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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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monate im nördlichen Europa 15 bis 19°, in der Berberei
und in Aegypten 27 bis 29°, unter den Tropen, zwischen
2725 und 580 m Höhe, 14 bis 25°.

Die herrlichen Ernten in Aegypten und Algerien, in den
Thälern von Aragua und im Inneren von Cuba beweisen
zur Genüge, daß Zunahme der Wärme die Ernte des Weizens
und der anderen nährenden Gräser nicht beeinträchtigt, wenn
nicht mit der hohen Temperatur übermäßige Trockenheit oder
Feuchtigkeit Hand in Hand geht. Letzterem Umstande sind
ohne Zweifel die scheinbaren Anomalieen zuzuschreiben, die
unter den Tropen hie und da an der unteren Grenze des
Getreides
vorkommen. Man wundert sich, daß ostwärts
von der Havana, im vielgenannten Bezirk der Quatro Villas,
diese Grenze fast bis zum Meeresspiegel herabgeht, während
westlich von der Havana, am Abhange der mexikanischen Ge-
birge, bei Xalapa, in 1320 m Höhe, die Vegetation noch so
üppig ist, daß der Weizen keine Aehren ansetzt. In der ersten
Zeit nach der Eroberung wurde das europäische Getreide mit
Erfolg an manchen Orten gebaut, die man jetzt für zu heiß
oder zu feucht dafür hält. Die eben erst nach Amerika ver-
setzten Spanier waren noch nicht so an den Mais gewöhnt,
man hielt noch fester an den europäischen Sitten, man be-
rechnete nicht, ob der Weizen weniger eintragen werde als
Kaffee oder Baumwolle; man machte Versuche mit Sämereien
aller Art, man stellte keckere Fragen an die Natur, weil man
weniger nach falschen Theorieen urteilte. Die Provinz Car-
tagena, durch welche die Gebirgsketten Maria und Guamoco
laufen, baute bis ins 16. Jahrhundert Getreide. In der
Provinz Caracas baut man es schon sehr lange im Gebirgs-

anderen Seite entspricht die mittlere Temperatur der Thäler von
Aragua (10° 15' der Breite) und aller nicht sehr hochgelegenen
Ebenen in der heißen Zone der Sommertemperatur von Neapel
und Sizilien (39° 40' der Breite). Die obigen Zahlen bezeichnen
die Lage der isotheren (der Linien der gleichen Sommerwärme),
nicht der isothermen Linien (der Linien der gleichen Jahres-
wärme). Hinsichtlich der Wärmemenge, welche ein Punkt der Erd-
oberfläche im Laufe eines ganzen Jahres empfängt, entsprechen die
mittleren Temperaturen der Thäler von Aragua und der Hoch-
ebenen von Neugranada in 580 bis 2725 m Meereshöhe den mitt-
leren Temperaturen der Küsten unter dem 23. bis 45. Grad der
Breite.

monate im nördlichen Europa 15 bis 19°, in der Berberei
und in Aegypten 27 bis 29°, unter den Tropen, zwiſchen
2725 und 580 m Höhe, 14 bis 25°.

Die herrlichen Ernten in Aegypten und Algerien, in den
Thälern von Aragua und im Inneren von Cuba beweiſen
zur Genüge, daß Zunahme der Wärme die Ernte des Weizens
und der anderen nährenden Gräſer nicht beeinträchtigt, wenn
nicht mit der hohen Temperatur übermäßige Trockenheit oder
Feuchtigkeit Hand in Hand geht. Letzterem Umſtande ſind
ohne Zweifel die ſcheinbaren Anomalieen zuzuſchreiben, die
unter den Tropen hie und da an der unteren Grenze des
Getreides
vorkommen. Man wundert ſich, daß oſtwärts
von der Havana, im vielgenannten Bezirk der Quatro Villas,
dieſe Grenze faſt bis zum Meeresſpiegel herabgeht, während
weſtlich von der Havana, am Abhange der mexikaniſchen Ge-
birge, bei Xalapa, in 1320 m Höhe, die Vegetation noch ſo
üppig iſt, daß der Weizen keine Aehren anſetzt. In der erſten
Zeit nach der Eroberung wurde das europäiſche Getreide mit
Erfolg an manchen Orten gebaut, die man jetzt für zu heiß
oder zu feucht dafür hält. Die eben erſt nach Amerika ver-
ſetzten Spanier waren noch nicht ſo an den Mais gewöhnt,
man hielt noch feſter an den europäiſchen Sitten, man be-
rechnete nicht, ob der Weizen weniger eintragen werde als
Kaffee oder Baumwolle; man machte Verſuche mit Sämereien
aller Art, man ſtellte keckere Fragen an die Natur, weil man
weniger nach falſchen Theorieen urteilte. Die Provinz Car-
tagena, durch welche die Gebirgsketten Maria und Guamoco
laufen, baute bis ins 16. Jahrhundert Getreide. In der
Provinz Caracas baut man es ſchon ſehr lange im Gebirgs-

