Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Abschnitt.
rader und schlanker Stämme bringt ein ergötzendes Wohlgefallen, indem er den Be-
griff von jugendlichem Wohlseyn, von Stärke und Muth mit sich führt. Die Schnel-
ligkeit und Größe des Wachsthums erfreuet und erweitert die Seele, und mit der Hö-
he, die das Auge in den Wolken mißt, erhebt der Geist auch seine Aussichten. Bey
Erstaunen und Verwunderung, bey jedem Gedanken, der die Seele stark rührt, bey
den freudigen Gefühlen der Andacht, sind wir gewohnt, die Blicke zu erheben. Man
empfindet es, daß der Geist an der körperlichen Erhebung gern vertraulichen Antheil
nimmt, sich dadurch mit verstärkt und leichter emporschwebt.

b.

In Ansehung der Beschaffenheit der Zweige lassen einige Bäume sie in die
Höhe schießen, als:

der Mandelbaum (Amygdalus communis. L.)
viele Weiden, als
die Lorbeerweide (Salix pentandra. L.)
die Buschweide (Salix triandra. L.)
die Bachweide (Salix Helix. L.)

Andre sperren die Zweige von einander, als

der Lebensbaum (Thuja occidentalis. L.)
die schöne Ceder vom Libanon (Pinus Cedrus. L.)

Noch andre lassen sie herabhängen, als

die babylonische Weide (Salix babylonica. L.)
die Birke (Betula alba. L.)
der Lerchenbaum (Pinus Larix. L.)
Bey dieser verschiedenen Beschaffenheit der Zweige sind die letztern besonders merk-
würdig, indem sie in einsamen, zur Melancholie bestimmten Gegenden einen sehr gu-
ten Eindruck machen. Das traurige Herabhängen der Zweige von diesen Bäumen
scheint eine Bezeichnung ihres sympathetischen Gefühls zu seyn, und die Wirkung
verstärkt sich, wenn sie bey Urnen, bey Grabmälern mit andern Bäumen von einem
sehr dunkeln Laubwerk vermischt werden.

c.

In Rücksicht auf die Beschaffenheit des Laubwerks der Bäume bemerken wir
zuvörderst den Reichthum und die Größe desselben:

in unserer Buche (Fagus sylvatica. L.)
in der Linde (Tilia europaea. L.), die ihres schnellen Wuchses, ihrer süßduftigen
Blühte und herrlichen Belaubung wegen einer unserer schönsten einheimischen
Bäume ist;
besonders

Zweyter Abſchnitt.
rader und ſchlanker Staͤmme bringt ein ergoͤtzendes Wohlgefallen, indem er den Be-
griff von jugendlichem Wohlſeyn, von Staͤrke und Muth mit ſich fuͤhrt. Die Schnel-
ligkeit und Groͤße des Wachsthums erfreuet und erweitert die Seele, und mit der Hoͤ-
he, die das Auge in den Wolken mißt, erhebt der Geiſt auch ſeine Ausſichten. Bey
Erſtaunen und Verwunderung, bey jedem Gedanken, der die Seele ſtark ruͤhrt, bey
den freudigen Gefuͤhlen der Andacht, ſind wir gewohnt, die Blicke zu erheben. Man
empfindet es, daß der Geiſt an der koͤrperlichen Erhebung gern vertraulichen Antheil
nimmt, ſich dadurch mit verſtaͤrkt und leichter emporſchwebt.

b.

In Anſehung der Beſchaffenheit der Zweige laſſen einige Baͤume ſie in die
Hoͤhe ſchießen, als:

der Mandelbaum (Amygdalus communis. L.)
viele Weiden, als
die Lorbeerweide (Salix pentandra. L.)
die Buſchweide (Salix triandra. L.)
die Bachweide (Salix Helix. L.)

Andre ſperren die Zweige von einander, als

der Lebensbaum (Thuja occidentalis. L.)
die ſchoͤne Ceder vom Libanon (Pinus Cedrus. L.)

