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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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entbunden werden konnten? Alles ist gut, was
nicht anders seyn kann, und im Muss liegt ei-
ne Schatzkammer von Beruhigungsgründen, ver-
mittelst deren man bei ein wenig Philosophie
das: ich Muss, mit dem: ich Will, so auszu-
söhnen weiss, dass hier jeder Fluch sich in Se-
gen, und die arge böse Welt sich in die beste ver-
wandelt. Friede mit der Natur und mit dem
schönen Geschlechte; und Friede mit uns Allen!
Wie aber, wenn es so gut Trugerfahrungen als
Trugschlüsse gäbe? wenn der Schein betröge?
Die Vernunft fürchtet sich vor den Sinnen; und
wenn wir die Operation an uns vollziehen zu las-
sen völlig entschlossen sind, wenden wir doch
in der Stunde der Anfechtung das Auge weg --
Vernunft, Herz und Sinne arbeiten sich in die
Hand; und nicht nur das Herz des Menschen,
sondern auch seine Vernunft und seine Sinne
sind trotzig und verzagt: wer kann's ergrün-
den? Bald dünkt der Mensch sich, ein Gott,
bald weniger als ein Thier zu seyn -- Nackt
und bloss kommt er zur Welt, und wenn an-
dere Thiere bewaffnet und bedeckt sind, kön-
nen Se. Majestät der Mensch sich nicht ent-

entbunden werden konnten? Alles ist gut, was
nicht anders seyn kann, und im Muſs liegt ei-
ne Schatzkammer von Beruhigungsgründen, ver-
mittelst deren man bei ein wenig Philosophie
das: ich Muſs, mit dem: ich Will, so auszu-
söhnen weiſs, daſs hier jeder Fluch sich in Se-
gen, und die arge böse Welt sich in die beste ver-
wandelt. Friede mit der Natur und mit dem
schönen Geschlechte; und Friede mit uns Allen!
Wie aber, wenn es so gut Trugerfahrungen als
Trugschlüsse gäbe? wenn der Schein betröge?
Die Vernunft fürchtet sich vor den Sinnen; und
wenn wir die Operation an uns vollziehen zu las-
sen völlig entschlossen sind, wenden wir doch
in der Stunde der Anfechtung das Auge weg —
Vernunft, Herz und Sinne arbeiten sich in die
Hand; und nicht nur das Herz des Menschen,
sondern auch seine Vernunft und seine Sinne
sind trotzig und verzagt: wer kann’s ergrün-
den? Bald dünkt der Mensch sich, ein Gott,
bald weniger als ein Thier zu seyn — Nackt
und bloſs kommt er zur Welt, und wenn an-
dere Thiere bewaffnet und bedeckt sind, kön-
nen Se. Majestät der Mensch sich nicht ent-

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[36/0044] entbunden werden konnten? Alles ist gut, was nicht anders seyn kann, und im Muſs liegt ei- ne Schatzkammer von Beruhigungsgründen, ver- mittelst deren man bei ein wenig Philosophie das: ich Muſs, mit dem: ich Will, so auszu- söhnen weiſs, daſs hier jeder Fluch sich in Se- gen, und die arge böse Welt sich in die beste ver- wandelt. Friede mit der Natur und mit dem schönen Geschlechte; und Friede mit uns Allen! Wie aber, wenn es so gut Trugerfahrungen als Trugschlüsse gäbe? wenn der Schein betröge? Die Vernunft fürchtet sich vor den Sinnen; und wenn wir die Operation an uns vollziehen zu las- sen völlig entschlossen sind, wenden wir doch in der Stunde der Anfechtung das Auge weg — Vernunft, Herz und Sinne arbeiten sich in die Hand; und nicht nur das Herz des Menschen, sondern auch seine Vernunft und seine Sinne sind trotzig und verzagt: wer kann’s ergrün- den? Bald dünkt der Mensch sich, ein Gott, bald weniger als ein Thier zu seyn — Nackt und bloſs kommt er zur Welt, und wenn an- dere Thiere bewaffnet und bedeckt sind, kön- nen Se. Majestät der Mensch sich nicht ent-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/44>, abgerufen am 19.04.2024.