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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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entspringt, dahin mein Volk zu führen, bin ich noch jezt nicht geschikt. Aber ein Schwerd zu brauchen, hab' ich gelernt und mehr bedarf es für jezt nicht. Der neue Geisterbund kann in der Luft nicht leben, die heilige Theokratie des Schönen muß in einem Freistaat wohnen, und der will Plaz auf Erden haben und diesen Plaz erobern wir gewiß.

Du wirst erobern, rief Diotima, und vergessen, wofür? wirst, wenn es hoch kommt, einen Freistaat dir erzwingen und dann sagen, wofür hab' ich gebaut? ach! es wird verzehrt seyn, all' das schöne Leben, das daselbst sich regen sollte, wird verbraucht seyn selbst in dir! Der wilde Kampf wird dich zerreißen, schöne Seele, du wirst altern, seeliger Geist! und lebensmüd am Ende fragen, wo seyd ihr nun, ihr Ideale der Jugend?

Das ist grausam, Diotima, rief ich, so ins Herz zu greifen, so an meiner eignen Todesfurcht, an meiner höchsten Lebenslust mich vestzuhalten, aber nein! nein! nein! der Knechtsdienst tödtet, aber gerechter Krieg macht jede Seele lebendig. Das giebt dem Golde die Farbe der Sonne, daß man ins Feuer es wirft! Das, das giebt erst dem Menschen seine ganze Jugend, daß er Fesseln zerreißt!

entspringt, dahin mein Volk zu führen, bin ich noch jezt nicht geschikt. Aber ein Schwerd zu brauchen, hab’ ich gelernt und mehr bedarf es für jezt nicht. Der neue Geisterbund kann in der Luft nicht leben, die heilige Theokratie des Schönen muß in einem Freistaat wohnen, und der will Plaz auf Erden haben und diesen Plaz erobern wir gewiß.

Du wirst erobern, rief Diotima, und vergessen, wofür? wirst, wenn es hoch kommt, einen Freistaat dir erzwingen und dann sagen, wofür hab’ ich gebaut? ach! es wird verzehrt seyn, all’ das schöne Leben, das daselbst sich regen sollte, wird verbraucht seyn selbst in dir! Der wilde Kampf wird dich zerreißen, schöne Seele, du wirst altern, seeliger Geist! und lebensmüd am Ende fragen, wo seyd ihr nun, ihr Ideale der Jugend?

Das ist grausam, Diotima, rief ich, so ins Herz zu greifen, so an meiner eignen Todesfurcht, an meiner höchsten Lebenslust mich vestzuhalten, aber nein! nein! nein! der Knechtsdienst tödtet, aber gerechter Krieg macht jede Seele lebendig. Das giebt dem Golde die Farbe der Sonne, daß man ins Feuer es wirft! Das, das giebt erst dem Menschen seine ganze Jugend, daß er Fesseln zerreißt!

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[0009] entspringt, dahin mein Volk zu führen, bin ich noch jezt nicht geschikt. Aber ein Schwerd zu brauchen, hab’ ich gelernt und mehr bedarf es für jezt nicht. Der neue Geisterbund kann in der Luft nicht leben, die heilige Theokratie des Schönen muß in einem Freistaat wohnen, und der will Plaz auf Erden haben und diesen Plaz erobern wir gewiß. Du wirst erobern, rief Diotima, und vergessen, wofür? wirst, wenn es hoch kommt, einen Freistaat dir erzwingen und dann sagen, wofür hab’ ich gebaut? ach! es wird verzehrt seyn, all’ das schöne Leben, das daselbst sich regen sollte, wird verbraucht seyn selbst in dir! Der wilde Kampf wird dich zerreißen, schöne Seele, du wirst altern, seeliger Geist! und lebensmüd am Ende fragen, wo seyd ihr nun, ihr Ideale der Jugend? Das ist grausam, Diotima, rief ich, so ins Herz zu greifen, so an meiner eignen Todesfurcht, an meiner höchsten Lebenslust mich vestzuhalten, aber nein! nein! nein! der Knechtsdienst tödtet, aber gerechter Krieg macht jede Seele lebendig. Das giebt dem Golde die Farbe der Sonne, daß man ins Feuer es wirft! Das, das giebt erst dem Menschen seine ganze Jugend, daß er Fesseln zerreißt!

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/9>, abgerufen am 25.04.2024.