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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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nach dem verschiedenen Charakter ihrer Besitzer.

So darf ein fürstlicher Park, dem Charakter dieser Lustschlösser zustimmend, in der
Entfernung von der Residenz, schon weniger Umfang, weniger Reichthum und
Pracht haben. Er darf mehr von der ungeschmückten Natur, weniger von den Be-
strebungen der Kunst zeigen. Er darf selbst, als ein Ort der Erholung von den
Geschäften der Regierung und den Unruhen des Hofes, durch die Einsamkeit seiner
Lage, durch die Stille der Wälder, durch die sanfte geräuschlose Ländlichkeit seiner
Aussichten sich auszeichnen. Manche Fürsten liebten mit Recht solche entferntere
Gegenden; sie gaben hier ihren Schlössern mit ihrem Namen auch den Namen
der Ruhe, die sie suchten.

Dieser schätzbare Geschmack der Prinzen an der Ruhe des Landlebens scheint
sich unter ihnen in unsern Tagen mehr auszubreiten; und der neue Geist der Gär-
ten kann ihn unstreitig mehr nähren, als die alte ekelhafte Symmetrie. Glückliche
Fürsten, die schon in ihrer Jugend lernten, sich an den sanften Erholungen im Arm
der Natur zu begnügen! Denn der Geschmack an der Natur verfeinert den Geist
und veredelt die Empfindungen; er besänftigt jede ungestüme Leidenschaft; er erweckt
den edlern Ehrgeiz, die Erde zu verschönern, nicht sie zu verheeren; er beseligt das
Herz der Prinzen mit der vielleicht noch zu seltenen Erfahrung:

Nicht im Getümmel, nein, im Schooße der Natur,
Am Silberbach, in unbelauschten Schatten,
Besuchet uns die wahre Freude nur;
Und überrascht uns oft auf einer Spur,
Wo wir sie nicht vermuthet hatten. *)


II. Gär-
*) Wieland.
E 2
nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.

So darf ein fuͤrſtlicher Park, dem Charakter dieſer Luſtſchloͤſſer zuſtimmend, in der
Entfernung von der Reſidenz, ſchon weniger Umfang, weniger Reichthum und
Pracht haben. Er darf mehr von der ungeſchmuͤckten Natur, weniger von den Be-
ſtrebungen der Kunſt zeigen. Er darf ſelbſt, als ein Ort der Erholung von den
Geſchaͤften der Regierung und den Unruhen des Hofes, durch die Einſamkeit ſeiner
Lage, durch die Stille der Waͤlder, durch die ſanfte geraͤuſchloſe Laͤndlichkeit ſeiner
Ausſichten ſich auszeichnen. Manche Fuͤrſten liebten mit Recht ſolche entferntere
Gegenden; ſie gaben hier ihren Schloͤſſern mit ihrem Namen auch den Namen
der Ruhe, die ſie ſuchten.

Dieſer ſchaͤtzbare Geſchmack der Prinzen an der Ruhe des Landlebens ſcheint
ſich unter ihnen in unſern Tagen mehr auszubreiten; und der neue Geiſt der Gaͤr-
ten kann ihn unſtreitig mehr naͤhren, als die alte ekelhafte Symmetrie. Gluͤckliche
Fuͤrſten, die ſchon in ihrer Jugend lernten, ſich an den ſanften Erholungen im Arm
der Natur zu begnuͤgen! Denn der Geſchmack an der Natur verfeinert den Geiſt
und veredelt die Empfindungen; er beſaͤnftigt jede ungeſtuͤme Leidenſchaft; er erweckt
den edlern Ehrgeiz, die Erde zu verſchoͤnern, nicht ſie zu verheeren; er beſeligt das
Herz der Prinzen mit der vielleicht noch zu ſeltenen Erfahrung:

Nicht im Getuͤmmel, nein, im Schooße der Natur,
Am Silberbach, in unbelauſchten Schatten,
Beſuchet uns die wahre Freude nur;
Und uͤberraſcht uns oft auf einer Spur,
Wo wir ſie nicht vermuthet hatten. *)


II. Gaͤr-
*) Wieland.
E 2
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[35/0043] nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. So darf ein fuͤrſtlicher Park, dem Charakter dieſer Luſtſchloͤſſer zuſtimmend, in der Entfernung von der Reſidenz, ſchon weniger Umfang, weniger Reichthum und Pracht haben. Er darf mehr von der ungeſchmuͤckten Natur, weniger von den Be- ſtrebungen der Kunſt zeigen. Er darf ſelbſt, als ein Ort der Erholung von den Geſchaͤften der Regierung und den Unruhen des Hofes, durch die Einſamkeit ſeiner Lage, durch die Stille der Waͤlder, durch die ſanfte geraͤuſchloſe Laͤndlichkeit ſeiner Ausſichten ſich auszeichnen. Manche Fuͤrſten liebten mit Recht ſolche entferntere Gegenden; ſie gaben hier ihren Schloͤſſern mit ihrem Namen auch den Namen der Ruhe, die ſie ſuchten. Dieſer ſchaͤtzbare Geſchmack der Prinzen an der Ruhe des Landlebens ſcheint ſich unter ihnen in unſern Tagen mehr auszubreiten; und der neue Geiſt der Gaͤr- ten kann ihn unſtreitig mehr naͤhren, als die alte ekelhafte Symmetrie. Gluͤckliche Fuͤrſten, die ſchon in ihrer Jugend lernten, ſich an den ſanften Erholungen im Arm der Natur zu begnuͤgen! Denn der Geſchmack an der Natur verfeinert den Geiſt und veredelt die Empfindungen; er beſaͤnftigt jede ungeſtuͤme Leidenſchaft; er erweckt den edlern Ehrgeiz, die Erde zu verſchoͤnern, nicht ſie zu verheeren; er beſeligt das Herz der Prinzen mit der vielleicht noch zu ſeltenen Erfahrung: Nicht im Getuͤmmel, nein, im Schooße der Natur, Am Silberbach, in unbelauſchten Schatten, Beſuchet uns die wahre Freude nur; Und uͤberraſcht uns oft auf einer Spur, Wo wir ſie nicht vermuthet hatten. *) II. Gaͤr- *) Wieland. E 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/43>, abgerufen am 29.03.2024.