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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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den, das ist vor mir. Nein, Diotima! noch ist die Quelle der ewigen Schönheit nicht versiegt.

Ich habe Dir's schon einmal gesagt, ich brauche die Götter und die Menschen nicht mehr. Ich weiss, der Himmel ist ausgestorben, entvölkert, und die Erde, die einst überfloss von schönem menschlichen Leben, ist fast, wie ein Ameisenhaufe, geworden. Aber noch giebt es eine Stelle, wo der alte Himmel und die alte Erde mir lacht. Denn alle Götter des Himmels und alle göttlichen Menschen der Erde vergess' ich in Dir.

Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt, ich weiss von nichts, als meiner seeligen Insel.

Es giebt eine Zeit der Liebe, sagte Diotima mit freundlichem Ernste, wie es eine Zeit giebt, in der glüklichen Wiege zu leben. Aber das Leben selber treibt uns heraus.

Hyperion! - hier ergriff sie meine Hand mit Feuer, und ihre Stimme erhub mit Grösse sich - Hyperion! mich deucht, Du bist zu höhern Dingen geboren. Verkenne Dich nicht! der Mangel am Stoffe hielt Dich zurük. Es gieng nicht schnell genug. Das schlug Dich nieder. Wie die jungen Fechter, fielst Du zu rasch aus, ehe noch dein Ziel gewiss und deine Faust gewandt war, und weil Du, wie natürlich,

den, das ist vor mir. Nein, Diotima! noch ist die Quelle der ewigen Schönheit nicht versiegt.

Ich habe Dir’s schon einmal gesagt, ich brauche die Götter und die Menschen nicht mehr. Ich weiss, der Himmel ist ausgestorben, entvölkert, und die Erde, die einst überfloss von schönem menschlichen Leben, ist fast, wie ein Ameisenhaufe, geworden. Aber noch giebt es eine Stelle, wo der alte Himmel und die alte Erde mir lacht. Denn alle Götter des Himmels und alle göttlichen Menschen der Erde vergess’ ich in Dir.

Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt, ich weiss von nichts, als meiner seeligen Insel.

Es giebt eine Zeit der Liebe, sagte Diotima mit freundlichem Ernste, wie es eine Zeit giebt, in der glüklichen Wiege zu leben. Aber das Leben selber treibt uns heraus.

Hyperion! – hier ergriff sie meine Hand mit Feuer, und ihre Stimme erhub mit Grösse sich – Hyperion! mich deucht, Du bist zu höhern Dingen geboren. Verkenne Dich nicht! der Mangel am Stoffe hielt Dich zurük. Es gieng nicht schnell genug. Das schlug Dich nieder. Wie die jungen Fechter, fielst Du zu rasch aus, ehe noch dein Ziel gewiss und deine Faust gewandt war, und weil Du, wie natürlich,

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[0162] den, das ist vor mir. Nein, Diotima! noch ist die Quelle der ewigen Schönheit nicht versiegt. Ich habe Dir’s schon einmal gesagt, ich brauche die Götter und die Menschen nicht mehr. Ich weiss, der Himmel ist ausgestorben, entvölkert, und die Erde, die einst überfloss von schönem menschlichen Leben, ist fast, wie ein Ameisenhaufe, geworden. Aber noch giebt es eine Stelle, wo der alte Himmel und die alte Erde mir lacht. Denn alle Götter des Himmels und alle göttlichen Menschen der Erde vergess’ ich in Dir. Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt, ich weiss von nichts, als meiner seeligen Insel. Es giebt eine Zeit der Liebe, sagte Diotima mit freundlichem Ernste, wie es eine Zeit giebt, in der glüklichen Wiege zu leben. Aber das Leben selber treibt uns heraus. Hyperion! – hier ergriff sie meine Hand mit Feuer, und ihre Stimme erhub mit Grösse sich – Hyperion! mich deucht, Du bist zu höhern Dingen geboren. Verkenne Dich nicht! der Mangel am Stoffe hielt Dich zurük. Es gieng nicht schnell genug. Das schlug Dich nieder. Wie die jungen Fechter, fielst Du zu rasch aus, ehe noch dein Ziel gewiss und deine Faust gewandt war, und weil Du, wie natürlich,

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/162>, abgerufen am 28.03.2024.