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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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nicht lange hin, und war im nächsten Augenblikke wieder in meinen eignen lieben Träumen.

Endlich, da er mir die stillen Gipfel in der Ferne wies und sagte, dass wir bald in Kalaurea wären, merkt' ich mehr auf, und mein ganzes Wesen öffnete sich der wunderbaren Gewalt, die auf Einmal süss und still und unerklärlich mit mir spielte. Mit grossem Auge, staunend und freudig sah' ich hinaus in die Geheimnisse der Ferne, leicht zitterte mein Herz, und die Hand entwischte mir und fasste freundlichhastig meinen Schiffer an - so? rief ich, das ist Kalaurea? Und wie er mich drum ansah, wusst' ich selbst nicht, was ich aus mir machen sollte. Ich grüsste meinen Freund mit wunderbarer Zärtlichkeit. Voll süsser Unruhe war all mein Wesen.

Den Nachmittag wollt' ich gleich einen Theil der Insel durchstreifen. Die Wälder und geheimen Thale reizten mich unbeschreiblich, und der freundliche Tag lokte alles hinaus.

Es war so sichtbar, wie alles Lebendige mehr, denn tägliche Speise, begehrt, wie auch der Vogel sein Fest hat und das Thier.

Es war entzükend anzusehn! Wie, wenn die Mutter schmeichelnd frägt, wo um sie her

nicht lange hin, und war im nächsten Augenblikke wieder in meinen eignen lieben Träumen.

Endlich, da er mir die stillen Gipfel in der Ferne wies und sagte, dass wir bald in Kalaurea wären, merkt’ ich mehr auf, und mein ganzes Wesen öffnete sich der wunderbaren Gewalt, die auf Einmal süss und still und unerklärlich mit mir spielte. Mit grossem Auge, staunend und freudig sah’ ich hinaus in die Geheimnisse der Ferne, leicht zitterte mein Herz, und die Hand entwischte mir und fasste freundlichhastig meinen Schiffer an – so? rief ich, das ist Kalaurea? Und wie er mich drum ansah, wusst’ ich selbst nicht, was ich aus mir machen sollte. Ich grüsste meinen Freund mit wunderbarer Zärtlichkeit. Voll süsser Unruhe war all mein Wesen.

Den Nachmittag wollt’ ich gleich einen Theil der Insel durchstreifen. Die Wälder und geheimen Thale reizten mich unbeschreiblich, und der freundliche Tag lokte alles hinaus.

Es war so sichtbar, wie alles Lebendige mehr, denn tägliche Speise, begehrt, wie auch der Vogel sein Fest hat und das Thier.

Es war entzükend anzusehn! Wie, wenn die Mutter schmeichelnd frägt, wo um sie her

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[0093] nicht lange hin, und war im nächsten Augenblikke wieder in meinen eignen lieben Träumen. Endlich, da er mir die stillen Gipfel in der Ferne wies und sagte, dass wir bald in Kalaurea wären, merkt’ ich mehr auf, und mein ganzes Wesen öffnete sich der wunderbaren Gewalt, die auf Einmal süss und still und unerklärlich mit mir spielte. Mit grossem Auge, staunend und freudig sah’ ich hinaus in die Geheimnisse der Ferne, leicht zitterte mein Herz, und die Hand entwischte mir und fasste freundlichhastig meinen Schiffer an – so? rief ich, das ist Kalaurea? Und wie er mich drum ansah, wusst’ ich selbst nicht, was ich aus mir machen sollte. Ich grüsste meinen Freund mit wunderbarer Zärtlichkeit. Voll süsser Unruhe war all mein Wesen. Den Nachmittag wollt’ ich gleich einen Theil der Insel durchstreifen. Die Wälder und geheimen Thale reizten mich unbeschreiblich, und der freundliche Tag lokte alles hinaus. Es war so sichtbar, wie alles Lebendige mehr, denn tägliche Speise, begehrt, wie auch der Vogel sein Fest hat und das Thier. Es war entzükend anzusehn! Wie, wenn die Mutter schmeichelnd frägt, wo um sie her

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/93>, abgerufen am 24.04.2024.