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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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Es ist wohl uns zuliebe so! sagt' ich, ungefähr, wie Kinder etwas sagen, weder im Scherze noch im Ernste.

Ich kann mir denken, was Du sagst, erwiederte sie; ich denke mir die Welt am liebsten, wie ein häuslich Leben, wo jedes, ohne gerade dran zu denken, sich in's andre schikt, und wo man sich einander zum Gefallen und zur Freude lebt, weil es eben so vom Herzen kömmt.

Froher erhabner Glaube! rief ich.

Sie schwieg eine Weile.

Auch wir sind also Kinder des Hauses, begann ich endlich wieder, "sind es und werden es seyn".

Werden ewig es seyn, erwiederte sie.

Werden wir das? fragt' ich.

Ich vertraue, fuhr sie fort, hierinnen der Natur, so wie ich täglich ihr vertraue.

O ich hätte mögen Diotima seyn, da sie diess sagte! Aber du weisst nicht, was sie sagte, mein Bellarmin! Du hast es nicht gesehn und nicht gehört.

Du hast Recht, rief ich ihr zu; die ewige Schönheit, die Natur leidet keinen Ver-

Es ist wohl uns zuliebe so! sagt’ ich, ungefähr, wie Kinder etwas sagen, weder im Scherze noch im Ernste.

Ich kann mir denken, was Du sagst, erwiederte sie; ich denke mir die Welt am liebsten, wie ein häuslich Leben, wo jedes, ohne gerade dran zu denken, sich in’s andre schikt, und wo man sich einander zum Gefallen und zur Freude lebt, weil es eben so vom Herzen kömmt.

Froher erhabner Glaube! rief ich.

Sie schwieg eine Weile.

Auch wir sind also Kinder des Hauses, begann ich endlich wieder, „sind es und werden es seyn“.

Werden ewig es seyn, erwiederte sie.

Werden wir das? fragt’ ich.

Ich vertraue, fuhr sie fort, hierinnen der Natur, so wie ich täglich ihr vertraue.

O ich hätte mögen Diotima seyn, da sie diess sagte! Aber du weisst nicht, was sie sagte, mein Bellarmin! Du hast es nicht gesehn und nicht gehört.

Du hast Recht, rief ich ihr zu; die ewige Schönheit, die Natur leidet keinen Ver-

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[0108] Es ist wohl uns zuliebe so! sagt’ ich, ungefähr, wie Kinder etwas sagen, weder im Scherze noch im Ernste. Ich kann mir denken, was Du sagst, erwiederte sie; ich denke mir die Welt am liebsten, wie ein häuslich Leben, wo jedes, ohne gerade dran zu denken, sich in’s andre schikt, und wo man sich einander zum Gefallen und zur Freude lebt, weil es eben so vom Herzen kömmt. Froher erhabner Glaube! rief ich. Sie schwieg eine Weile. Auch wir sind also Kinder des Hauses, begann ich endlich wieder, „sind es und werden es seyn“. Werden ewig es seyn, erwiederte sie. Werden wir das? fragt’ ich. Ich vertraue, fuhr sie fort, hierinnen der Natur, so wie ich täglich ihr vertraue. O ich hätte mögen Diotima seyn, da sie diess sagte! Aber du weisst nicht, was sie sagte, mein Bellarmin! Du hast es nicht gesehn und nicht gehört. Du hast Recht, rief ich ihr zu; die ewige Schönheit, die Natur leidet keinen Ver-

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/108>, abgerufen am 25.04.2024.