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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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hinab zu verlieren in die Nacht der Wälder, die unten aus Felsenstükken und schäumenden Wetterbächen herauf die lichten Gipfel strekten.

Das Geländer, worauf sie sich stüzte, war etwas niedrig. So durft' ich es ein wenig halten, das Reizende, indess es so sich vorwärts beugte. Ach! heisse zitternde Wonne durchlief mein Wesen und Taumel und Toben war in allen Sinnen, und die Hände brannten mir, wie Kohlen, da ich sie berührte.

Und dann die Herzenslust, so traulich neben ihr zu stehn, und die zärtlich kindische Sorge, dass sie fallen möchte, und die Freude an der Begeisterung des herrlichen Mädchens!

Was ist alles, was in Jahrtausenden die Menschen thaten und dachten, gegen Einen Augenblik der Liebe? Es ist aber auch das Gelungenste, Göttlichschönste in der Natur! dahin führen alle Stuffen auf der Schwelle des Lebens. Daher kommen wir, dahin gehn wir.

Hyperion an Bellarmin.

Nur ihren Gesang sollt' ich vergessen, nur diese Seelentöne sollten nimmer wiederkehren in meinen unaufhörlichen Träumen.

hinab zu verlieren in die Nacht der Wälder, die unten aus Felsenstükken und schäumenden Wetterbächen herauf die lichten Gipfel strekten.

Das Geländer, worauf sie sich stüzte, war etwas niedrig. So durft’ ich es ein wenig halten, das Reizende, indess es so sich vorwärts beugte. Ach! heisse zitternde Wonne durchlief mein Wesen und Taumel und Toben war in allen Sinnen, und die Hände brannten mir, wie Kohlen, da ich sie berührte.

Und dann die Herzenslust, so traulich neben ihr zu stehn, und die zärtlich kindische Sorge, dass sie fallen möchte, und die Freude an der Begeisterung des herrlichen Mädchens!

Was ist alles, was in Jahrtausenden die Menschen thaten und dachten, gegen Einen Augenblik der Liebe? Es ist aber auch das Gelungenste, Göttlichschönste in der Natur! dahin führen alle Stuffen auf der Schwelle des Lebens. Daher kommen wir, dahin gehn wir.

Hyperion an Bellarmin.

Nur ihren Gesang sollt’ ich vergessen, nur diese Seelentöne sollten nimmer wiederkehren in meinen unaufhörlichen Träumen.

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[0104] hinab zu verlieren in die Nacht der Wälder, die unten aus Felsenstükken und schäumenden Wetterbächen herauf die lichten Gipfel strekten. Das Geländer, worauf sie sich stüzte, war etwas niedrig. So durft’ ich es ein wenig halten, das Reizende, indess es so sich vorwärts beugte. Ach! heisse zitternde Wonne durchlief mein Wesen und Taumel und Toben war in allen Sinnen, und die Hände brannten mir, wie Kohlen, da ich sie berührte. Und dann die Herzenslust, so traulich neben ihr zu stehn, und die zärtlich kindische Sorge, dass sie fallen möchte, und die Freude an der Begeisterung des herrlichen Mädchens! Was ist alles, was in Jahrtausenden die Menschen thaten und dachten, gegen Einen Augenblik der Liebe? Es ist aber auch das Gelungenste, Göttlichschönste in der Natur! dahin führen alle Stuffen auf der Schwelle des Lebens. Daher kommen wir, dahin gehn wir. Hyperion an Bellarmin. Nur ihren Gesang sollt’ ich vergessen, nur diese Seelentöne sollten nimmer wiederkehren in meinen unaufhörlichen Träumen.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/104>, abgerufen am 29.03.2024.