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Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Kropfigen nicht immer die reinsten Töne von sich geben. Aber es schallte doch durch die liebe Kirche, daß alle Zuhörer ihre Lust daran hatten und Wawerle auch. Im Ganzen genommen blieb dieses Ja ein merkwürdiges Wort aus Lieutenant von Hanepich's Munde; Wawerle that wohl, es in getreuem Herzen redlich zu bewahren, denn es war das letzte Ja, welches sie von ihm zu hören bekam. Später vernahm sie's nimmer. Doch Klatschmäuler und Lästerzungen, die behaupten wollten, an die Stelle des lieblichen und löblichen Ja sei im Hanepich'schen Ehestände das schroffe Nein getreten, logen schändlich. Wer von Beiden hätte Nein sagen sollen? Wawerle pflegte gar Nichts zu sagen, und Hanepich sagte Nee! Er machte sich gar kein Gewissen daraus, auch vor Zeugen, sogar vor gebildeten und richtig sprechenden, dieses sein Nee recht entschieden auszustoßen; denn, meinte er wenn es nicht wirklich Nee hieße, woher käme dann der gelehrte Ausdruck Negation, der doch so gewiß gut Deutsch ist, wie irgend einer, den wir in der Schlesing gebrauchen?

Warum Hanepich in solchen Fällen negirte, wo er das ihm Dargebotene zu haben verlangte, ist nur durch den Vorsatz erklärbar, den er am Hochzeitstage ausgesprochen: man dürfe den Weibern nie Recht geben, sonst verderbe man sie. Unerklärlich aber bleibt, wie sich Wawerle sehr bald in die Bedeutung des als Ja gemeinten Nee einzuleben verstand; daß sie genau wußte, ob es so oder so gelten solle. Sie täuschte

Kropfigen nicht immer die reinsten Töne von sich geben. Aber es schallte doch durch die liebe Kirche, daß alle Zuhörer ihre Lust daran hatten und Wawerle auch. Im Ganzen genommen blieb dieses Ja ein merkwürdiges Wort aus Lieutenant von Hanepich's Munde; Wawerle that wohl, es in getreuem Herzen redlich zu bewahren, denn es war das letzte Ja, welches sie von ihm zu hören bekam. Später vernahm sie's nimmer. Doch Klatschmäuler und Lästerzungen, die behaupten wollten, an die Stelle des lieblichen und löblichen Ja sei im Hanepich'schen Ehestände das schroffe Nein getreten, logen schändlich. Wer von Beiden hätte Nein sagen sollen? Wawerle pflegte gar Nichts zu sagen, und Hanepich sagte Nee! Er machte sich gar kein Gewissen daraus, auch vor Zeugen, sogar vor gebildeten und richtig sprechenden, dieses sein Nee recht entschieden auszustoßen; denn, meinte er wenn es nicht wirklich Nee hieße, woher käme dann der gelehrte Ausdruck Negation, der doch so gewiß gut Deutsch ist, wie irgend einer, den wir in der Schlesing gebrauchen?

Warum Hanepich in solchen Fällen negirte, wo er das ihm Dargebotene zu haben verlangte, ist nur durch den Vorsatz erklärbar, den er am Hochzeitstage ausgesprochen: man dürfe den Weibern nie Recht geben, sonst verderbe man sie. Unerklärlich aber bleibt, wie sich Wawerle sehr bald in die Bedeutung des als Ja gemeinten Nee einzuleben verstand; daß sie genau wußte, ob es so oder so gelten solle. Sie täuschte

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[0007] Kropfigen nicht immer die reinsten Töne von sich geben. Aber es schallte doch durch die liebe Kirche, daß alle Zuhörer ihre Lust daran hatten und Wawerle auch. Im Ganzen genommen blieb dieses Ja ein merkwürdiges Wort aus Lieutenant von Hanepich's Munde; Wawerle that wohl, es in getreuem Herzen redlich zu bewahren, denn es war das letzte Ja, welches sie von ihm zu hören bekam. Später vernahm sie's nimmer. Doch Klatschmäuler und Lästerzungen, die behaupten wollten, an die Stelle des lieblichen und löblichen Ja sei im Hanepich'schen Ehestände das schroffe Nein getreten, logen schändlich. Wer von Beiden hätte Nein sagen sollen? Wawerle pflegte gar Nichts zu sagen, und Hanepich sagte Nee! Er machte sich gar kein Gewissen daraus, auch vor Zeugen, sogar vor gebildeten und richtig sprechenden, dieses sein Nee recht entschieden auszustoßen; denn, meinte er wenn es nicht wirklich Nee hieße, woher käme dann der gelehrte Ausdruck Negation, der doch so gewiß gut Deutsch ist, wie irgend einer, den wir in der Schlesing gebrauchen? Warum Hanepich in solchen Fällen negirte, wo er das ihm Dargebotene zu haben verlangte, ist nur durch den Vorsatz erklärbar, den er am Hochzeitstage ausgesprochen: man dürfe den Weibern nie Recht geben, sonst verderbe man sie. Unerklärlich aber bleibt, wie sich Wawerle sehr bald in die Bedeutung des als Ja gemeinten Nee einzuleben verstand; daß sie genau wußte, ob es so oder so gelten solle. Sie täuschte

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/7>, abgerufen am 29.03.2024.