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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Siebenzigstes Kapitel.

Worin Anton niedergeschossen wird und sich beinahe verblutet. --
Herr Schkramprl tritt noch einmal auf und gerade im rechten Augenblicke. --
Anton's Wunde ist nicht tödtlich. -- Schkramprl legt sich auf die
Diplomatie.

Anton brachte eine schlaflose Nacht im Dorf-Gast-
hause zu. Doch erhob er sich, nachdem er sein ganzes
Geschick ernst und ruhig durchgedacht, mit vollkomm-
ner Resignation vom schlechten Lager und schaute
gefaßten Muthes in den göttlichen Frühlingsmorgen
hinaus. Was ist's weiter, sprach er zu sich selbst,
eine getäuschte Hoffnung mehr! Und hab' ich nicht
dennoch dabei gewonnen? Meiner armen Mutter letz-
ten Willen hab' ich erfüllt, so gut ich vermochte; --
denn daß Gräfin Julie abwesend, ist nicht meine
Schuld; -- und einen Mann, der mir das Leben gab,
den ich beinahe haßte, vor dem ich mich fürchtete,
hab' ich nun kindlich lieb; trage sein Andenken mit
mir, wie das eines guthmüthigen, gefühlvollen Men-
schen, den seine Schwäche unglücklich macht, den ich
mehr bemitleiden als anklagen darf. Jch kann mei-

Siebenzigſtes Kapitel.

Worin Anton niedergeſchoſſen wird und ſich beinahe verblutet. —
Herr Schkramprl tritt noch einmal auf und gerade im rechten Augenblicke. —
Anton’s Wunde iſt nicht toͤdtlich. — Schkramprl legt ſich auf die
Diplomatie.

Anton brachte eine ſchlafloſe Nacht im Dorf-Gaſt-
hauſe zu. Doch erhob er ſich, nachdem er ſein ganzes
Geſchick ernſt und ruhig durchgedacht, mit vollkomm-
ner Reſignation vom ſchlechten Lager und ſchaute
gefaßten Muthes in den goͤttlichen Fruͤhlingsmorgen
hinaus. Was iſt’s weiter, ſprach er zu ſich ſelbſt,
eine getaͤuſchte Hoffnung mehr! Und hab’ ich nicht
dennoch dabei gewonnen? Meiner armen Mutter letz-
ten Willen hab’ ich erfuͤllt, ſo gut ich vermochte; —
denn daß Graͤfin Julie abweſend, iſt nicht meine
Schuld; — und einen Mann, der mir das Leben gab,
den ich beinahe haßte, vor dem ich mich fuͤrchtete,
hab’ ich nun kindlich lieb; trage ſein Andenken mit
mir, wie das eines guthmuͤthigen, gefuͤhlvollen Men-
ſchen, den ſeine Schwaͤche ungluͤcklich macht, den ich
mehr bemitleiden als anklagen darf. Jch kann mei-

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[38/0042] Siebenzigſtes Kapitel. Worin Anton niedergeſchoſſen wird und ſich beinahe verblutet. — Herr Schkramprl tritt noch einmal auf und gerade im rechten Augenblicke. — Anton’s Wunde iſt nicht toͤdtlich. — Schkramprl legt ſich auf die Diplomatie. Anton brachte eine ſchlafloſe Nacht im Dorf-Gaſt- hauſe zu. Doch erhob er ſich, nachdem er ſein ganzes Geſchick ernſt und ruhig durchgedacht, mit vollkomm- ner Reſignation vom ſchlechten Lager und ſchaute gefaßten Muthes in den goͤttlichen Fruͤhlingsmorgen hinaus. Was iſt’s weiter, ſprach er zu ſich ſelbſt, eine getaͤuſchte Hoffnung mehr! Und hab’ ich nicht dennoch dabei gewonnen? Meiner armen Mutter letz- ten Willen hab’ ich erfuͤllt, ſo gut ich vermochte; — denn daß Graͤfin Julie abweſend, iſt nicht meine Schuld; — und einen Mann, der mir das Leben gab, den ich beinahe haßte, vor dem ich mich fuͤrchtete, hab’ ich nun kindlich lieb; trage ſein Andenken mit mir, wie das eines guthmuͤthigen, gefuͤhlvollen Men- ſchen, den ſeine Schwaͤche ungluͤcklich macht, den ich mehr bemitleiden als anklagen darf. Jch kann mei-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/42>, abgerufen am 28.03.2024.