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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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10° 30' 50" der Breite und 69° 25' 0" der Länge. Die mag-
netische Deklination fand ich am 22. Januar 1800 außerhalb
der Stadt, am Thore bei der Pastora, 4° 38' 45" gegen
Nordost, und am 30. Januar im Inneren der Stadt bei der
Universität 4° 39' 15", also um 26' stärker als in Cumana.
Die Inklination der Nadel war 42,90°; die Zahl der Schwin-
gungen, welche die Intensität der magnetischen Kraft angaben,
war in zehn Minuten Zeit in Caracas 232, in Cumana 229.
Diese Beobachtungen konnten nicht sehr oft wiederholt werden;
sie sind das Ergebnis dreimonatlicher Arbeit.

Am Tage, wo wir die Hauptstadt von Venezuela ver-
ließen, die seitdem durch ein furchtbares Erdbeben vernichtet
worden ist, übernachteten wir am Fuße der bewaldeten Berge,
die das Thal gegen Südwest schließen. Wir zogen am rechten
Ufer des Guayre bis zum Dorfe Antimano auf einer sehr
schönen, zum Teil in den Fels gehauenen Straße. Man
kommt durch La Vega und Carapa. Die Kirche von La Vega
hebt sich sehr malerisch von einem dicht bewachsenen Hügel-
zuge ab. Zerstreute Häuser, von Dattelbäumen umgeben,
deuten auf günstige Verhältnisse der Bewohner. Eine nicht
sehr hohe Bergkette trennt den kleinen Guayrefluß vom Thale
De la Pascua, 1 das in der Geschichte des Landes eine große
Rolle spielt, und von den alten Goldbergwerken von Baruta
und Oripoto. Auf dem Wege aufwärts nach Carapa hat
man noch einmal die Aussicht auf die Silla, die sich als eine
gewaltige, gegen das Meer jäh abstürzende Kuppel darstellt.
Dieser runde Gipfel und der wie eine Mauerzinne gezackte
Kamm des Galipano sind die einzigen Berggestalten in diesem
Becken von Gneis und Glimmerschiefer, die der Landschaft
Charakter geben; die übrigen Höhen sind sehr einförmig und
langweilig.

Beim Dorfe Antimano waren alle Baumgärten voll
blühender Pfirsichbäume. Aus diesem Dorfe, aus Valle und
von den Ufern des Macarao kommen eine Menge Pfirsiche,
Quitten und anderes europäisches Obst auf den Markt in
Caracas. Vom Antimano bis Las Ajuntas geht man sieb-

1 Thal des Cortez oder Osterthal, so genannt, weil Diego
de Losada, nachdem er die Tequesindianer und ihren Kaziken Guay-
caypuro in den Bergen von San Pedro geschlagen, im Jahre 1567
die Ostertage daselbst zubrachte, ehe er in das Thal San Francisco
drang, wo er die Stadt Caracas gründete.

10° 30′ 50″ der Breite und 69° 25′ 0″ der Länge. Die mag-
netiſche Deklination fand ich am 22. Januar 1800 außerhalb
der Stadt, am Thore bei der Paſtora, 4° 38′ 45″ gegen
Nordoſt, und am 30. Januar im Inneren der Stadt bei der
Univerſität 4° 39′ 15″, alſo um 26′ ſtärker als in Cumana.
Die Inklination der Nadel war 42,90°; die Zahl der Schwin-
gungen, welche die Intenſität der magnetiſchen Kraft angaben,
war in zehn Minuten Zeit in Caracas 232, in Cumana 229.
Dieſe Beobachtungen konnten nicht ſehr oft wiederholt werden;
ſie ſind das Ergebnis dreimonatlicher Arbeit.

Am Tage, wo wir die Hauptſtadt von Venezuela ver-
ließen, die ſeitdem durch ein furchtbares Erdbeben vernichtet
worden iſt, übernachteten wir am Fuße der bewaldeten Berge,
die das Thal gegen Südweſt ſchließen. Wir zogen am rechten
Ufer des Guayre bis zum Dorfe Antimano auf einer ſehr
ſchönen, zum Teil in den Fels gehauenen Straße. Man
kommt durch La Vega und Carapa. Die Kirche von La Vega
hebt ſich ſehr maleriſch von einem dicht bewachſenen Hügel-
zuge ab. Zerſtreute Häuſer, von Dattelbäumen umgeben,
deuten auf günſtige Verhältniſſe der Bewohner. Eine nicht
ſehr hohe Bergkette trennt den kleinen Guayrefluß vom Thale
De la Pascua, 1 das in der Geſchichte des Landes eine große
Rolle ſpielt, und von den alten Goldbergwerken von Baruta
und Oripoto. Auf dem Wege aufwärts nach Carapa hat
man noch einmal die Ausſicht auf die Silla, die ſich als eine
gewaltige, gegen das Meer jäh abſtürzende Kuppel darſtellt.
Dieſer runde Gipfel und der wie eine Mauerzinne gezackte
Kamm des Galipano ſind die einzigen Berggeſtalten in dieſem
Becken von Gneis und Glimmerſchiefer, die der Landſchaft
Charakter geben; die übrigen Höhen ſind ſehr einförmig und
langweilig.