anderen Seite entſpricht die mittlere Temperatur der Thäler von
Aragua (10° 15′ der Breite) und aller nicht ſehr hochgelegenen
Ebenen in der heißen Zone der Sommertemperatur von Neapel
und Sizilien (39° 40′ der Breite). Die obigen Zahlen bezeichnen
die Lage der iſotheren (der Linien der gleichen Sommerwärme),
nicht der iſothermen Linien (der Linien der gleichen Jahres-
wärme). Hinſichtlich der Wärmemenge, welche ein Punkt der Erd-
oberfläche im Laufe eines ganzen Jahres empfängt, entſprechen die
mittleren Temperaturen der Thäler von Aragua und der Hoch-
ebenen von Neugranada in 580 bis 2725 m Meereshöhe den mitt-
leren Temperaturen der Küſten unter dem 23. bis 45. Grad der
Breite.
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[191/0199] monate im nördlichen Europa 15 bis 19°, in der Berberei und in Aegypten 27 bis 29°, unter den Tropen, zwiſchen 2725 und 580 m Höhe, 14 bis 25°. Die herrlichen Ernten in Aegypten und Algerien, in den Thälern von Aragua und im Inneren von Cuba beweiſen zur Genüge, daß Zunahme der Wärme die Ernte des Weizens und der anderen nährenden Gräſer nicht beeinträchtigt, wenn nicht mit der hohen Temperatur übermäßige Trockenheit oder Feuchtigkeit Hand in Hand geht. Letzterem Umſtande ſind ohne Zweifel die ſcheinbaren Anomalieen zuzuſchreiben, die unter den Tropen hie und da an der unteren Grenze des Getreides vorkommen. Man wundert ſich, daß oſtwärts von der Havana, im vielgenannten Bezirk der Quatro Villas, dieſe Grenze faſt bis zum Meeresſpiegel herabgeht, während weſtlich von der Havana, am Abhange der mexikaniſchen Ge- birge, bei Xalapa, in 1320 m Höhe, die Vegetation noch ſo üppig iſt, daß der Weizen keine Aehren anſetzt. In der erſten Zeit nach der Eroberung wurde das europäiſche Getreide mit Erfolg an manchen Orten gebaut, die man jetzt für zu heiß oder zu feucht dafür hält. Die eben erſt nach Amerika ver- ſetzten Spanier waren noch nicht ſo an den Mais gewöhnt, man hielt noch feſter an den europäiſchen Sitten, man be- rechnete nicht, ob der Weizen weniger eintragen werde als Kaffee oder Baumwolle; man machte Verſuche mit Sämereien aller Art, man ſtellte keckere Fragen an die Natur, weil man weniger nach falſchen Theorieen urteilte. Die Provinz Car- tagena, durch welche die Gebirgsketten Maria und Guamoco laufen, baute bis ins 16. Jahrhundert Getreide. In der Provinz Caracas baut man es ſchon ſehr lange im Gebirgs- 2 2 anderen Seite entſpricht die mittlere Temperatur der Thäler von Aragua (10° 15′ der Breite) und aller nicht ſehr hochgelegenen Ebenen in der heißen Zone der Sommertemperatur von Neapel und Sizilien (39° 40′ der Breite). Die obigen Zahlen bezeichnen die Lage der iſotheren (der Linien der gleichen Sommerwärme), nicht der iſothermen Linien (der Linien der gleichen Jahres- wärme). Hinſichtlich der Wärmemenge, welche ein Punkt der Erd- oberfläche im Laufe eines ganzen Jahres empfängt, entſprechen die mittleren Temperaturen der Thäler von Aragua und der Hoch- ebenen von Neugranada in 580 bis 2725 m Meereshöhe den mitt- leren Temperaturen der Küſten unter dem 23. bis 45. Grad der Breite.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/199>, abgerufen am 28.03.2024.