Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Abschnitt. Von den Gegenständen
sondern durch die Wirkung des gegenwärtigen Lichts in den nahen und nächsten Gegen-
ständen, in niedrigen Kräutern, in höhern Pflanzen, in Gebüschen und Bäumen!
Und hier überläßt die Natur nicht allein dem Gartenkünstler, durch eben die Mannig-
faltigkeit und Abwechselung des Grüns zu reizen, wodurch sie in der Landschaft reizt;
sie verstattet ihm sogar, durch eine sorgfältigere Mischung der Farben sie in dem
nachläßigen Entwurf ihrer großen und freyen Werke zu übertreffen, und durch eine
neue Verbindung ein neues Ganze hervorzubringen, das gleichsam ein Gemälde von
höherer Vollkommenheit darstellt.

Zur besondern Schönheit der Farben gehört Helle und Lebhaftigkeit; das Ge-
mäßigte, wie sanftes Blau, Rosenroth, Violet, helles Grün; Abwechselung, mit
unmerklichen Abänderungen und sanftfortschreitenden Verbindungen.

Wenn das Feuer der Farben dem Gartenkünstler nur in der Pflanzung einiger
Blumenarten erreichbar scheint, so kann er dagegen weit mehr durch Reinigkeit und
Helle der Farben einnehmen. Das Feuer der Farben erzeugt Freude; die Reinig-
keit und Helle wirkt Heiterkeit. Das Gemäßigte in den Farben giebt Erquickung
und liebliche Empfindung der Ruhe, wie das Violet, oder milde Fröhlichkeit, wie
das lichtere Blau und Rosenroth. Abwechselung gewährt durch das fortschreitende
Vergnügen Unterhaltung, und beschützt den Genuß vor Ermüdung.

Aus diesen Bemerkungen, die den nachdenkenden Gartenkünstler bey seinen
Arbeiten leiten müssen, entspringen einige allgemeine Hauptgesetze, die er in Absicht
auf die Farbengebung zu beobachten hat.

1) Er vermeide Einfärbigkeit, und wisse, daß er gerade der Anweisung der
Natur entgegenhandelt, wenn er nur einerley Grün wählt.
2) Er denke nie, daß es gleichgültig sey, die Farben seiner Pflanzen, Stau-
den und Bäume durch einander zu werfen, wie es der Zufall fügt, sondern daß
Ueberlegung und Wahl erfordert wird, wenn er mittelst der Farben eine glückliche
Wirkung auf das Auge hervorbringen will.
3) Er sorge vornehmlich für Helle und Lebhaftigkeit der Farbe, um Heiterkeit
zu erwecken. Diese Gattung der Farbe muß daher nicht allein vorzüglich die
nächststehenden Gegenstände beleben, sondern auch die herrschende, die Hauptfarbe
seines ländlichen Gemäldes feyn.
4) Er unterscheide diejenigen Partien seines Platzes, die entweder nach der
natürlichen Lage und Beschaffenheit, oder nach der Bestimmung und nach dem
Charakter, den man ihnen durch Bearbeitung, durch Hinstellung der Gebäude
u. s. w. geben will, eine andere Farbe erfordern. Der abseitige Weg ins Gebüsch
mag sich mit weniger munterm Grün beschatten. Dunkles und ernsthaftes Laub
verlangt die Grotte und die Einsiedeley zu ihrer Umhüllung.
5) Er

Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden
ſondern durch die Wirkung des gegenwaͤrtigen Lichts in den nahen und naͤchſten Gegen-
ſtaͤnden, in niedrigen Kraͤutern, in hoͤhern Pflanzen, in Gebuͤſchen und Baͤumen!
Und hier uͤberlaͤßt die Natur nicht allein dem Gartenkuͤnſtler, durch eben die Mannig-
faltigkeit und Abwechſelung des Gruͤns zu reizen, wodurch ſie in der Landſchaft reizt;
ſie verſtattet ihm ſogar, durch eine ſorgfaͤltigere Miſchung der Farben ſie in dem
nachlaͤßigen Entwurf ihrer großen und freyen Werke zu uͤbertreffen, und durch eine
neue Verbindung ein neues Ganze hervorzubringen, das gleichſam ein Gemaͤlde von
hoͤherer Vollkommenheit darſtellt.

