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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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wie die Vögel, so lange die Welt, wie Mailuft, einen anweht; aber zwischen Mittag und Abend kann es anders werden, und was ist verloren am Ende?

Glaube mir und denk, ich sags aus tiefer Seele dir: die Sprache ist ein großer Überfluß. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie die Perle im Grunde des Meers. - Doch was ich eigentlich dir schreiben wollte, weil doch einmal das Gemälde seinen Rahmen und der Mann sein Tagwerk haben muß, so will ich noch auf eine Zeitlang Dienste nehmen bei der Russischen Flotte; denn mit den Griechen hab' ich weiter nichts zu thun.

O theures Mädchen! es ist sehr finster um mich geworden!

Hyperion an Diotima.

Ich habe gezaudert, gekämpft. Doch endlich muß es seyn.

Ich sehe, was nothwendig ist, und weil ich es sehe, so soll es auch werden. Misdeute mich nicht! verdamme mich nicht! ich muß dir rathen, daß du mich verlässest, meine Diotima.

Ich bin für dich nichts mehr, du holdes

wie die Vögel, so lange die Welt, wie Mailuft, einen anweht; aber zwischen Mittag und Abend kann es anders werden, und was ist verloren am Ende?

Glaube mir und denk, ich sags aus tiefer Seele dir: die Sprache ist ein großer Überfluß. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie die Perle im Grunde des Meers. – Doch was ich eigentlich dir schreiben wollte, weil doch einmal das Gemälde seinen Rahmen und der Mann sein Tagwerk haben muß, so will ich noch auf eine Zeitlang Dienste nehmen bei der Russischen Flotte; denn mit den Griechen hab’ ich weiter nichts zu thun.

O theures Mädchen! es ist sehr finster um mich geworden!

Hyperion an Diotima.

Ich habe gezaudert, gekämpft. Doch endlich muß es seyn.

Ich sehe, was nothwendig ist, und weil ich es sehe, so soll es auch werden. Misdeute mich nicht! verdamme mich nicht! ich muß dir rathen, daß du mich verlässest, meine Diotima.

Ich bin für dich nichts mehr, du holdes

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[0048] wie die Vögel, so lange die Welt, wie Mailuft, einen anweht; aber zwischen Mittag und Abend kann es anders werden, und was ist verloren am Ende? Glaube mir und denk, ich sags aus tiefer Seele dir: die Sprache ist ein großer Überfluß. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe, wie die Perle im Grunde des Meers. – Doch was ich eigentlich dir schreiben wollte, weil doch einmal das Gemälde seinen Rahmen und der Mann sein Tagwerk haben muß, so will ich noch auf eine Zeitlang Dienste nehmen bei der Russischen Flotte; denn mit den Griechen hab’ ich weiter nichts zu thun. O theures Mädchen! es ist sehr finster um mich geworden! Hyperion an Diotima. Ich habe gezaudert, gekämpft. Doch endlich muß es seyn. Ich sehe, was nothwendig ist, und weil ich es sehe, so soll es auch werden. Misdeute mich nicht! verdamme mich nicht! ich muß dir rathen, daß du mich verlässest, meine Diotima. Ich bin für dich nichts mehr, du holdes

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/48>, abgerufen am 24.04.2024.