Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite
Hyperion an Bellarmin.

Meine Insel war mir zu enge geworden, seit Adamas fort war. Ich hatte Jahre schon in Tina Langeweile. Ich wollt' in die Welt.

Geh vorerst nach Smyrna, sagte mein Vater, lerne da die Künste der See und des Kriegs, lerne die Sprache gebildeter Völker und ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebräuche, prüfe alles und wähle das Beste! - Dann kann es meinetwegen weiter gehn.

Lern' auch ein wenig Gedult! sezte die Mutter hinzu, und ich nahm's mit Dank an.

Es ist entzükend, den ersten Schritt aus der Schranke der Jugend zu thun, es ist, als dächt' ich meines Geburtstags, wenn ich meiner Abreise von Tina gedenke. Es war eine neue Sonne über mir, und Land und See und Luft genoss ich wie zum erstenmale.

Die lebendige Thätigkeit, womit ich nun in Smyrna meine Bildung besorgte, und der eilende Fortschritt besänftigte mein Herz nicht wenig. Auch manches seeligen Feierabends erinnere ich mich aus dieser Zeit. Wie oft gieng ich unter den immer grünen Bäumen am Gestade des Meles, an der Geburtsstätte meines

Hyperion an Bellarmin.

Meine Insel war mir zu enge geworden, seit Adamas fort war. Ich hatte Jahre schon in Tina Langeweile. Ich wollt’ in die Welt.

Geh vorerst nach Smyrna, sagte mein Vater, lerne da die Künste der See und des Kriegs, lerne die Sprache gebildeter Völker und ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebräuche, prüfe alles und wähle das Beste! – Dann kann es meinetwegen weiter gehn.

Lern’ auch ein wenig Gedult! sezte die Mutter hinzu, und ich nahm’s mit Dank an.

Es ist entzükend, den ersten Schritt aus der Schranke der Jugend zu thun, es ist, als dächt’ ich meines Geburtstags, wenn ich meiner Abreise von Tina gedenke. Es war eine neue Sonne über mir, und Land und See und Luft genoss ich wie zum erstenmale.

Die lebendige Thätigkeit, womit ich nun in Smyrna meine Bildung besorgte, und der eilende Fortschritt besänftigte mein Herz nicht wenig. Auch manches seeligen Feierabends erinnere ich mich aus dieser Zeit. Wie oft gieng ich unter den immer grünen Bäumen am Gestade des Meles, an der Geburtsstätte meines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0037"/>
        <div type="chapter" n="2">
          <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/>
          <p>Meine Insel war mir zu enge geworden, seit Adamas fort war. Ich hatte Jahre schon in Tina Langeweile. Ich wollt&#x2019; in die Welt.</p><lb/>
          <p>Geh vorerst nach Smyrna, sagte mein Vater, lerne da die Künste der See und des Kriegs, lerne die Sprache gebildeter Völker und ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebräuche, prüfe alles und wähle das Beste! &#x2013; Dann kann es meinetwegen weiter gehn.</p><lb/>
          <p>Lern&#x2019; auch ein wenig Gedult! sezte die Mutter hinzu, und ich nahm&#x2019;s mit Dank an.</p><lb/>
          <p>Es ist entzükend, den ersten Schritt aus der Schranke der Jugend zu thun, es ist, als dächt&#x2019; ich meines Geburtstags, wenn ich meiner Abreise von Tina gedenke. Es war eine neue Sonne über mir, und Land und See und Luft genoss ich wie zum erstenmale.</p><lb/>
          <p>Die lebendige Thätigkeit, womit ich nun in Smyrna meine Bildung besorgte, und der eilende Fortschritt besänftigte mein Herz nicht wenig. Auch manches seeligen Feierabends erinnere ich mich aus dieser Zeit. Wie oft gieng ich unter den immer grünen Bäumen am Gestade des Meles, an der Geburtsstätte meines
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] Hyperion an Bellarmin. Meine Insel war mir zu enge geworden, seit Adamas fort war. Ich hatte Jahre schon in Tina Langeweile. Ich wollt’ in die Welt. Geh vorerst nach Smyrna, sagte mein Vater, lerne da die Künste der See und des Kriegs, lerne die Sprache gebildeter Völker und ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebräuche, prüfe alles und wähle das Beste! – Dann kann es meinetwegen weiter gehn. Lern’ auch ein wenig Gedult! sezte die Mutter hinzu, und ich nahm’s mit Dank an. Es ist entzükend, den ersten Schritt aus der Schranke der Jugend zu thun, es ist, als dächt’ ich meines Geburtstags, wenn ich meiner Abreise von Tina gedenke. Es war eine neue Sonne über mir, und Land und See und Luft genoss ich wie zum erstenmale. Die lebendige Thätigkeit, womit ich nun in Smyrna meine Bildung besorgte, und der eilende Fortschritt besänftigte mein Herz nicht wenig. Auch manches seeligen Feierabends erinnere ich mich aus dieser Zeit. Wie oft gieng ich unter den immer grünen Bäumen am Gestade des Meles, an der Geburtsstätte meines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:56:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:56:08Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/37
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/37>, abgerufen am 28.03.2024.