Noch andre laſſen ſie herabhaͤngen, als

die babyloniſche Weide (Salix babylonica. L.)
die Birke (Betula alba. L.)
der Lerchenbaum (Pinus Larix. L.)
Bey dieſer verſchiedenen Beſchaffenheit der Zweige ſind die letztern beſonders merk-
wuͤrdig, indem ſie in einſamen, zur Melancholie beſtimmten Gegenden einen ſehr gu-
ten Eindruck machen. Das traurige Herabhaͤngen der Zweige von dieſen Baͤumen
ſcheint eine Bezeichnung ihres ſympathetiſchen Gefuͤhls zu ſeyn, und die Wirkung
verſtaͤrkt ſich, wenn ſie bey Urnen, bey Grabmaͤlern mit andern Baͤumen von einem
ſehr dunkeln Laubwerk vermiſcht werden.

c.

In Ruͤckſicht auf die Beſchaffenheit des Laubwerks der Baͤume bemerken wir
zuvoͤrderſt den Reichthum und die Groͤße deſſelben:

in unſerer Buche (Fagus ſylvatica. L.)
in der Linde (Tilia europaea. L.), die ihres ſchnellen Wuchſes, ihrer ſuͤßduftigen
Bluͤhte und herrlichen Belaubung wegen einer unſerer ſchoͤnſten einheimiſchen
Baͤume iſt;
beſonders
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0020" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweyter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
rader und &#x017F;chlanker Sta&#x0364;mme bringt ein ergo&#x0364;tzendes Wohlgefallen, indem er den Be-<lb/>
griff von jugendlichem Wohl&#x017F;eyn, von Sta&#x0364;rke und Muth mit &#x017F;ich fu&#x0364;hrt. Die Schnel-<lb/>
ligkeit und Gro&#x0364;ße des Wachsthums erfreuet und erweitert die Seele, und mit der Ho&#x0364;-<lb/>
he, die das Auge in den Wolken mißt, erhebt der Gei&#x017F;t auch &#x017F;eine Aus&#x017F;ichten. Bey<lb/>
Er&#x017F;taunen und Verwunderung, bey jedem Gedanken, der die Seele &#x017F;tark ru&#x0364;hrt, bey<lb/>
den freudigen Gefu&#x0364;hlen der Andacht, &#x017F;ind wir gewohnt, die Blicke zu erheben. Man<lb/>
empfindet es, daß der Gei&#x017F;t an der ko&#x0364;rperlichen Erhebung gern vertraulichen Antheil<lb/>
nimmt, &#x017F;ich dadurch mit ver&#x017F;ta&#x0364;rkt und leichter empor&#x017F;chwebt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">b.</hi> </hi> </head><lb/>
              <p>In An&#x017F;ehung der Be&#x017F;chaffenheit der <hi rendition="#fr">Zweige</hi> la&#x017F;&#x017F;en einige Ba&#x0364;ume &#x017F;ie in die<lb/>
Ho&#x0364;he &#x017F;chießen, als:</p><lb/>
              <list>
                <item>der Mandelbaum <hi rendition="#aq">(Amygdalus communis. L.)</hi></item><lb/>
                <item>viele Weiden, als</item><lb/>
                <item>die Lorbeerweide <hi rendition="#aq">(Salix pentandra. L.)</hi></item><lb/>
                <item>die Bu&#x017F;chweide <hi rendition="#aq">(Salix triandra. L.)</hi></item><lb/>
                <item>die Bachweide <hi rendition="#aq">(Salix Helix. L.)</hi></item>
              </list><lb/>
              <p>Andre &#x017F;perren die Zweige von einander, als</p><lb/>
              <list>
                <item>der Lebensbaum <hi rendition="#aq">(Thuja occidentalis. L.)</hi></item><lb/>
                <item>die &#x017F;cho&#x0364;ne Ceder vom Libanon <hi rendition="#aq">(Pinus Cedrus. L.)</hi></item>
              </list><lb/>
              <p>Noch andre la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie herabha&#x0364;ngen, als<lb/><list><item>die babyloni&#x017F;che Weide <hi rendition="#aq">(Salix babylonica. L.)</hi></item><lb/><item>die Birke <hi rendition="#aq">(Betula alba. L.)</hi></item><lb/><item>der Lerchenbaum <hi rendition="#aq">(Pinus Larix. L.)</hi></item></list><lb/>
Bey die&#x017F;er ver&#x017F;chiedenen Be&#x017F;chaffenheit der Zweige &#x017F;ind die letztern be&#x017F;onders merk-<lb/>
wu&#x0364;rdig, indem &#x017F;ie in ein&#x017F;amen, zur Melancholie be&#x017F;timmten Gegenden einen &#x017F;ehr gu-<lb/>
