Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Kerkermeister fort: ist Ihnen bekannt wor¬
den, daß jeder Versuch zu entfliehen, jedes
Einverständniß mit den Mitgefangenen hart
geahndet wird." -- Ich betheuerte, nichts der¬
gleichen hätte ich vor. Ein paar Stunden
nachher führte man mich hinauf zum Cri¬
minal Gericht. Nicht der Richter, der mich
zuerst vernommen, sondern ein anderer, ziem¬
lich junger Mann, dem ich auf den ersten
Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬
wandtheit und eindringenden Sinn weit über¬
legen seyn müsse, trat freundlich auf mich
zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch steht
er mir gar lebendig vor Augen. Er war
für seine Jahre ziemlich untersetzt, sein Kopf
beinahe haarlos, er trug eine Brille. In
seinem ganzen Wesen lag so viel Güte und
Gemüthlichkeit, daß ich wohl fühlte, gerade
deshalb müsse jeder nicht ganz verstockte Ver¬
brecher ihm schwer widerstehen können. Sei¬
ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬
versationston hin, aber sie waren überdacht

Kerkermeiſter fort: iſt Ihnen bekannt wor¬
den, daß jeder Verſuch zu entfliehen, jedes
Einverſtaͤndniß mit den Mitgefangenen hart
geahndet wird.“ — Ich betheuerte, nichts der¬
gleichen haͤtte ich vor. Ein paar Stunden
nachher fuͤhrte man mich hinauf zum Cri¬
minal Gericht. Nicht der Richter, der mich
zuerſt vernommen, ſondern ein anderer, ziem¬
lich junger Mann, dem ich auf den erſten
Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬
wandtheit und eindringenden Sinn weit uͤber¬
legen ſeyn muͤſſe, trat freundlich auf mich
zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch ſteht
er mir gar lebendig vor Augen. Er war
fuͤr ſeine Jahre ziemlich unterſetzt, ſein Kopf
beinahe haarlos, er trug eine Brille. In
ſeinem ganzen Weſen lag ſo viel Guͤte und
Gemuͤthlichkeit, daß ich wohl fuͤhlte, gerade
deshalb muͤſſe jeder nicht ganz verſtockte Ver¬
brecher ihm ſchwer widerſtehen koͤnnen. Sei¬
ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬
verſationston hin, aber ſie waren uͤberdacht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0046" n="38"/>
Kerkermei&#x017F;ter fort: i&#x017F;t Ihnen bekannt wor¬<lb/>
den, daß jeder Ver&#x017F;uch zu entfliehen, jedes<lb/>
Einver&#x017F;ta&#x0364;ndniß mit den Mitgefangenen hart<lb/>
geahndet wird.&#x201C; &#x2014; Ich betheuerte, nichts der¬<lb/>
gleichen ha&#x0364;tte ich vor. Ein paar Stunden<lb/>
nachher fu&#x0364;hrte man mich hinauf zum Cri¬<lb/>
minal Gericht. Nicht der Richter, der mich<lb/>
zuer&#x017F;t vernommen, &#x017F;ondern ein anderer, ziem¬<lb/>
lich junger Mann, dem ich auf den er&#x017F;ten<lb/>
Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬<lb/>
wandtheit und eindringenden Sinn weit u&#x0364;ber¬<lb/>
legen &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, trat freundlich auf mich<lb/>
zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch &#x017F;teht<lb/>
er mir gar lebendig vor Augen. Er war<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;eine Jahre ziemlich unter&#x017F;etzt, &#x017F;ein Kopf<lb/>
beinahe haarlos, er trug eine Brille. In<lb/>
&#x017F;einem ganzen We&#x017F;en lag &#x017F;o viel Gu&#x0364;te und<lb/>
Gemu&#x0364;thlichkeit, daß ich wohl fu&#x0364;hlte, gerade<lb/>
deshalb mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e jeder nicht ganz ver&#x017F;tockte Ver¬<lb/>
brecher ihm &#x017F;chwer wider&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen. Sei¬<lb/>
ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬<lb/>
ver&#x017F;ationston hin, aber &#x017F;ie waren u&#x0364;berdacht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0046] Kerkermeiſter fort: iſt Ihnen bekannt wor¬ den, daß jeder Verſuch zu entfliehen, jedes Einverſtaͤndniß mit den Mitgefangenen hart geahndet wird.“ — Ich betheuerte, nichts der¬ gleichen haͤtte ich vor. Ein paar Stunden nachher fuͤhrte man mich hinauf zum Cri¬ minal Gericht. Nicht der Richter, der mich zuerſt vernommen, ſondern ein anderer, ziem¬ lich junger Mann, dem ich auf den erſten Blick anmerkte, daß er dem vorigen an Ge¬ wandtheit und eindringenden Sinn weit uͤber¬ legen ſeyn muͤſſe, trat freundlich auf mich zu, und lud mich zum Sitzen ein. Noch ſteht er mir gar lebendig vor Augen. Er war fuͤr ſeine Jahre ziemlich unterſetzt, ſein Kopf beinahe haarlos, er trug eine Brille. In ſeinem ganzen Weſen lag ſo viel Guͤte und Gemuͤthlichkeit, daß ich wohl fuͤhlte, gerade deshalb muͤſſe jeder nicht ganz verſtockte Ver¬ brecher ihm ſchwer widerſtehen koͤnnen. Sei¬ ne Fragen warf er leicht, beinahe im Con¬ verſationston hin, aber ſie waren uͤberdacht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/46
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/46>, abgerufen am 28.03.2024.