Zur beſondern Schoͤnheit der Farben gehoͤrt Helle und Lebhaftigkeit; das Ge-
maͤßigte, wie ſanftes Blau, Roſenroth, Violet, helles Gruͤn; Abwechſelung, mit
unmerklichen Abaͤnderungen und ſanftfortſchreitenden Verbindungen.

Wenn das Feuer der Farben dem Gartenkuͤnſtler nur in der Pflanzung einiger
Blumenarten erreichbar ſcheint, ſo kann er dagegen weit mehr durch Reinigkeit und
Helle der Farben einnehmen. Das Feuer der Farben erzeugt Freude; die Reinig-
keit und Helle wirkt Heiterkeit. Das Gemaͤßigte in den Farben giebt Erquickung
und liebliche Empfindung der Ruhe, wie das Violet, oder milde Froͤhlichkeit, wie
das lichtere Blau und Roſenroth. Abwechſelung gewaͤhrt durch das fortſchreitende
Vergnuͤgen Unterhaltung, und beſchuͤtzt den Genuß vor Ermuͤdung.

Aus dieſen Bemerkungen, die den nachdenkenden Gartenkuͤnſtler bey ſeinen
Arbeiten leiten muͤſſen, entſpringen einige allgemeine Hauptgeſetze, die er in Abſicht
auf die Farbengebung zu beobachten hat.

