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Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sich nur höchst selten in der Auslegung, -- was ihr dann freilich Schläge zuzog. Denn wir dürfen es nicht verschweigen, obschon sie selbst, so lange Er lebte, mit keinem Menschen darüber gesprochen: Hanepich schlug bisweilen die Wawerle. Und Wawerle, wenn sie in der kleinen räucherigen Küche sich verborgen hielt, bis ihre Thränen getrocknet waren, entschuldigte ihn mit den Worten: Er ist halt ein ungezogenes Kind, mein guter Hanepich; die Kinder schlagen auch nach der Hand, die ihnen Nahrung reicht. --

Daß Herr von Hanepich von den Zinsen lebte, welche Wawerle's geringes Vermögen abwarf, das wußte Niemand besser, als er, der ohne diese Gewißheit die Wawerle wahrscheinlich gar nicht zum Range einer Lieutenantin erhoben haben würde. Was er von ihr hatte, ließ sich leicht berechnen, was sie von ihm, außer seinen Püffen, ist niemals recht klar geworden. Dennoch lebte sie nur für ihn, so lange er lebte, und das dauerte bis in den November des Jahres Achtzehnhundertsechs. Kurz vorher, ehe die Stadt Breslau von den Franzosen eingeschlossen wurde, trug man den verstorbenen Hanepich vors Nikolai-Thor hinaus. Die brennenden Vorstädte, die seitens der Belagerten angezündet waren, um den Belagerern nicht als Obdach dienen zu können, leuchteten seinem in aller Hast und Eile abgefertigten Begräbnisse. Sein letztes Wort war jenes merkwürdige stabile Nee gewesen. Doch der Tod, gegen dessen fühlbare Nähe der alte Bra-

sich nur höchst selten in der Auslegung, — was ihr dann freilich Schläge zuzog. Denn wir dürfen es nicht verschweigen, obschon sie selbst, so lange Er lebte, mit keinem Menschen darüber gesprochen: Hanepich schlug bisweilen die Wawerle. Und Wawerle, wenn sie in der kleinen räucherigen Küche sich verborgen hielt, bis ihre Thränen getrocknet waren, entschuldigte ihn mit den Worten: Er ist halt ein ungezogenes Kind, mein guter Hanepich; die Kinder schlagen auch nach der Hand, die ihnen Nahrung reicht. —

Daß Herr von Hanepich von den Zinsen lebte, welche Wawerle's geringes Vermögen abwarf, das wußte Niemand besser, als er, der ohne diese Gewißheit die Wawerle wahrscheinlich gar nicht zum Range einer Lieutenantin erhoben haben würde. Was er von ihr hatte, ließ sich leicht berechnen, was sie von ihm, außer seinen Püffen, ist niemals recht klar geworden. Dennoch lebte sie nur für ihn, so lange er lebte, und das dauerte bis in den November des Jahres Achtzehnhundertsechs. Kurz vorher, ehe die Stadt Breslau von den Franzosen eingeschlossen wurde, trug man den verstorbenen Hanepich vors Nikolai-Thor hinaus. Die brennenden Vorstädte, die seitens der Belagerten angezündet waren, um den Belagerern nicht als Obdach dienen zu können, leuchteten seinem in aller Hast und Eile abgefertigten Begräbnisse. Sein letztes Wort war jenes merkwürdige stabile Nee gewesen. Doch der Tod, gegen dessen fühlbare Nähe der alte Bra-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/8>, abgerufen am 25.04.2024.