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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Während nun die Eltern sich wunderten und die
Kinder sich freuten, nahm die fremde Dame Platz
auf einem alten gebrechlichen Kanapee, und zog den
Herrn Peregrinus Tyß, der in der That beinahe selbst
nicht mehr wußte, ob er diese Person wirklich sey,
neben sich nieder. "Mein theurer," begann sie dann
leise ihm ins Ohr lispelnd, "mein theurer lieber
Freund, wie froh, wie seelig fühle ich mich an deiner
Seite." -- "Aber," stotterte Peregrinus, "aber
mein verehrtestes Fräulein" -- doch plötzlich kamen,
der Himmel weiß wie, die Lippen der fremden Dame
den seinigen so nahe, daß, ehe er daran denken konnte,
sie zu küssen, sie schon geküßt hatte, und daß er dar¬
über die Sprache aufs neue und gänzlich verlor, ist zu
denken.

"Mein süßer Freund," sprach nun die fremde
Dame weiter, indem sie dem Peregrinus so nahe auf
den Leib rückte, daß nicht viel daran gefehlt, sie hätte
sich auf seinen Schooß gesetzt, "mein süßer Freund!
ich weiß was dich bekümmert, ich weiß was heute Abend
dein frommes kindliches Gemüth schmerzlich berührt
hat. Doch! -- sey getrost! -- Was du verloren,
was du jemals wieder zu erlangen kaum hoffen durf¬
test, das bring' ich dir."

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Während nun die Eltern ſich wunderten und die
Kinder ſich freuten, nahm die fremde Dame Platz
auf einem alten gebrechlichen Kanapee, und zog den
Herrn Peregrinus Tyß, der in der That beinahe ſelbſt
nicht mehr wußte, ob er dieſe Perſon wirklich ſey,
neben ſich nieder. »Mein theurer,» begann ſie dann
leiſe ihm ins Ohr lispelnd, »mein theurer lieber
Freund, wie froh, wie ſeelig fühle ich mich an deiner
Seite.» — »Aber,» ſtotterte Peregrinus, »aber
mein verehrteſtes Fräulein» — doch plötzlich kamen,
der Himmel weiß wie, die Lippen der fremden Dame
den ſeinigen ſo nahe, daß, ehe er daran denken konnte,
ſie zu küſſen, ſie ſchon geküßt hatte, und daß er dar¬
über die Sprache aufs neue und gänzlich verlor, iſt zu
denken.

»Mein ſüßer Freund,» ſprach nun die fremde
Dame weiter, indem ſie dem Peregrinus ſo nahe auf
den Leib rückte, daß nicht viel daran gefehlt, ſie hätte
ſich auf ſeinen Schooß geſetzt, »mein ſüßer Freund!
ich weiß was dich bekümmert, ich weiß was heute Abend
dein frommes kindliches Gemüth ſchmerzlich berührt
hat. Doch! — ſey getroſt! — Was du verloren,
was du jemals wieder zu erlangen kaum hoffen durf¬
teſt, das bring' ich dir.»

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[33/0038] Während nun die Eltern ſich wunderten und die Kinder ſich freuten, nahm die fremde Dame Platz auf einem alten gebrechlichen Kanapee, und zog den Herrn Peregrinus Tyß, der in der That beinahe ſelbſt nicht mehr wußte, ob er dieſe Perſon wirklich ſey, neben ſich nieder. »Mein theurer,» begann ſie dann leiſe ihm ins Ohr lispelnd, »mein theurer lieber Freund, wie froh, wie ſeelig fühle ich mich an deiner Seite.» — »Aber,» ſtotterte Peregrinus, »aber mein verehrteſtes Fräulein» — doch plötzlich kamen, der Himmel weiß wie, die Lippen der fremden Dame den ſeinigen ſo nahe, daß, ehe er daran denken konnte, ſie zu küſſen, ſie ſchon geküßt hatte, und daß er dar¬ über die Sprache aufs neue und gänzlich verlor, iſt zu denken. »Mein ſüßer Freund,» ſprach nun die fremde Dame weiter, indem ſie dem Peregrinus ſo nahe auf den Leib rückte, daß nicht viel daran gefehlt, ſie hätte ſich auf ſeinen Schooß geſetzt, »mein ſüßer Freund! ich weiß was dich bekümmert, ich weiß was heute Abend dein frommes kindliches Gemüth ſchmerzlich berührt hat. Doch! — ſey getroſt! — Was du verloren, was du jemals wieder zu erlangen kaum hoffen durf¬ teſt, das bring' ich dir.» 3

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/38>, abgerufen am 16.04.2024.