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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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und des neuen Geschmacks in den Gärten.
Angenehm wären Spaziergänge auf Hügeln und verschiedenen Anhöhen, wenn die
Natur sie verschaffte. So viele zur Pracht gehörige Dinge, welche die Prinzen
nach dem Rath ihrer Gärtner mit so großen Kosten und geringer Beurtheilung zu-
sammensetzten, trügen nichts zu einem ächten Vergnügen und zur Anmuth der Gär-
ten bey. -- So aufgeklärt diess Bemerkungen und so richtig diese Vorschläge des
Bacon sind, so waren sie doch mit andern vermischt, die dem reinern Geschmack der
Gartenkunst ganz entgegen stehen; so mächtig ist die Tyranney der Mode, daß selbst
ein solcher Mann von ihr überwältigt wird. Er billigte die viereckige Figur der
Gärten; hölzerne Bogen mit Thürmchen, worin Vögel eingekerkert sind, mit ver-
goldeten Bildern, die kleine Streifen von gemaltem Glase haben; Säulen und hohe
Pyramiden von Holz, die hin und wieder angebracht und mit Einfassungen versehen
sind; viereckige Wasserbehältnisse von dreyßig oder vierzig Schuhen mit Statuen be-
setzt. Und da er ein gewisses bestimmtes Modell zum Grunde legte, so gab er zu einer
Einschränkung Anlaß, die sich so wenig mit der Mannigfaltigkeit der natürlichen An-
lagen, als mit der Fruchtbarkeit des schaffenden Genies verträgt. Indessen war
Bacon hier doch mehr als Prophet einer ungebornen Wissenschaft, wie ihn Mason
nennt; er that mehr, als ankündigen; er fieng an zu schaffen.

Eben die natürliche landschaftliche Schönheit, die das beständige Eigenthum
der Gärten seyn sollte, zeigte nachher Milton *) in der meisterhaften Beschreibung
des Paradieses oder Gartens von Eden.

Blumen, welche die Kunst auf keinen Beeten hervorbringt,
Sondern allein die güt'ge Natur, im verwilderten Haine;
Auf den Ebenen im Thal, und auf dem fruchtbaren Hügel,
Wo die Sonne zuerst die offenen Felder des Morgens
Sanft erwärmet; und da, wo undurchdringliche Schatten
Kühle mittägliche Lauben geschwärzt. So schien hier die Gegend
Wie ein Landsitz, umringt mit mancher lachenden Aussicht.
Wälder, in denen die köstlichen Bäume wohlriechendes Gummi
Oder auch Balsam weinten; von andern hiengen die Früchte
Glänzend herab, mit goldenen Schalen; hier wurden die Fabeln
Von den Gärten Hesperiens wahr; hier oder sonst nirgend.
Früchte vom schönsten Geschmack. Es lagen zwischen den Wäldern
Blumige Wiesen und Auen, bedeckt mit grasenden Heerden.
Oder Hügel voll Palmen, und manche gewässerte Thäler
Schlossen den Blumenschoos auf, und zeigten die duftenden Schätze,
Farbige Blumen, und Rosen mit keinen Dornen bewaffnet.
Auch
*) Verlornes Paradies, 4ter Ges. nach Zachariäs Uebersetzung.
Q 2

und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.
Angenehm waͤren Spaziergaͤnge auf Huͤgeln und verſchiedenen Anhoͤhen, wenn die
Natur ſie verſchaffte. So viele zur Pracht gehoͤrige Dinge, welche die Prinzen
nach dem Rath ihrer Gaͤrtner mit ſo großen Koſten und geringer Beurtheilung zu-
ſammenſetzten, truͤgen nichts zu einem aͤchten Vergnuͤgen und zur Anmuth der Gaͤr-
ten bey. — So aufgeklaͤrt dieſs Bemerkungen und ſo richtig dieſe Vorſchlaͤge des
Bacon ſind, ſo waren ſie doch mit andern vermiſcht, die dem reinern Geſchmack der
Gartenkunſt ganz entgegen ſtehen; ſo maͤchtig iſt die Tyranney der Mode, daß ſelbſt
ein ſolcher Mann von ihr uͤberwaͤltigt wird. Er billigte die viereckige Figur der
Gaͤrten; hoͤlzerne Bogen mit Thuͤrmchen, worin Voͤgel eingekerkert ſind, mit ver-
goldeten Bildern, die kleine Streifen von gemaltem Glaſe haben; Saͤulen und hohe
Pyramiden von Holz, die hin und wieder angebracht und mit Einfaſſungen verſehen
ſind; viereckige Waſſerbehaͤltniſſe von dreyßig oder vierzig Schuhen mit Statuen be-
ſetzt. Und da er ein gewiſſes beſtimmtes Modell zum Grunde legte, ſo gab er zu einer
Einſchraͤnkung Anlaß, die ſich ſo wenig mit der Mannigfaltigkeit der natuͤrlichen An-
lagen, als mit der Fruchtbarkeit des ſchaffenden Genies vertraͤgt. Indeſſen war
Bacon hier doch mehr als Prophet einer ungebornen Wiſſenſchaft, wie ihn Maſon
nennt; er that mehr, als ankuͤndigen; er fieng an zu ſchaffen.