1) Er vermeide Einfaͤrbigkeit, und wiſſe, daß er gerade der Anweiſung der
Natur entgegenhandelt, wenn er nur einerley Gruͤn waͤhlt.
2) Er denke nie, daß es gleichguͤltig ſey, die Farben ſeiner Pflanzen, Stau-
den und Baͤume durch einander zu werfen, wie es der Zufall fuͤgt, ſondern daß
Ueberlegung und Wahl erfordert wird, wenn er mittelſt der Farben eine gluͤckliche
Wirkung auf das Auge hervorbringen will.
3) Er ſorge vornehmlich fuͤr Helle und Lebhaftigkeit der Farbe, um Heiterkeit
zu erwecken. Dieſe Gattung der Farbe muß daher nicht allein vorzuͤglich die
naͤchſtſtehenden Gegenſtaͤnde beleben, ſondern auch die herrſchende, die Hauptfarbe
ſeines laͤndlichen Gemaͤldes feyn.
4) Er unterſcheide diejenigen Partien ſeines Platzes, die entweder nach der
natuͤrlichen Lage und Beſchaffenheit, oder nach der Beſtimmung und nach dem
Charakter, den man ihnen durch Bearbeitung, durch Hinſtellung der Gebaͤude
u. ſ. w. geben will, eine andere Farbe erfordern. Der abſeitige Weg ins Gebuͤſch
mag ſich mit weniger munterm Gruͤn beſchatten. Dunkles und ernſthaftes Laub
verlangt die Grotte und die Einſiedeley zu ihrer Umhuͤllung.
5) Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <p><pb facs="#f0184" n="170"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt. Von den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden</hi></fw><lb/>
&#x017F;ondern durch die Wirkung des gegenwa&#x0364;rtigen Lichts in den nahen und na&#x0364;ch&#x017F;ten Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, in niedrigen Kra&#x0364;utern, in ho&#x0364;hern Pflanzen, in Gebu&#x0364;&#x017F;chen und Ba&#x0364;umen!<lb/>
Und hier u&#x0364;berla&#x0364;ßt die Natur nicht allein dem Gartenku&#x0364;n&#x017F;tler, durch eben die Mannig-<lb/>
faltigkeit und Abwech&#x017F;elung des Gru&#x0364;ns zu reizen, wodurch &#x017F;ie in der Land&#x017F;chaft reizt;<lb/>
&#x017F;ie ver&#x017F;tattet ihm &#x017F;ogar, durch eine &#x017F;orgfa&#x0364;ltigere Mi&#x017F;chung der Farben &#x017F;ie in dem<lb/>
nachla&#x0364;ßigen Entwurf ihrer großen und freyen Werke zu u&#x0364;bertreffen, und durch eine<lb/>
neue Verbindung ein neues Ganze hervorzubringen, das gleich&#x017F;am ein Gema&#x0364;lde von<lb/>
ho&#x0364;herer Vollkommenheit dar&#x017F;tellt.</p><lb/>
            <p>Zur be&#x017F;ondern Scho&#x0364;nheit der Farben geho&#x0364;rt Helle und Lebhaftigkeit; das Ge-<lb/>
ma&#x0364;ßigte, wie &#x017F;anftes Blau, Ro&#x017F;enroth, Violet, helles Gru&#x0364;n; Abwech&#x017F;elung, mit<lb/>
unmerklichen Aba&#x0364;nderungen und &#x017F;anftfort&#x017F;chreitenden Verbindungen.</p><lb/>
            <p>Wenn das Feuer der Farben dem Gartenku&#x0364;n&#x017F;tler nur in der Pflanzung einiger<lb/>
Blumenarten erreichbar &#x017F;cheint, &#x017F;o kann er dagegen weit mehr durch Reinigkeit und<lb/>
Helle der Farben einnehmen. Das Feuer der Farben erzeugt Freude; die Reinig-<lb/>
keit und Helle wirkt Heiterkeit. Das Gema&#x0364;ßigte in den Farben giebt Erquickung<lb/>
und liebliche Empfindung der Ruhe, wie das Violet, oder milde Fro&#x0364;hlichkeit, wie<lb/>
das lichtere Blau und Ro&#x017F;enroth. Abwech&#x017F;elung gewa&#x0364;hrt durch das fort&#x017F;chreitende<lb/>
Vergnu&#x0364;gen Unterhaltung, und be&#x017F;chu&#x0364;tzt den Genuß vor Ermu&#x0364;dung.</p><lb/>
            <p>Aus die&#x017F;en Bemerkungen, die den nachdenkenden Gartenku&#x0364;n&#x017F;tler bey &#x017F;einen<lb/>
Arbeiten leiten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ent&#x017F;pringen einige allgemeine Hauptge&#x017F;etze, die er in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf die Farbengebung zu beobachten hat.</p><lb/>
            <list>
              <item>1) Er vermeide Einfa&#x0364;rbigkeit, und wi&#x017F;&#x017F;e, daß er gerade der Anwei&#x017F;ung der<lb/>
Natur entgegenhandelt, wenn er nur einerley Gru&#x0364;n wa&#x0364;hlt.</item><lb/>
              <item>2) Er denke nie, daß es gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;ey, die Farben &#x017F;einer Pflanzen, Stau-<lb/>
den und Ba&#x0364;ume durch einander zu werfen, wie es der Zufall fu&#x0364;gt, &#x017F;ondern daß<lb/>
Ueberlegung und Wahl erfordert wird, wenn er mittel&#x017F;t der Farben eine glu&#x0364;ckliche<lb/>
