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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Zuckerrohr, die gebaut werden, das kreolische Rohr, das tahi-
tische und das batavische. Die erstere Art hat ein dunkleres
Blatt, einen dünneren Stengel und die Knoten stehen näher
bei einander; es ist dies das Zuckerrohr, das aus Indien
zuerst auf Sizilien, auf den Kanarien und auf den Antillen
eingeführt wurde. Die zweite Art zeichnet sich durch ein
helleres Grün aus; der Stengel ist höher, dicker, saftreicher;
die ganze Pflanzung verrät üppigeres Wachstum. Man ver-
dankt sie den Reisen Bougainvilles, Cooks und Blighs. Bou-
gainville brachte sie nach Cayenne, von wo sie nach Martinique
und vom Jahre 1792 an auf die anderen Antillen kam. Das
tahitische Zuckerrohr, der To der Insulaner, ist eine der
wichtigsten Bereicherungen, welche die Landwirtschaft in den
Kolonien seit einem Jahrhundert reisenden Naturforschern ver-
dankt. Es gibt nicht nur auf demselben Areal ein Dritteil
mehr Vezou als das kreolische Zuckerrohr, sein dicker Stengel
und seine feste Holzfaser liefern auch ungleich mehr Brennstoff.
Letzteres ist für die Antillen von großem Wert, da die Pflanzer
dort wegen der Ausrodung der Wälder schon lange die Kessel
mit ausgepreßtem Rohr heizen müssen. Ohne dieses neue
Gewächs, ohne die Fortschritte des Ackerbaues auf dem Fest-
lande des spanischen Amerika und die Einführung des indischen
und Javazuckers hätten die Revolutionen auf San Domingo
und die Zerstörung der dortigen großen Zuckerpflanzungen
einen noch weit bedeutenderen Einfluß auf die Preise der
Kolonialwaren in Europa geäußert. Nach Caracas kam das
tahitische Rohr von der Insel Trinidad, von Caracas nach
Cucuta und San Gil im Königreiche Neugranada. Gegen-
wärtig, nach fünfundzwanzigjährigem Anbau, ist die Besorgnis
verschwunden, die man anfangs gehegt, das nach Amerika
verpflanzte Rohr möchte allmählich ausarten und so dünn
werden wie das kreolische. Wenn es eine Spielart ist, so ist
es eine sehr konstante. Die dritte Art, das violette Zucker-
rohr, Canna de Batavia oder de Guinea genannt, ist bestimmt
auf Java zu Hause, wo man es vorzugsweise in den Distrikten
Japara und Pasuruan baut. Es hat purpurfarbige, sehr
breite Blätter; in der Provinz Caracas verwendet man es
vorzugsweise zum Rumbrennen. Zwischen den Tablones
oder mit Zuckerrohr bepflanzten Grundstücken laufen Hecken
aus einer gewaltig großen Grasart, der Latta oder dem
Gynerium mit zweizeiligen Blättern. Man war im Tuy
daran, ein Wehr auszubauen, durch das ein Wässerungskanal

Zuckerrohr, die gebaut werden, das kreoliſche Rohr, das tahi-
tiſche und das bataviſche. Die erſtere Art hat ein dunkleres
Blatt, einen dünneren Stengel und die Knoten ſtehen näher
bei einander; es iſt dies das Zuckerrohr, das aus Indien
zuerſt auf Sizilien, auf den Kanarien und auf den Antillen
eingeführt wurde. Die zweite Art zeichnet ſich durch ein
helleres Grün aus; der Stengel iſt höher, dicker, ſaftreicher;
die ganze Pflanzung verrät üppigeres Wachstum. Man ver-
dankt ſie den Reiſen Bougainvilles, Cooks und Blighs. Bou-
gainville brachte ſie nach Cayenne, von wo ſie nach Martinique
und vom Jahre 1792 an auf die anderen Antillen kam. Das
tahitiſche Zuckerrohr, der To der Inſulaner, iſt eine der
wichtigſten Bereicherungen, welche die Landwirtſchaft in den
Kolonien ſeit einem Jahrhundert reiſenden Naturforſchern ver-
dankt. Es gibt nicht nur auf demſelben Areal ein Dritteil
mehr Vezou als das kreoliſche Zuckerrohr, ſein dicker Stengel
und ſeine feſte Holzfaſer liefern auch ungleich mehr Brennſtoff.
Letzteres iſt für die Antillen von großem Wert, da die Pflanzer
dort wegen der Ausrodung der Wälder ſchon lange die Keſſel
mit ausgepreßtem Rohr heizen müſſen. Ohne dieſes neue
Gewächs, ohne die Fortſchritte des Ackerbaues auf dem Feſt-
lande des ſpaniſchen Amerika und die Einführung des indiſchen
und Javazuckers hätten die Revolutionen auf San Domingo
und die Zerſtörung der dortigen großen Zuckerpflanzungen
einen noch weit bedeutenderen Einfluß auf die Preiſe der
Kolonialwaren in Europa geäußert. Nach Caracas kam das
tahitiſche Rohr von der Inſel Trinidad, von Caracas nach
Cucuta und San Gil im Königreiche Neugranada. Gegen-
wärtig, nach fünfundzwanzigjährigem Anbau, iſt die Beſorgnis
verſchwunden, die man anfangs gehegt, das nach Amerika
verpflanzte Rohr möchte allmählich ausarten und ſo dünn
werden wie das kreoliſche. Wenn es eine Spielart iſt, ſo iſt
es eine ſehr konſtante. Die dritte Art, das violette Zucker-
rohr, Caña de Batavia oder de Guinea genannt, iſt beſtimmt
auf Java zu Hauſe, wo man es vorzugsweiſe in den Diſtrikten
Japara und Paſuruan baut. Es hat purpurfarbige, ſehr
breite Blätter; in der Provinz Caracas verwendet man es
vorzugsweiſe zum Rumbrennen. Zwiſchen den Tablones
oder mit Zuckerrohr bepflanzten Grundſtücken laufen Hecken
aus einer gewaltig großen Grasart, der Latta oder dem
Gynerium mit zweizeiligen Blättern. Man war im Tuy
daran, ein Wehr auszubauen, durch das ein Wäſſerungskanal

