagara und der Rheinfall, die nicht ſowohl durch ihre Höhe als durch die Waſſermaſſe bedeutend ſind. Andere Male liegen niedrige Steindämme in weiten Abſtänden hintereinander und bilden getrennte Waſſerfälle; dahin gehören die Cachoeiras des Rio Negro und des Rio de la Madeira, die Saltos des Rio Cauca und die meiſten Pongos im oberen Amazonen- ſtrome zwiſchen dem Einfluſſe des Chinchipe und dem Dorfe San Borja. Der höchſte und gefährlichſte dieſer Pongos, den man auf Flößen herunterfährt, der bei Mayaſi, iſt übrigens nur 1 m hoch. Noch andere Male liegen kleine Stein- dämme ſo nahe aneinander, daß ſie auf mehrere Kilometer Erſtreckung eine ununterbrochene Reihe von Fällen und Stru- deln, Chorros und Remolinos, bilden, und dies nennt man eigentlich Raudales, Rapides, Stromſchnellen. Dahin gehören die Yellala, die Stromſchnellen des Zaire- oder Kongo- fluſſes, mit denen uns Kapitän Tuckey kürzlich bekannt gemacht hat; die Stromſchnellen des Orangefluſſes in Afrika oberhalb Pella, und die 18 km langen Fälle des Miſſouri da, wo der Fluß aus den Rocky Mountains hervorbricht. Hierher gehören nun auch die Fälle von Atures und Maypures, die einzigen, die, im tropiſchen Erdſtriche der Neuen Welt gelegen, mit einer herrlichen Palmenvegetation geſchmückt ſind. Zu allen Jahreszeiten gewähren ſie den Anblick eigentlicher Waſſerfälle und hemmen die Schiffahrt auf dem Orinoko in ſehr be- deutendem Grade, während die Stromſchnellen des Ohio und in Oberägypten zur Zeit der Hochgewäſſer kaum ſichtbar ſind. Ein vereinzelter Waſſerfall, wie der Niagara oder der Fall bei Terni, gibt ein herrliches Bild, aber nur eines; es wird nur anders, wenn der Zuſchauer ſeinen Standpunkt verändert; Stromſchnellen dagegen, namentlich wenn ſie zu beiden Seiten mit großen Bäumen beſetzt ſind, machen eine Landſchaft meilen- weit ſchön. Zuweilen rührt die ſtürmiſche Bewegung des Waſſers nur daher, daß die Strombetten ſehr eingeengt ſind. Dahin gehört die Angoſtura de Carare im Magdalenenfluß, ein Engpaß, der dem Verkehr zwiſchen Santa Fé de Bogota und der Küſte von Cartagena Eintrag thut; dahin gehört

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/136>, abgerufen am 29.03.2024.