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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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Was ist für die liebe der Raum, die Zeit!
-- Lebt sie nicht im Gedanken und kennt der
denn ein Maaß? -- Aber finstre Gestalten
steigen auf, und immer dichter und dichter
sich zusammendrängend, immer enger und
enger mich einschließend, versperren sie die
Aussicht und befangen meinen Sinn mit den
Drangsalen der Gegenwart, daß selbst die
Sehnsucht, welche mich mit namenlosem
wonnevollem Schmerz erfüllte, nun zu töd¬
tender heilloser Qual wird! --

Der Pfarrer war die Güte selbst, er
wußte meinen lebhaften Geist zu fesseln, er
wußte seinen Unterricht so nach meiner Sin¬
nesart zu formen, daß ich Freude daran
fand, und schnelle Fortschritte machte. --
Meine Mutter liebte ich über alles, aber die
Fürstin verehrte ich wie eine Heilige, und es
war ein feierlicher Tag für mich, wenn ich
sie sehen durfte. Jedesmal nahm ich mir
vor, mit den neuerworbenen Kenntnissen
recht vor ihr zu leuchten, aber wenn sie

kam,

Was iſt fuͤr die liebe der Raum, die Zeit!
— Lebt ſie nicht im Gedanken und kennt der
denn ein Maaß? — Aber finſtre Geſtalten
ſteigen auf, und immer dichter und dichter
ſich zuſammendraͤngend, immer enger und
enger mich einſchließend, verſperren ſie die
Ausſicht und befangen meinen Sinn mit den
Drangſalen der Gegenwart, daß ſelbſt die
Sehnſucht, welche mich mit namenloſem
wonnevollem Schmerz erfuͤllte, nun zu toͤd¬
tender heilloſer Qual wird! —

Der Pfarrer war die Guͤte ſelbſt, er
wußte meinen lebhaften Geiſt zu feſſeln, er
wußte ſeinen Unterricht ſo nach meiner Sin¬
nesart zu formen, daß ich Freude daran
fand, und ſchnelle Fortſchritte machte. —
Meine Mutter liebte ich uͤber alles, aber die
Fuͤrſtin verehrte ich wie eine Heilige, und es
war ein feierlicher Tag fuͤr mich, wenn ich
ſie ſehen durfte. Jedesmal nahm ich mir
vor, mit den neuerworbenen Kenntniſſen
recht vor ihr zu leuchten, aber wenn ſie

kam,
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[16/0032] Was iſt fuͤr die liebe der Raum, die Zeit! — Lebt ſie nicht im Gedanken und kennt der denn ein Maaß? — Aber finſtre Geſtalten ſteigen auf, und immer dichter und dichter ſich zuſammendraͤngend, immer enger und enger mich einſchließend, verſperren ſie die Ausſicht und befangen meinen Sinn mit den Drangſalen der Gegenwart, daß ſelbſt die Sehnſucht, welche mich mit namenloſem wonnevollem Schmerz erfuͤllte, nun zu toͤd¬ tender heilloſer Qual wird! — Der Pfarrer war die Guͤte ſelbſt, er wußte meinen lebhaften Geiſt zu feſſeln, er wußte ſeinen Unterricht ſo nach meiner Sin¬ nesart zu formen, daß ich Freude daran fand, und ſchnelle Fortſchritte machte. — Meine Mutter liebte ich uͤber alles, aber die Fuͤrſtin verehrte ich wie eine Heilige, und es war ein feierlicher Tag fuͤr mich, wenn ich ſie ſehen durfte. Jedesmal nahm ich mir vor, mit den neuerworbenen Kenntniſſen recht vor ihr zu leuchten, aber wenn ſie kam,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/32>, abgerufen am 25.04.2024.