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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Vom Gartenplatz.
4.

Ein Platz, der nur aus einer Ebene *) besteht, ist nicht sehr zu einem guten
Garten geschickt, weil er an sich zu viel Einförmigkeit hat, und die künstlichen Abän-
derungen zu viel Kosten erfordern. Man wähle eine Gegend, die zwar nicht ganz
ohne Ebenen seyn darf, weil diese immer brauchbar sind, die aber doch auch natürli-
che Erhöhungen, Vertiefungen und mancherley Abänderungen hat. Eine solche
Grundlage enthält nicht allein schon an sich Abwechselung; sie ist auch überaus be-
hülflich, den Gartenscenen, die darauf angelegt werden sollen, mehr Abänderung
und mehr Eindruck mitzutheilen. Es ist Klugheit, von der Natur alle Vortheile
anzunehmen, die sie zur vollkommenern Anlage eines Gartens anbietet.

Will man die Einförmigkeit einer nackten Ebene heben, so sind Blumen, Ge-
sträuche, Bäume, Wasser und Heerden schickliche Mittel, diese Absicht zu erreichen.
Allein eine bergigte oder hügeligte Landschaft **) ist schon von der Natur mehr der
Abänderung und des Lebens fähig gemacht. Sie bietet in den beständigen Ungleich-
heiten, Krümmungen und Senkungen des Bodens mehr Abwechselung, in den
Aussichten mehr Größe und Mannichfaltigkeit, in den Stellungen der Bäu-
me mehr Freyes, Kühnes und Auffallendes, in den Bächen und Wasserfällen,
die nicht ruhen, mehr Belebung an.

Ein Park oder sehr ausgedehnter Garten erfordert vornehmlich eine Land-
schaft von mannichfaltig veränderten Gegenden, Thäler, Hügel, Tiefen, Ber-
ge, sanfte Abhänge und plötzliche Senkungen, alles in reicher Abwechselung.
Auf einem Boden von einer solchen Abänderung vervielfältigen sich die Aussich-
ten von selbst; anders ist es auf der Höhe, anders in der Tiefe; jeder Schritt
führt auf eine neue Lage, auf ein neues Gemälde, bey aller Unbeweglichkeit der
Gegenstände. Die Scenen verschwinden und kommen wieder hervor; neue ver-
hüllen die alten; die Situationen ändern unaufhörlich ab. Man steigt, und
der Horizont erweitert sich von allen Seiten; man sieht, je höher man kommt,
die Gegenden sinken und sich verlieren; die blaue Decke des Himmels dehnt
sich in die Unermeßlichkeit aus, und an ihrem Saum verbleicht das Licht des
Tages in den Dunst der Ferne; Erstaunen und Bewunderung füllen die Seele.
An ihre Stelle treten bald sanftere Bewegungen, indem man in die Tiefe
wieder hinabsteigt. Der Himmel selbst scheint zurückzuweichen, wenigstens ver-

birgt
*) S. Theorie der Gartenkunst, 1. B.
**) Ebendas. S. 190. 191. 193. 194. u. s. w. S. 189. 190.
Vom Gartenplatz.
4.

Ein Platz, der nur aus einer Ebene *) beſteht, iſt nicht ſehr zu einem guten
Garten geſchickt, weil er an ſich zu viel Einfoͤrmigkeit hat, und die kuͤnſtlichen Abaͤn-
derungen zu viel Koſten erfordern. Man waͤhle eine Gegend, die zwar nicht ganz
ohne Ebenen ſeyn darf, weil dieſe immer brauchbar ſind, die aber doch auch natuͤrli-
che Erhoͤhungen, Vertiefungen und mancherley Abaͤnderungen hat. Eine ſolche
Grundlage enthaͤlt nicht allein ſchon an ſich Abwechſelung; ſie iſt auch uͤberaus be-
huͤlflich, den Gartenſcenen, die darauf angelegt werden ſollen, mehr Abaͤnderung
und mehr Eindruck mitzutheilen. Es iſt Klugheit, von der Natur alle Vortheile
anzunehmen, die ſie zur vollkommenern Anlage eines Gartens anbietet.

Will man die Einfoͤrmigkeit einer nackten Ebene heben, ſo ſind Blumen, Ge-
ſtraͤuche, Baͤume, Waſſer und Heerden ſchickliche Mittel, dieſe Abſicht zu erreichen.
Allein eine bergigte oder huͤgeligte Landſchaft **) iſt ſchon von der Natur mehr der
Abaͤnderung und des Lebens faͤhig gemacht. Sie bietet in den beſtaͤndigen Ungleich-
heiten, Kruͤmmungen und Senkungen des Bodens mehr Abwechſelung, in den
Ausſichten mehr Groͤße und Mannichfaltigkeit, in den Stellungen der Baͤu-
me mehr Freyes, Kuͤhnes und Auffallendes, in den Baͤchen und Waſſerfaͤllen,
die nicht ruhen, mehr Belebung an.

