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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Erster Abschnitt. Von Lustschlössern
Größe und Simplicität, der die Seele auf eine so angenehme Art rührt. Die
Größe der Fenster muß mit dem Ganzen des Geschosses, worinn sie sich befinden, in
einem Verhältnisse stehen, wodurch das Auge ergötzt wird. Am besten nehmen sich
die Fenster aus, wenn sie halb so breit, als hoch, sind. Die Figur des Vierecks hat
hier einen Vorzug vor dem Runden und vor den Bogen, die gegen die senkrecht herun-
terlaufenden und die waagerecht queerüberlaufenden Linien der Außenseiten eine eben so
seltsame Abstechung, wie eine runde Thür zwischen viereckichten Fenstern, und zu-
gleich viele Winkel machen, die man oft wieder mit Mühe vergebens zu verbergen
sucht. Die Giebel der Fenster, so häufig man sie auch antrifft, sind ein überflüßiger,
und für die Einfalt der Außenseite sehr unschicklicher Zierrath.

Auch die Flügel, die als Nebengebäude an den Seiten der Hauptwohnung an-
gehängt werden, können sehr viel zur Verschönerung der ganzen Außenseite beytragen.
Sie sind gleichsam fortlaufende Theile der Hauptmasse; sie müssen daher mit ihr die
abgemessenste Uebereinstimmung und noch immer Antheil an dem Charakter des Haupt-
werks behalten, wenn sie gleich nicht völlig eine gleiche Höhe mit ihr erfordern, außer-
dem auch weniger Verzierung zulassen. Eine vollkommene Richtigkeit der Verhält-
nisse, Symmetrie, Einfalt, und Entfernung alles Ueppigen und Verschwenderischen,
muß bey den Flügeln wahrgenommen werden, wenn sie den Eindruck der Größe zu
verstärken beytragen sollen.

[Abbildung]

Allein eines der wichtigsten Mittel der Verschönerung der Außenseiten geben die
Säulenordnungen und Säulenlauben, die aus der Baukunst der Alten in die Bau-
kunst der Neuern, besonders der Italiäner, übergegangen sind.

Die

Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern
Groͤße und Simplicitaͤt, der die Seele auf eine ſo angenehme Art ruͤhrt. Die
Groͤße der Fenſter muß mit dem Ganzen des Geſchoſſes, worinn ſie ſich befinden, in
einem Verhaͤltniſſe ſtehen, wodurch das Auge ergoͤtzt wird. Am beſten nehmen ſich
die Fenſter aus, wenn ſie halb ſo breit, als hoch, ſind. Die Figur des Vierecks hat
hier einen Vorzug vor dem Runden und vor den Bogen, die gegen die ſenkrecht herun-
terlaufenden und die waagerecht queeruͤberlaufenden Linien der Außenſeiten eine eben ſo
ſeltſame Abſtechung, wie eine runde Thuͤr zwiſchen viereckichten Fenſtern, und zu-
gleich viele Winkel machen, die man oft wieder mit Muͤhe vergebens zu verbergen
ſucht. Die Giebel der Fenſter, ſo haͤufig man ſie auch antrifft, ſind ein uͤberfluͤßiger,
und fuͤr die Einfalt der Außenſeite ſehr unſchicklicher Zierrath.

Auch die Fluͤgel, die als Nebengebaͤude an den Seiten der Hauptwohnung an-
gehaͤngt werden, koͤnnen ſehr viel zur Verſchoͤnerung der ganzen Außenſeite beytragen.
Sie ſind gleichſam fortlaufende Theile der Hauptmaſſe; ſie muͤſſen daher mit ihr die
abgemeſſenſte Uebereinſtimmung und noch immer Antheil an dem Charakter des Haupt-
werks behalten, wenn ſie gleich nicht voͤllig eine gleiche Hoͤhe mit ihr erfordern, außer-
dem auch weniger Verzierung zulaſſen. Eine vollkommene Richtigkeit der Verhaͤlt-
niſſe, Symmetrie, Einfalt, und Entfernung alles Ueppigen und Verſchwenderiſchen,
muß bey den Fluͤgeln wahrgenommen werden, wenn ſie den Eindruck der Groͤße zu
verſtaͤrken beytragen ſollen.

[Abbildung]

Allein eines der wichtigſten Mittel der Verſchoͤnerung der Außenſeiten geben die
Saͤulenordnungen und Saͤulenlauben, die aus der Baukunſt der Alten in die Bau-
kunſt der Neuern, beſonders der Italiaͤner, uͤbergegangen ſind.

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[22/0026] Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern Groͤße und Simplicitaͤt, der die Seele auf eine ſo angenehme Art ruͤhrt. Die Groͤße der Fenſter muß mit dem Ganzen des Geſchoſſes, worinn ſie ſich befinden, in einem Verhaͤltniſſe ſtehen, wodurch das Auge ergoͤtzt wird. Am beſten nehmen ſich die Fenſter aus, wenn ſie halb ſo breit, als hoch, ſind. Die Figur des Vierecks hat hier einen Vorzug vor dem Runden und vor den Bogen, die gegen die ſenkrecht herun- terlaufenden und die waagerecht queeruͤberlaufenden Linien der Außenſeiten eine eben ſo ſeltſame Abſtechung, wie eine runde Thuͤr zwiſchen viereckichten Fenſtern, und zu- gleich viele Winkel machen, die man oft wieder mit Muͤhe vergebens zu verbergen ſucht. Die Giebel der Fenſter, ſo haͤufig man ſie auch antrifft, ſind ein uͤberfluͤßiger, und fuͤr die Einfalt der Außenſeite ſehr unſchicklicher Zierrath. Auch die Fluͤgel, die als Nebengebaͤude an den Seiten der Hauptwohnung an- gehaͤngt werden, koͤnnen ſehr viel zur Verſchoͤnerung der ganzen Außenſeite beytragen. Sie ſind gleichſam fortlaufende Theile der Hauptmaſſe; ſie muͤſſen daher mit ihr die abgemeſſenſte Uebereinſtimmung und noch immer Antheil an dem Charakter des Haupt- werks behalten, wenn ſie gleich nicht voͤllig eine gleiche Hoͤhe mit ihr erfordern, außer- dem auch weniger Verzierung zulaſſen. Eine vollkommene Richtigkeit der Verhaͤlt- niſſe, Symmetrie, Einfalt, und Entfernung alles Ueppigen und Verſchwenderiſchen, muß bey den Fluͤgeln wahrgenommen werden, wenn ſie den Eindruck der Groͤße zu verſtaͤrken beytragen ſollen. [Abbildung] Allein eines der wichtigſten Mittel der Verſchoͤnerung der Außenſeiten geben die Saͤulenordnungen und Saͤulenlauben, die aus der Baukunſt der Alten in die Bau- kunſt der Neuern, beſonders der Italiaͤner, uͤbergegangen ſind. Die

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/26>, abgerufen am 29.03.2024.