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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Sehr irren würde jeder, welcher glauben sollte,
daß Peregrinus Tyß ein Kind sey, dem die gütige
Mutter oder sonst ein ihm zugewandtes weibliches We¬
sen, romantischer Weise, Aline geheißen, den heili¬
gen Christ bescheert. -- Nichts weniger als das! --

Herr Peregrinus Tyß hatte sechs und dreyßig
Jahre erreicht und daher beinahe die besten. Sechs
Jahre früher hieß es von ihm, er sey ein recht hüb¬
scher Mensch, jetzt nannte man ihn mit Recht einen
Mann von feinem Ansehen, immer, damals und jetzt
wurde aber von allen getadelt, daß Peregrinus zu
sehr sich zurückziehe, daß er das Leben nicht kenne und
daß er offenbar an einem krankhaften Trübsinn leide.
Väter, deren Töchter eben mannbar, meinten, daß
der gute Tyß, um sich von seinem Trübsinn zu heilen,
nichts besseres thun könne, als heirathen, er habe ja
freie Wahl und einen Korb nicht so leicht zu fürchten.
Der Väter Meinung war wenigstens Hinsichts des
letztern Punkts in so fern richtig, als Herr Peregri¬
nus Tyß außerdem, daß er, wie gesagt, ein Mann
von feinem Ansehen war, ein sehr beträchtliches Ver¬
mögen besaß, das ihm sein Vater, Herr Balthasar
Tyß, ein sehr angesehener Kaufherr hinterlassen. Sol¬
chen hochbegabten Männern pflegt ein Mädchen, das,
was Liebe betrifft, über die Ueberschwenglichkeit hin¬

Sehr irren würde jeder, welcher glauben ſollte,
daß Peregrinus Tyß ein Kind ſey, dem die gütige
Mutter oder ſonſt ein ihm zugewandtes weibliches We¬
ſen, romantiſcher Weiſe, Aline geheißen, den heili¬
gen Chriſt beſcheert. — Nichts weniger als das! —

Herr Peregrinus Tyß hatte ſechs und dreyßig
Jahre erreicht und daher beinahe die beſten. Sechs
Jahre früher hieß es von ihm, er ſey ein recht hüb¬
ſcher Menſch, jetzt nannte man ihn mit Recht einen
Mann von feinem Anſehen, immer, damals und jetzt
wurde aber von allen getadelt, daß Peregrinus zu
ſehr ſich zurückziehe, daß er das Leben nicht kenne und
daß er offenbar an einem krankhaften Trübſinn leide.
Väter, deren Töchter eben mannbar, meinten, daß
der gute Tyß, um ſich von ſeinem Trübſinn zu heilen,
nichts beſſeres thun könne, als heirathen, er habe ja
freie Wahl und einen Korb nicht ſo leicht zu fürchten.
Der Väter Meinung war wenigſtens Hinſichts des
letztern Punkts in ſo fern richtig, als Herr Peregri¬
nus Tyß außerdem, daß er, wie geſagt, ein Mann
von feinem Anſehen war, ein ſehr beträchtliches Ver¬
mögen beſaß, das ihm ſein Vater, Herr Balthaſar
Tyß, ein ſehr angeſehener Kaufherr hinterlaſſen. Sol¬
chen hochbegabten Männern pflegt ein Mädchen, das,
was Liebe betrifft, über die Ueberſchwenglichkeit hin¬

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[8/0013] Sehr irren würde jeder, welcher glauben ſollte, daß Peregrinus Tyß ein Kind ſey, dem die gütige Mutter oder ſonſt ein ihm zugewandtes weibliches We¬ ſen, romantiſcher Weiſe, Aline geheißen, den heili¬ gen Chriſt beſcheert. — Nichts weniger als das! — Herr Peregrinus Tyß hatte ſechs und dreyßig Jahre erreicht und daher beinahe die beſten. Sechs Jahre früher hieß es von ihm, er ſey ein recht hüb¬ ſcher Menſch, jetzt nannte man ihn mit Recht einen Mann von feinem Anſehen, immer, damals und jetzt wurde aber von allen getadelt, daß Peregrinus zu ſehr ſich zurückziehe, daß er das Leben nicht kenne und daß er offenbar an einem krankhaften Trübſinn leide. Väter, deren Töchter eben mannbar, meinten, daß der gute Tyß, um ſich von ſeinem Trübſinn zu heilen, nichts beſſeres thun könne, als heirathen, er habe ja freie Wahl und einen Korb nicht ſo leicht zu fürchten. Der Väter Meinung war wenigſtens Hinſichts des letztern Punkts in ſo fern richtig, als Herr Peregri¬ nus Tyß außerdem, daß er, wie geſagt, ein Mann von feinem Anſehen war, ein ſehr beträchtliches Ver¬ mögen beſaß, das ihm ſein Vater, Herr Balthaſar Tyß, ein ſehr angeſehener Kaufherr hinterlaſſen. Sol¬ chen hochbegabten Männern pflegt ein Mädchen, das, was Liebe betrifft, über die Ueberſchwenglichkeit hin¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/13>, abgerufen am 16.04.2024.