Beim Dorfe Antimano waren alle Baumgärten voll
blühender Pfirſichbäume. Aus dieſem Dorfe, aus Valle und
von den Ufern des Macarao kommen eine Menge Pfirſiche,
Quitten und anderes europäiſches Obſt auf den Markt in
Caracas. Vom Antimano bis Las Ajuntas geht man ſieb-

1 Thal des Cortez oder Oſterthal, ſo genannt, weil Diego
de Loſada, nachdem er die Tequesindianer und ihren Kaziken Guay-
caypuro in den Bergen von San Pedro geſchlagen, im Jahre 1567
die Oſtertage daſelbſt zubrachte, ehe er in das Thal San Francisco
drang, wo er die Stadt Caracas gründete.
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[169/0177] 10° 30′ 50″ der Breite und 69° 25′ 0″ der Länge. Die mag- netiſche Deklination fand ich am 22. Januar 1800 außerhalb der Stadt, am Thore bei der Paſtora, 4° 38′ 45″ gegen Nordoſt, und am 30. Januar im Inneren der Stadt bei der Univerſität 4° 39′ 15″, alſo um 26′ ſtärker als in Cumana. Die Inklination der Nadel war 42,90°; die Zahl der Schwin- gungen, welche die Intenſität der magnetiſchen Kraft angaben, war in zehn Minuten Zeit in Caracas 232, in Cumana 229. Dieſe Beobachtungen konnten nicht ſehr oft wiederholt werden; ſie ſind das Ergebnis dreimonatlicher Arbeit. Am Tage, wo wir die Hauptſtadt von Venezuela ver- ließen, die ſeitdem durch ein furchtbares Erdbeben vernichtet worden iſt, übernachteten wir am Fuße der bewaldeten Berge, die das Thal gegen Südweſt ſchließen. Wir zogen am rechten Ufer des Guayre bis zum Dorfe Antimano auf einer ſehr ſchönen, zum Teil in den Fels gehauenen Straße. Man kommt durch La Vega und Carapa. Die Kirche von La Vega hebt ſich ſehr maleriſch von einem dicht bewachſenen Hügel- zuge ab. Zerſtreute Häuſer, von Dattelbäumen umgeben, deuten auf günſtige Verhältniſſe der Bewohner. Eine nicht ſehr hohe Bergkette trennt den kleinen Guayrefluß vom Thale De la Pascua, 1 das in der Geſchichte des Landes eine große Rolle ſpielt, und von den alten Goldbergwerken von Baruta und Oripoto. Auf dem Wege aufwärts nach Carapa hat man noch einmal die Ausſicht auf die Silla, die ſich als eine gewaltige, gegen das Meer jäh abſtürzende Kuppel darſtellt. Dieſer runde Gipfel und der wie eine Mauerzinne gezackte Kamm des Galipano ſind die einzigen Berggeſtalten in dieſem Becken von Gneis und Glimmerſchiefer, die der Landſchaft Charakter geben; die übrigen Höhen ſind ſehr einförmig und langweilig. Beim Dorfe Antimano waren alle Baumgärten voll blühender Pfirſichbäume. Aus dieſem Dorfe, aus Valle und von den Ufern des Macarao kommen eine Menge Pfirſiche, Quitten und anderes europäiſches Obſt auf den Markt in Caracas. Vom Antimano bis Las Ajuntas geht man ſieb- 1 Thal des Cortez oder Oſterthal, ſo genannt, weil Diego de Loſada, nachdem er die Tequesindianer und ihren Kaziken Guay- caypuro in den Bergen von San Pedro geſchlagen, im Jahre 1567 die Oſtertage daſelbſt zubrachte, ehe er in das Thal San Francisco drang, wo er die Stadt Caracas gründete.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/177>, abgerufen am 29.03.2024.