Ein Park oder ſehr ausgedehnter Garten erfordert vornehmlich eine Land-
ſchaft von mannichfaltig veraͤnderten Gegenden, Thaͤler, Huͤgel, Tiefen, Ber-
ge, ſanfte Abhaͤnge und ploͤtzliche Senkungen, alles in reicher Abwechſelung.
Auf einem Boden von einer ſolchen Abaͤnderung vervielfaͤltigen ſich die Ausſich-
ten von ſelbſt; anders iſt es auf der Hoͤhe, anders in der Tiefe; jeder Schritt
fuͤhrt auf eine neue Lage, auf ein neues Gemaͤlde, bey aller Unbeweglichkeit der
Gegenſtaͤnde. Die Scenen verſchwinden und kommen wieder hervor; neue ver-
huͤllen die alten; die Situationen aͤndern unaufhoͤrlich ab. Man ſteigt, und
der Horizont erweitert ſich von allen Seiten; man ſieht, je hoͤher man kommt,
die Gegenden ſinken und ſich verlieren; die blaue Decke des Himmels dehnt
ſich in die Unermeßlichkeit aus, und an ihrem Saum verbleicht das Licht des
Tages in den Dunſt der Ferne; Erſtaunen und Bewunderung fuͤllen die Seele.
An ihre Stelle treten bald ſanftere Bewegungen, indem man in die Tiefe
wieder hinabſteigt. Der Himmel ſelbſt ſcheint zuruͤckzuweichen, wenigſtens ver-

birgt
*) S. Theorie der Gartenkunſt, 1. B.
**) Ebendaſ. S. 190. 191. 193. 194. u. ſ. w. S. 189. 190.
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[7/0011] Vom Gartenplatz. 4. Ein Platz, der nur aus einer Ebene *) beſteht, iſt nicht ſehr zu einem guten Garten geſchickt, weil er an ſich zu viel Einfoͤrmigkeit hat, und die kuͤnſtlichen Abaͤn- derungen zu viel Koſten erfordern. Man waͤhle eine Gegend, die zwar nicht ganz ohne Ebenen ſeyn darf, weil dieſe immer brauchbar ſind, die aber doch auch natuͤrli- che Erhoͤhungen, Vertiefungen und mancherley Abaͤnderungen hat. Eine ſolche Grundlage enthaͤlt nicht allein ſchon an ſich Abwechſelung; ſie iſt auch uͤberaus be- huͤlflich, den Gartenſcenen, die darauf angelegt werden ſollen, mehr Abaͤnderung und mehr Eindruck mitzutheilen. Es iſt Klugheit, von der Natur alle Vortheile anzunehmen, die ſie zur vollkommenern Anlage eines Gartens anbietet. Will man die Einfoͤrmigkeit einer nackten Ebene heben, ſo ſind Blumen, Ge- ſtraͤuche, Baͤume, Waſſer und Heerden ſchickliche Mittel, dieſe Abſicht zu erreichen. Allein eine bergigte oder huͤgeligte Landſchaft **) iſt ſchon von der Natur mehr der Abaͤnderung und des Lebens faͤhig gemacht. Sie bietet in den beſtaͤndigen Ungleich- heiten, Kruͤmmungen und Senkungen des Bodens mehr Abwechſelung, in den Ausſichten mehr Groͤße und Mannichfaltigkeit, in den Stellungen der Baͤu- me mehr Freyes, Kuͤhnes und Auffallendes, in den Baͤchen und Waſſerfaͤllen, die nicht ruhen, mehr Belebung an. Ein Park oder ſehr ausgedehnter Garten erfordert vornehmlich eine Land- ſchaft von mannichfaltig veraͤnderten Gegenden, Thaͤler, Huͤgel, Tiefen, Ber- ge, ſanfte Abhaͤnge und ploͤtzliche Senkungen, alles in reicher Abwechſelung. Auf einem Boden von einer ſolchen Abaͤnderung vervielfaͤltigen ſich die Ausſich- ten von ſelbſt; anders iſt es auf der Hoͤhe, anders in der Tiefe; jeder Schritt fuͤhrt auf eine neue Lage, auf ein neues Gemaͤlde, bey aller Unbeweglichkeit der Gegenſtaͤnde. Die Scenen verſchwinden und kommen wieder hervor; neue ver- huͤllen die alten; die Situationen aͤndern unaufhoͤrlich ab. Man ſteigt, und der Horizont erweitert ſich von allen Seiten; man ſieht, je hoͤher man kommt, die Gegenden ſinken und ſich verlieren; die blaue Decke des Himmels dehnt ſich in die Unermeßlichkeit aus, und an ihrem Saum verbleicht das Licht des Tages in den Dunſt der Ferne; Erſtaunen und Bewunderung fuͤllen die Seele. An ihre Stelle treten bald ſanftere Bewegungen, indem man in die Tiefe wieder hinabſteigt. Der Himmel ſelbſt ſcheint zuruͤckzuweichen, wenigſtens ver- birgt *) S. Theorie der Gartenkunſt, 1. B. **) Ebendaſ. S. 190. 191. 193. 194. u. ſ. w. S. 189. 190.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/11>, abgerufen am 25.04.2024.