ten Eindruck machen. Das traurige Herabha&#x0364;ngen der Zweige von die&#x017F;en Ba&#x0364;umen<lb/>
&#x017F;cheint eine Bezeichnung ihres &#x017F;ympatheti&#x017F;chen Gefu&#x0364;hls zu &#x017F;eyn, und die Wirkung<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;rkt &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie bey Urnen, bey Grabma&#x0364;lern mit andern Ba&#x0364;umen von einem<lb/>
&#x017F;ehr dunkeln Laubwerk vermi&#x017F;cht werden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">c.</hi> </hi> </head><lb/>
              <p>In Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die Be&#x017F;chaffenheit des <hi rendition="#fr">Laubwerks</hi> der Ba&#x0364;ume bemerken wir<lb/>
zuvo&#x0364;rder&#x017F;t den <hi rendition="#fr">Reichthum</hi> und die <hi rendition="#fr">Gro&#x0364;ße</hi> de&#x017F;&#x017F;elben:</p><lb/>
              <list>
                <item>in un&#x017F;erer Buche <hi rendition="#aq">(Fagus &#x017F;ylvatica. L.)</hi></item><lb/>
                <item>in der Linde <hi rendition="#aq">(Tilia europaea. L.),</hi> die ihres &#x017F;chnellen Wuch&#x017F;es, ihrer &#x017F;u&#x0364;ßduftigen<lb/>
Blu&#x0364;hte und herrlichen Belaubung wegen einer un&#x017F;erer &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten einheimi&#x017F;chen<lb/>
Ba&#x0364;ume i&#x017F;t;</item>
              </list><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;onders</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0020] Zweyter Abſchnitt. rader und ſchlanker Staͤmme bringt ein ergoͤtzendes Wohlgefallen, indem er den Be- griff von jugendlichem Wohlſeyn, von Staͤrke und Muth mit ſich fuͤhrt. Die Schnel- ligkeit und Groͤße des Wachsthums erfreuet und erweitert die Seele, und mit der Hoͤ- he, die das Auge in den Wolken mißt, erhebt der Geiſt auch ſeine Ausſichten. Bey Erſtaunen und Verwunderung, bey jedem Gedanken, der die Seele ſtark ruͤhrt, bey den freudigen Gefuͤhlen der Andacht, ſind wir gewohnt, die Blicke zu erheben. Man empfindet es, daß der Geiſt an der koͤrperlichen Erhebung gern vertraulichen Antheil nimmt, ſich dadurch mit verſtaͤrkt und leichter emporſchwebt. b. In Anſehung der Beſchaffenheit der Zweige laſſen einige Baͤume ſie in die Hoͤhe ſchießen, als: der Mandelbaum (Amygdalus communis. L.) viele Weiden, als die Lorbeerweide (Salix pentandra. L.) die Buſchweide (Salix triandra. L.) die Bachweide (Salix Helix. L.) Andre ſperren die Zweige von einander, als der Lebensbaum (Thuja occidentalis. L.) die ſchoͤne Ceder vom Libanon (Pinus Cedrus. L.) Noch andre laſſen ſie herabhaͤngen, als die babyloniſche Weide (Salix babylonica. L.) die Birke (Betula alba. L.) der Lerchenbaum (Pinus Larix. L.) Bey dieſer verſchiedenen Beſchaffenheit der Zweige ſind die letztern beſonders merk- wuͤrdig, indem ſie in einſamen, zur Melancholie beſtimmten Gegenden einen ſehr gu- ten Eindruck machen. Das traurige Herabhaͤngen der Zweige von dieſen Baͤumen ſcheint eine Bezeichnung ihres ſympathetiſchen Gefuͤhls zu ſeyn, und die Wirkung verſtaͤrkt ſich, wenn ſie bey Urnen, bey Grabmaͤlern mit andern Baͤumen von einem ſehr dunkeln Laubwerk vermiſcht werden. c. In Ruͤckſicht auf die Beſchaffenheit des Laubwerks der Baͤume bemerken wir zuvoͤrderſt den Reichthum und die Groͤße deſſelben: in unſerer Buche (Fagus ſylvatica. L.) in der Linde (Tilia europaea. L.), die ihres ſchnellen Wuchſes, ihrer ſuͤßduftigen Bluͤhte und herrlichen Belaubung wegen einer unſerer ſchoͤnſten einheimiſchen Baͤume iſt; beſonders

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/20
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/20>, abgerufen am 29.03.2024.