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[179/0187] Zuckerrohr, die gebaut werden, das kreoliſche Rohr, das tahi- tiſche und das bataviſche. Die erſtere Art hat ein dunkleres Blatt, einen dünneren Stengel und die Knoten ſtehen näher bei einander; es iſt dies das Zuckerrohr, das aus Indien zuerſt auf Sizilien, auf den Kanarien und auf den Antillen eingeführt wurde. Die zweite Art zeichnet ſich durch ein helleres Grün aus; der Stengel iſt höher, dicker, ſaftreicher; die ganze Pflanzung verrät üppigeres Wachstum. Man ver- dankt ſie den Reiſen Bougainvilles, Cooks und Blighs. Bou- gainville brachte ſie nach Cayenne, von wo ſie nach Martinique und vom Jahre 1792 an auf die anderen Antillen kam. Das tahitiſche Zuckerrohr, der To der Inſulaner, iſt eine der wichtigſten Bereicherungen, welche die Landwirtſchaft in den Kolonien ſeit einem Jahrhundert reiſenden Naturforſchern ver- dankt. Es gibt nicht nur auf demſelben Areal ein Dritteil mehr Vezou als das kreoliſche Zuckerrohr, ſein dicker Stengel und ſeine feſte Holzfaſer liefern auch ungleich mehr Brennſtoff. Letzteres iſt für die Antillen von großem Wert, da die Pflanzer dort wegen der Ausrodung der Wälder ſchon lange die Keſſel mit ausgepreßtem Rohr heizen müſſen. Ohne dieſes neue Gewächs, ohne die Fortſchritte des Ackerbaues auf dem Feſt- lande des ſpaniſchen Amerika und die Einführung des indiſchen und Javazuckers hätten die Revolutionen auf San Domingo und die Zerſtörung der dortigen großen Zuckerpflanzungen einen noch weit bedeutenderen Einfluß auf die Preiſe der Kolonialwaren in Europa geäußert. Nach Caracas kam das tahitiſche Rohr von der Inſel Trinidad, von Caracas nach Cucuta und San Gil im Königreiche Neugranada. Gegen- wärtig, nach fünfundzwanzigjährigem Anbau, iſt die Beſorgnis verſchwunden, die man anfangs gehegt, das nach Amerika verpflanzte Rohr möchte allmählich ausarten und ſo dünn werden wie das kreoliſche. Wenn es eine Spielart iſt, ſo iſt es eine ſehr konſtante. Die dritte Art, das violette Zucker- rohr, Caña de Batavia oder de Guinea genannt, iſt beſtimmt auf Java zu Hauſe, wo man es vorzugsweiſe in den Diſtrikten Japara und Paſuruan baut. Es hat purpurfarbige, ſehr breite Blätter; in der Provinz Caracas verwendet man es vorzugsweiſe zum Rumbrennen. Zwiſchen den Tablones oder mit Zuckerrohr bepflanzten Grundſtücken laufen Hecken aus einer gewaltig großen Grasart, der Latta oder dem Gynerium mit zweizeiligen Blättern. Man war im Tuy daran, ein Wehr auszubauen, durch das ein Wäſſerungskanal

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/187>, abgerufen am 19.04.2024.