Eben die natuͤrliche landſchaftliche Schoͤnheit, die das beſtaͤndige Eigenthum
der Gaͤrten ſeyn ſollte, zeigte nachher Milton *) in der meiſterhaften Beſchreibung
des Paradieſes oder Gartens von Eden.

Blumen, welche die Kunſt auf keinen Beeten hervorbringt,
Sondern allein die guͤt’ge Natur, im verwilderten Haine;
Auf den Ebenen im Thal, und auf dem fruchtbaren Huͤgel,
Wo die Sonne zuerſt die offenen Felder des Morgens
Sanft erwaͤrmet; und da, wo undurchdringliche Schatten
Kuͤhle mittaͤgliche Lauben geſchwaͤrzt. So ſchien hier die Gegend
Wie ein Landſitz, umringt mit mancher lachenden Ausſicht.
Waͤlder, in denen die koͤſtlichen Baͤume wohlriechendes Gummi
Oder auch Balſam weinten; von andern hiengen die Fruͤchte
Glaͤnzend herab, mit goldenen Schalen; hier wurden die Fabeln
Von den Gaͤrten Heſperiens wahr; hier oder ſonſt nirgend.
Fruͤchte vom ſchoͤnſten Geſchmack. Es lagen zwiſchen den Waͤldern
Blumige Wieſen und Auen, bedeckt mit graſenden Heerden.
Oder Huͤgel voll Palmen, und manche gewaͤſſerte Thaͤler
Schloſſen den Blumenſchoos auf, und zeigten die duftenden Schaͤtze,
Farbige Blumen, und Roſen mit keinen Dornen bewaffnet.
Auch
*) Verlornes Paradies, 4ter Geſ. nach Zachariaͤs Ueberſetzung.
Q 2
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[123/0137] und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Angenehm waͤren Spaziergaͤnge auf Huͤgeln und verſchiedenen Anhoͤhen, wenn die Natur ſie verſchaffte. So viele zur Pracht gehoͤrige Dinge, welche die Prinzen nach dem Rath ihrer Gaͤrtner mit ſo großen Koſten und geringer Beurtheilung zu- ſammenſetzten, truͤgen nichts zu einem aͤchten Vergnuͤgen und zur Anmuth der Gaͤr- ten bey. — So aufgeklaͤrt dieſs Bemerkungen und ſo richtig dieſe Vorſchlaͤge des Bacon ſind, ſo waren ſie doch mit andern vermiſcht, die dem reinern Geſchmack der Gartenkunſt ganz entgegen ſtehen; ſo maͤchtig iſt die Tyranney der Mode, daß ſelbſt ein ſolcher Mann von ihr uͤberwaͤltigt wird. Er billigte die viereckige Figur der Gaͤrten; hoͤlzerne Bogen mit Thuͤrmchen, worin Voͤgel eingekerkert ſind, mit ver- goldeten Bildern, die kleine Streifen von gemaltem Glaſe haben; Saͤulen und hohe Pyramiden von Holz, die hin und wieder angebracht und mit Einfaſſungen verſehen ſind; viereckige Waſſerbehaͤltniſſe von dreyßig oder vierzig Schuhen mit Statuen be- ſetzt. Und da er ein gewiſſes beſtimmtes Modell zum Grunde legte, ſo gab er zu einer Einſchraͤnkung Anlaß, die ſich ſo wenig mit der Mannigfaltigkeit der natuͤrlichen An- lagen, als mit der Fruchtbarkeit des ſchaffenden Genies vertraͤgt. Indeſſen war Bacon hier doch mehr als Prophet einer ungebornen Wiſſenſchaft, wie ihn Maſon nennt; er that mehr, als ankuͤndigen; er fieng an zu ſchaffen. Eben die natuͤrliche landſchaftliche Schoͤnheit, die das beſtaͤndige Eigenthum der Gaͤrten ſeyn ſollte, zeigte nachher Milton *) in der meiſterhaften Beſchreibung des Paradieſes oder Gartens von Eden. Blumen, welche die Kunſt auf keinen Beeten hervorbringt, Sondern allein die guͤt’ge Natur, im verwilderten Haine; Auf den Ebenen im Thal, und auf dem fruchtbaren Huͤgel, Wo die Sonne zuerſt die offenen Felder des Morgens Sanft erwaͤrmet; und da, wo undurchdringliche Schatten Kuͤhle mittaͤgliche Lauben geſchwaͤrzt. So ſchien hier die Gegend Wie ein Landſitz, umringt mit mancher lachenden Ausſicht. Waͤlder, in denen die koͤſtlichen Baͤume wohlriechendes Gummi Oder auch Balſam weinten; von andern hiengen die Fruͤchte Glaͤnzend herab, mit goldenen Schalen; hier wurden die Fabeln Von den Gaͤrten Heſperiens wahr; hier oder ſonſt nirgend. Fruͤchte vom ſchoͤnſten Geſchmack. Es lagen zwiſchen den Waͤldern Blumige Wieſen und Auen, bedeckt mit graſenden Heerden. Oder Huͤgel voll Palmen, und manche gewaͤſſerte Thaͤler Schloſſen den Blumenſchoos auf, und zeigten die duftenden Schaͤtze, Farbige Blumen, und Roſen mit keinen Dornen bewaffnet. Auch *) Verlornes Paradies, 4ter Geſ. nach Zachariaͤs Ueberſetzung. Q 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/137>, abgerufen am 23.04.2024.