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Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Papa Hamlet. Übers. v. Bruno Franzius. Leipzig, 1889.

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liche Baldachin, die Luft, dieses wackre, um¬
wölbende Firmament, dieses majestätische Dach
mit goldnem Feuer ausgelegt: kam es ihm doch
nicht anders vor als ein fauler, verpesteter Haufe
von Dünsten. Welch ein Meisterwerk war der
Mensch! Wie edel durch Vernunft! Wie un¬
begrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Be¬
wegung wie bedeutend und wunderwürdig im
Handeln, wie ähnlich einem Engel; im Begreifen,
wie ähnlich einem Gotte; die Zierde der Welt!
Das Vorbild der Lebendigen! Und doch: was
war ihm diese Quintessenz vom Staube? Er
hatte keine Lust am Manne -- und am Weibe
auch nicht. Die Zeit war aus den Fugen! War
es zu glauben? Aber -- e -- man hatte ihm
noch immer nicht geschrieben. Man war un¬
dankbar in Christiania. Armer Yorick!

Sterben, schlafen . . . vielleicht auch träu¬
men? . . .

Einstweilen jedoch hatte es allen Anschein,
als ob gewisse Rücksichten das Elend des armen
Yorick noch zu hohen Jahren kommen lassen
wollten. Jedenfalls wenigstens durften jetzt
die naseweisen Aktschüler unten in der Akade¬
mie den grossen unübertrefflichen Hamlet aus

liche Baldachin, die Luft, dieses wackre, um¬
wölbende Firmament, dieses majestätische Dach
mit goldnem Feuer ausgelegt: kam es ihm doch
nicht anders vor als ein fauler, verpesteter Haufe
von Dünsten. Welch ein Meisterwerk war der
Mensch! Wie edel durch Vernunft! Wie un¬
begrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Be¬
wegung wie bedeutend und wunderwürdig im
Handeln, wie ähnlich einem Engel; im Begreifen,
wie ähnlich einem Gotte; die Zierde der Welt!
Das Vorbild der Lebendigen! Und doch: was
war ihm diese Quintessenz vom Staube? Er
hatte keine Lust am Manne — und am Weibe
auch nicht. Die Zeit war aus den Fugen! War
es zu glauben? Aber — e — man hatte ihm
noch immer nicht geschrieben. Man war un¬
dankbar in Christiania. Armer Yorick!

Sterben, schlafen . . . vielleicht auch träu¬
men? . . .

Einstweilen jedoch hatte es allen Anschein,
als ob gewisse Rücksichten das Elend des armen
Yorick noch zu hohen Jahren kommen lassen
wollten. Jedenfalls wenigstens durften jetzt
die naseweisen Aktschüler unten in der Akade¬
mie den grossen unübertrefflichen Hamlet aus

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[29/0033] liche Baldachin, die Luft, dieses wackre, um¬ wölbende Firmament, dieses majestätische Dach mit goldnem Feuer ausgelegt: kam es ihm doch nicht anders vor als ein fauler, verpesteter Haufe von Dünsten. Welch ein Meisterwerk war der Mensch! Wie edel durch Vernunft! Wie un¬ begrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Be¬ wegung wie bedeutend und wunderwürdig im Handeln, wie ähnlich einem Engel; im Begreifen, wie ähnlich einem Gotte; die Zierde der Welt! Das Vorbild der Lebendigen! Und doch: was war ihm diese Quintessenz vom Staube? Er hatte keine Lust am Manne — und am Weibe auch nicht. Die Zeit war aus den Fugen! War es zu glauben? Aber — e — man hatte ihm noch immer nicht geschrieben. Man war un¬ dankbar in Christiania. Armer Yorick! Sterben, schlafen . . . vielleicht auch träu¬ men? . . . Einstweilen jedoch hatte es allen Anschein, als ob gewisse Rücksichten das Elend des armen Yorick noch zu hohen Jahren kommen lassen wollten. Jedenfalls wenigstens durften jetzt die naseweisen Aktschüler unten in der Akade¬ mie den grossen unübertrefflichen Hamlet aus

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Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Papa Hamlet. Übers. v. Bruno Franzius. Leipzig, 1889, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_hamlet_1889/33>, abgerufen am 29.03.2024.