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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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Ein Tag ist mir besonders gegenwärtig.

Wir waren zusammen auf's Feld gegangen, sassen vertraulich umschlungen im Dunkel des immergrünen Lorbeers, und sahn zusammen in unsern Plato, wo er so wunderbar erhaben vom Altern und Verjüngen spricht, und ruhten hin und wieder aus auf der stummen entblätterten Landschaft, wo der Himmel schöner, als je, mit Wolken und Sonnenschein um die herbstlich schlafenden Bäume spielte.

Wir sprachen darauf manches vom jezigen Griechenland, beede mit blutendem Herzen, denn der entwürdigte Boden war auch Alabanda's Vaterland.

Alabanda war wirklich ungewöhnlich bewegt.

Wenn ich ein Kind ansehe, rief dieser Mensch, und denke, wie schmählich und verderbend das Joch ist, das es tragen wird, und dass es darben wird, wie wir, dass es Menschen suchen wird, wie wir, fragen wird, wie wir, nach Schönem und Wahrem, dass es unfruchtbar vergehen wird, weil es allein seyn wird, wie wir, dass es - o nehmt doch eure Söhne aus der Wiege, und werft sie in den Strom, um wenigstens vor eurer Schande sie zu retten!

Ein Tag ist mir besonders gegenwärtig.

Wir waren zusammen auf’s Feld gegangen, sassen vertraulich umschlungen im Dunkel des immergrünen Lorbeers, und sahn zusammen in unsern Plato, wo er so wunderbar erhaben vom Altern und Verjüngen spricht, und ruhten hin und wieder aus auf der stummen entblätterten Landschaft, wo der Himmel schöner, als je, mit Wolken und Sonnenschein um die herbstlich schlafenden Bäume spielte.

Wir sprachen darauf manches vom jezigen Griechenland, beede mit blutendem Herzen, denn der entwürdigte Boden war auch Alabanda’s Vaterland.

Alabanda war wirklich ungewöhnlich bewegt.

Wenn ich ein Kind ansehe, rief dieser Mensch, und denke, wie schmählich und verderbend das Joch ist, das es tragen wird, und dass es darben wird, wie wir, dass es Menschen suchen wird, wie wir, fragen wird, wie wir, nach Schönem und Wahrem, dass es unfruchtbar vergehen wird, weil es allein seyn wird, wie wir, dass es – o nehmt doch eure Söhne aus der Wiege, und werft sie in den Strom, um wenigstens vor eurer Schande sie zu retten!

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[0052] Ein Tag ist mir besonders gegenwärtig. Wir waren zusammen auf’s Feld gegangen, sassen vertraulich umschlungen im Dunkel des immergrünen Lorbeers, und sahn zusammen in unsern Plato, wo er so wunderbar erhaben vom Altern und Verjüngen spricht, und ruhten hin und wieder aus auf der stummen entblätterten Landschaft, wo der Himmel schöner, als je, mit Wolken und Sonnenschein um die herbstlich schlafenden Bäume spielte. Wir sprachen darauf manches vom jezigen Griechenland, beede mit blutendem Herzen, denn der entwürdigte Boden war auch Alabanda’s Vaterland. Alabanda war wirklich ungewöhnlich bewegt. Wenn ich ein Kind ansehe, rief dieser Mensch, und denke, wie schmählich und verderbend das Joch ist, das es tragen wird, und dass es darben wird, wie wir, dass es Menschen suchen wird, wie wir, fragen wird, wie wir, nach Schönem und Wahrem, dass es unfruchtbar vergehen wird, weil es allein seyn wird, wie wir, dass es – o nehmt doch eure Söhne aus der Wiege, und werft sie in den Strom, um wenigstens vor eurer Schande sie zu retten!

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/52>, abgerufen am 19.04.2024.