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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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allen Gesichtern. Diotima stand, wie ein Marmorbild und ihre Hand starb fühlbar in meiner. Alles hatt' ich um mich her getödtet, ich war einsam und mir schwindelte vor der gränzenlosen Stille, wo mein überwallend Leben keinen Halt mehr fand.

Ach! rief ich, mir ists brennendheiß im Herzen, und ihr steht alle so kalt, ihr Lieben! und nur die Götter des Hauses neigen ihr Ohr? - Diotima! - du bist stille, du siehst nicht! - o wohl dir, daß du nicht siehst!

So geh nur, seufzte sie, es muß ja seyn; geh nur, du theures Herz!

O süßer Ton aus diesen Wonnelippen! rief ich, und stand wie ein Betender, vor der holden Statue - süßer Ton! noch Einmal wehe mich an, noch Einmal tage, liebes Augenlicht!

Rede so nicht, Lieber! rief sie, rede mir ernster, rede mit größerem Herzen mir zu!

Ich wollte mich halten, aber ich war wie im Traume.

Wehe! rief ich, das ist kein Abschied, wo man wiederkehrt.

Du wirst sie tödten, rief Notara. Siehe, wie sanft sie ist, und du bist so ausser dir.

allen Gesichtern. Diotima stand, wie ein Marmorbild und ihre Hand starb fühlbar in meiner. Alles hatt’ ich um mich her getödtet, ich war einsam und mir schwindelte vor der gränzenlosen Stille, wo mein überwallend Leben keinen Halt mehr fand.

Ach! rief ich, mir ists brennendheiß im Herzen, und ihr steht alle so kalt, ihr Lieben! und nur die Götter des Hauses neigen ihr Ohr? – Diotima! – du bist stille, du siehst nicht! – o wohl dir, daß du nicht siehst!

So geh nur, seufzte sie, es muß ja seyn; geh nur, du theures Herz!

O süßer Ton aus diesen Wonnelippen! rief ich, und stand wie ein Betender, vor der holden Statue – süßer Ton! noch Einmal wehe mich an, noch Einmal tage, liebes Augenlicht!

Rede so nicht, Lieber! rief sie, rede mir ernster, rede mit größerem Herzen mir zu!

Ich wollte mich halten, aber ich war wie im Traume.

Wehe! rief ich, das ist kein Abschied, wo man wiederkehrt.

Du wirst sie tödten, rief Notara. Siehe, wie sanft sie ist, und du bist so ausser dir.

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[0018] allen Gesichtern. Diotima stand, wie ein Marmorbild und ihre Hand starb fühlbar in meiner. Alles hatt’ ich um mich her getödtet, ich war einsam und mir schwindelte vor der gränzenlosen Stille, wo mein überwallend Leben keinen Halt mehr fand. Ach! rief ich, mir ists brennendheiß im Herzen, und ihr steht alle so kalt, ihr Lieben! und nur die Götter des Hauses neigen ihr Ohr? – Diotima! – du bist stille, du siehst nicht! – o wohl dir, daß du nicht siehst! So geh nur, seufzte sie, es muß ja seyn; geh nur, du theures Herz! O süßer Ton aus diesen Wonnelippen! rief ich, und stand wie ein Betender, vor der holden Statue – süßer Ton! noch Einmal wehe mich an, noch Einmal tage, liebes Augenlicht! Rede so nicht, Lieber! rief sie, rede mir ernster, rede mit größerem Herzen mir zu! Ich wollte mich halten, aber ich war wie im Traume. Wehe! rief ich, das ist kein Abschied, wo man wiederkehrt. Du wirst sie tödten, rief Notara. Siehe, wie sanft sie ist, und du bist so ausser dir.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/18>, abgerufen am 18.04.2024.