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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Alten und der Neuen.

Sie würden auch in Versuchung gerathen, auf kleine Inseln herunterzusteigen,
die dem Wasser gleich liegen, und verschiedene Theile der Brücke unterstützen; man
gelangt auf Treppen dahin. Man findet da Schatten, Bänke, angenehme Spa-
ziergänge, aber sie werden zuweilen von dem Flusse überdeckt, und die alten Pappeln,
die sie beschatten, tragen an ihrer Rinde die Kennzeichen verschiedener Ueberschwem-
mungen, die sie nicht gehindert haben, ihren Wipfel in die Lüfte empor zu heben.
Indessen drückt eine davon, die bey solchen Zufällen empfindlicher als die andern ist,
sich also aus:

Dans ces climats plus d'un orage
A trouble le Ciel & les coeurs.
L'onde, franchissant son rivage
A submerge nos vergers & nos fleurs.
Dieux bienfaisans, reparez ces malheurs!
Et que les habitans d'une modeste bocage
Par vos faveurs trouvent sous nos rameaux
Quelqu'abri pour un doux repos.
A qui tient peu de place, il faut si peu d'ombrage.

Ich würde die Rechte der Freundschaft misbrauchen, wenn ich Sie überall hin-
führen wollte, wo sich noch artige Aussichten und einige schlechte Verse finden. Glück-
liche Stunden der Muse haben diese hervorgebracht, wie der milde Frühling auf un-
sern Wiesen die Blumen aussäet; aber Sie wissen, daß sie nicht stolz werden, wenn
man sie betrachtet, und daß sie sich nicht beleidigt finden, wenn man sie nicht bemerkt.

[Abbildung]

4. Gärten
der Alten und der Neuen.

Sie wuͤrden auch in Verſuchung gerathen, auf kleine Inſeln herunterzuſteigen,
die dem Waſſer gleich liegen, und verſchiedene Theile der Bruͤcke unterſtuͤtzen; man
gelangt auf Treppen dahin. Man findet da Schatten, Baͤnke, angenehme Spa-
ziergaͤnge, aber ſie werden zuweilen von dem Fluſſe uͤberdeckt, und die alten Pappeln,
die ſie beſchatten, tragen an ihrer Rinde die Kennzeichen verſchiedener Ueberſchwem-
mungen, die ſie nicht gehindert haben, ihren Wipfel in die Luͤfte empor zu heben.
Indeſſen druͤckt eine davon, die bey ſolchen Zufaͤllen empfindlicher als die andern iſt,
ſich alſo aus:

Dans ces climats plus d’un orage
A troublé le Ciel & les coeurs.
L’onde, franchiſſant ſon rivage
A ſubmergé nos vergers & nos fleurs.
Dieux bienfaiſans, reparez ces malheurs!
Et que les habitans d’une modeſte bocage
Par vos faveurs trouvent ſous nos rameaux
Quelqu’abri pour un doux repos.
A qui tient peu de place, il faut ſi peu d’ombrage.

Ich wuͤrde die Rechte der Freundſchaft misbrauchen, wenn ich Sie uͤberall hin-
fuͤhren wollte, wo ſich noch artige Ausſichten und einige ſchlechte Verſe finden. Gluͤck-
liche Stunden der Muſe haben dieſe hervorgebracht, wie der milde Fruͤhling auf un-
ſern Wieſen die Blumen ausſaͤet; aber Sie wiſſen, daß ſie nicht ſtolz werden, wenn
man ſie betrachtet, und daß ſie ſich nicht beleidigt finden, wenn man ſie nicht bemerkt.

[Abbildung]

4. Gaͤrten
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[47/0061] der Alten und der Neuen. Sie wuͤrden auch in Verſuchung gerathen, auf kleine Inſeln herunterzuſteigen, die dem Waſſer gleich liegen, und verſchiedene Theile der Bruͤcke unterſtuͤtzen; man gelangt auf Treppen dahin. Man findet da Schatten, Baͤnke, angenehme Spa- ziergaͤnge, aber ſie werden zuweilen von dem Fluſſe uͤberdeckt, und die alten Pappeln, die ſie beſchatten, tragen an ihrer Rinde die Kennzeichen verſchiedener Ueberſchwem- mungen, die ſie nicht gehindert haben, ihren Wipfel in die Luͤfte empor zu heben. Indeſſen druͤckt eine davon, die bey ſolchen Zufaͤllen empfindlicher als die andern iſt, ſich alſo aus: Dans ces climats plus d’un orage A troublé le Ciel & les coeurs. L’onde, franchiſſant ſon rivage A ſubmergé nos vergers & nos fleurs. Dieux bienfaiſans, reparez ces malheurs! Et que les habitans d’une modeſte bocage Par vos faveurs trouvent ſous nos rameaux Quelqu’abri pour un doux repos. A qui tient peu de place, il faut ſi peu d’ombrage. Ich wuͤrde die Rechte der Freundſchaft misbrauchen, wenn ich Sie uͤberall hin- fuͤhren wollte, wo ſich noch artige Ausſichten und einige ſchlechte Verſe finden. Gluͤck- liche Stunden der Muſe haben dieſe hervorgebracht, wie der milde Fruͤhling auf un- ſern Wieſen die Blumen ausſaͤet; aber Sie wiſſen, daß ſie nicht ſtolz werden, wenn man ſie betrachtet, und daß ſie ſich nicht beleidigt finden, wenn man ſie nicht bemerkt. [Abbildung] 4. Gaͤrten

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/61>, abgerufen am 29.03.2024.