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Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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könntest du gleich achttausend Thaler empfangen, denn es sind mehrere Käufer für die Hypothek da.

Dein alter Heinrich."

Ich bin nicht mächtig, meinen Lesern die fieberhafte Aufmerksamkeit zu schildern, mit welcher Frau, Tochter, Bräutigam jede Silbe des Briefes verfolgten. Sie hingen an des Professors Lippen, und als er geendet, starrten sie ihn fragend an, was seine Mienen verkünden würden.

Er schwieg und sann. Offenbar sann er nach, ob ihm aus der Knaben- und Jünglingszeit nicht eine Aeußerung seines Vaters, irgend eine Andeutung ins Gedächtniß kommen wollte, die sich auf jene Papiere anwenden ließ. -- Vergeblich! Keine Spur!

Wahrscheinlich, hob er niedergeschlagen an, hat Muhme Wawerle schon bei Lebzeiten für eine Kleinigkeit hingegeben, das sie für ganz werthlos.... Plötzlich hielt er inne. Auf seinem Antlitze strahlte der belebende Widerschein freudiger Hoffnung, der auf die Anderen zurückwirkte. Alle Vier standen zugleich von ihren Sitzen auf.

Der Professor ging festen Schrittes, tote ein Mann, der Gewißheit haben will um jeden Preis, nach seinem Kleiderschränke. Mit raschem Griffe riß er ein armseliges, verschlissenes Mäntelchen von schlechtem Wollenzeuge aus dem Hintergrunde hervor und zog aus dessen inneren Falten, aus einer Art von

könntest du gleich achttausend Thaler empfangen, denn es sind mehrere Käufer für die Hypothek da.

Dein alter Heinrich.“

Ich bin nicht mächtig, meinen Lesern die fieberhafte Aufmerksamkeit zu schildern, mit welcher Frau, Tochter, Bräutigam jede Silbe des Briefes verfolgten. Sie hingen an des Professors Lippen, und als er geendet, starrten sie ihn fragend an, was seine Mienen verkünden würden.

Er schwieg und sann. Offenbar sann er nach, ob ihm aus der Knaben- und Jünglingszeit nicht eine Aeußerung seines Vaters, irgend eine Andeutung ins Gedächtniß kommen wollte, die sich auf jene Papiere anwenden ließ. — Vergeblich! Keine Spur!

Wahrscheinlich, hob er niedergeschlagen an, hat Muhme Wawerle schon bei Lebzeiten für eine Kleinigkeit hingegeben, das sie für ganz werthlos.... Plötzlich hielt er inne. Auf seinem Antlitze strahlte der belebende Widerschein freudiger Hoffnung, der auf die Anderen zurückwirkte. Alle Vier standen zugleich von ihren Sitzen auf.

Der Professor ging festen Schrittes, tote ein Mann, der Gewißheit haben will um jeden Preis, nach seinem Kleiderschränke. Mit raschem Griffe riß er ein armseliges, verschlissenes Mäntelchen von schlechtem Wollenzeuge aus dem Hintergrunde hervor und zog aus dessen inneren Falten, aus einer Art von

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:49:22Z)

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/39>, abgerufen am 28.03.2024.