Wirkung auf das Auge hervorbringen will.</item><lb/>
              <item>3) Er &#x017F;orge vornehmlich fu&#x0364;r Helle und Lebhaftigkeit der Farbe, um Heiterkeit<lb/>
zu erwecken. Die&#x017F;e Gattung der Farbe muß daher nicht allein vorzu&#x0364;glich die<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;t&#x017F;tehenden Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde beleben, &#x017F;ondern auch die herr&#x017F;chende, die Hauptfarbe<lb/>
&#x017F;eines la&#x0364;ndlichen Gema&#x0364;ldes feyn.</item><lb/>
              <item>4) Er unter&#x017F;cheide diejenigen Partien &#x017F;eines Platzes, die entweder nach der<lb/>
natu&#x0364;rlichen Lage und Be&#x017F;chaffenheit, oder nach der Be&#x017F;timmung und nach dem<lb/>
Charakter, den man ihnen durch Bearbeitung, durch Hin&#x017F;tellung der Geba&#x0364;ude<lb/>
u. &#x017F;. w. geben will, eine andere Farbe erfordern. Der ab&#x017F;eitige Weg ins Gebu&#x0364;&#x017F;ch<lb/>
mag &#x017F;ich mit weniger munterm Gru&#x0364;n be&#x017F;chatten. Dunkles und ern&#x017F;thaftes Laub<lb/>
verlangt die Grotte und die Ein&#x017F;iedeley zu ihrer Umhu&#x0364;llung.</item>
            </list><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">5) Er</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0184] Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden ſondern durch die Wirkung des gegenwaͤrtigen Lichts in den nahen und naͤchſten Gegen- ſtaͤnden, in niedrigen Kraͤutern, in hoͤhern Pflanzen, in Gebuͤſchen und Baͤumen! Und hier uͤberlaͤßt die Natur nicht allein dem Gartenkuͤnſtler, durch eben die Mannig- faltigkeit und Abwechſelung des Gruͤns zu reizen, wodurch ſie in der Landſchaft reizt; ſie verſtattet ihm ſogar, durch eine ſorgfaͤltigere Miſchung der Farben ſie in dem nachlaͤßigen Entwurf ihrer großen und freyen Werke zu uͤbertreffen, und durch eine neue Verbindung ein neues Ganze hervorzubringen, das gleichſam ein Gemaͤlde von hoͤherer Vollkommenheit darſtellt. Zur beſondern Schoͤnheit der Farben gehoͤrt Helle und Lebhaftigkeit; das Ge- maͤßigte, wie ſanftes Blau, Roſenroth, Violet, helles Gruͤn; Abwechſelung, mit unmerklichen Abaͤnderungen und ſanftfortſchreitenden Verbindungen. Wenn das Feuer der Farben dem Gartenkuͤnſtler nur in der Pflanzung einiger Blumenarten erreichbar ſcheint, ſo kann er dagegen weit mehr durch Reinigkeit und Helle der Farben einnehmen. Das Feuer der Farben erzeugt Freude; die Reinig- keit und Helle wirkt Heiterkeit. Das Gemaͤßigte in den Farben giebt Erquickung und liebliche Empfindung der Ruhe, wie das Violet, oder milde Froͤhlichkeit, wie das lichtere Blau und Roſenroth. Abwechſelung gewaͤhrt durch das fortſchreitende Vergnuͤgen Unterhaltung, und beſchuͤtzt den Genuß vor Ermuͤdung. Aus dieſen Bemerkungen, die den nachdenkenden Gartenkuͤnſtler bey ſeinen Arbeiten leiten muͤſſen, entſpringen einige allgemeine Hauptgeſetze, die er in Abſicht auf die Farbengebung zu beobachten hat. 1) Er vermeide Einfaͤrbigkeit, und wiſſe, daß er gerade der Anweiſung der Natur entgegenhandelt, wenn er nur einerley Gruͤn waͤhlt. 2) Er denke nie, daß es gleichguͤltig ſey, die Farben ſeiner Pflanzen, Stau- den und Baͤume durch einander zu werfen, wie es der Zufall fuͤgt, ſondern daß Ueberlegung und Wahl erfordert wird, wenn er mittelſt der Farben eine gluͤckliche Wirkung auf das Auge hervorbringen will. 3) Er ſorge vornehmlich fuͤr Helle und Lebhaftigkeit der Farbe, um Heiterkeit zu erwecken. Dieſe Gattung der Farbe muß daher nicht allein vorzuͤglich die naͤchſtſtehenden Gegenſtaͤnde beleben, ſondern auch die herrſchende, die Hauptfarbe ſeines laͤndlichen Gemaͤldes feyn. 4) Er unterſcheide diejenigen Partien ſeines Platzes, die entweder nach der natuͤrlichen Lage und Beſchaffenheit, oder nach der Beſtimmung und nach dem Charakter, den man ihnen durch Bearbeitung, durch Hinſtellung der Gebaͤude u. ſ. w. geben will, eine andere Farbe erfordern. Der abſeitige Weg ins Gebuͤſch mag ſich mit weniger munterm Gruͤn beſchatten. Dunkles und ernſthaftes Laub verlangt die Grotte und die Einſiedeley zu ihrer Umhuͤllung. 5) Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/184
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/184>, abgerufen am 28.03.2024.