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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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lichen, nicht von Anbeginn und von Natur,
sondern durch Verjährung, so im Gemenge
liegt, dass hierbei nicht so leicht ein Divisions-
Exempel auf eine Auseinandersetzung gewagt
werden kann. Wenn ein Ritter von ächtlusti-
ger Gestalt den Kampf beginnt -- wer und
was kann vor ihm bestehen? welche Festung
von System und Dogmatik sich halten? So-
krates,
der Weiseste, nicht unter den Königen,
sondern unter den Weisen, dieser Erzkern in
einer hässlichen Schale, dieser (wiewohl nicht
mit sonderlichem Geschmacke gekleidete) En-
gel unter den Menschen, ward in den Wolken
zur Farce; und welch ein Autor kann auf ei-
nen heitern Recensenten- und Leser-Himmel
sicher rechnen? -- Selten gab es einen, der
nicht aus dem Regen unter die Traufe gerieth,
und noch nie ging ein Licht in der Welt auf,
ohne seinen Aristophanes zu finden, der es,
mir nichts, dir nichts, geradezu ausblies, oder
-- unter dem Scheine des Rechts, als wollt'
er es schneutzen -- es neckte und verdunkelte.
Fast scheint auf diese Weise das Lächerliche
das tägliche Brodt der Menschen zu seyn, und

lichen, nicht von Anbeginn und von Natur,
sondern durch Verjährung, so im Gemenge
liegt, daſs hierbei nicht so leicht ein Divisions-
Exempel auf eine Auseinandersetzung gewagt
werden kann. Wenn ein Ritter von ächtlusti-
ger Gestalt den Kampf beginnt — wer und
was kann vor ihm bestehen? welche Festung
von System und Dogmatik sich halten? So-
krates,
der Weiseste, nicht unter den Königen,
sondern unter den Weisen, dieser Erzkern in
einer häſslichen Schale, dieser (wiewohl nicht
mit sonderlichem Geschmacke gekleidete) En-
gel unter den Menschen, ward in den Wolken
zur Farce; und welch ein Autor kann auf ei-
nen heitern Recensenten- und Leser-Himmel
sicher rechnen? — Selten gab es einen, der
nicht aus dem Regen unter die Traufe gerieth,
und noch nie ging ein Licht in der Welt auf,
ohne seinen Aristophanes zu finden, der es,
mir nichts, dir nichts, geradezu ausblies, oder
— unter dem Scheine des Rechts, als wollt’
er es schneutzen — es neckte und verdunkelte.
Fast scheint auf diese Weise das Lächerliche
das tägliche Brodt der Menschen zu seyn, und

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[2/0010] lichen, nicht von Anbeginn und von Natur, sondern durch Verjährung, so im Gemenge liegt, daſs hierbei nicht so leicht ein Divisions- Exempel auf eine Auseinandersetzung gewagt werden kann. Wenn ein Ritter von ächtlusti- ger Gestalt den Kampf beginnt — wer und was kann vor ihm bestehen? welche Festung von System und Dogmatik sich halten? So- krates, der Weiseste, nicht unter den Königen, sondern unter den Weisen, dieser Erzkern in einer häſslichen Schale, dieser (wiewohl nicht mit sonderlichem Geschmacke gekleidete) En- gel unter den Menschen, ward in den Wolken zur Farce; und welch ein Autor kann auf ei- nen heitern Recensenten- und Leser-Himmel sicher rechnen? — Selten gab es einen, der nicht aus dem Regen unter die Traufe gerieth, und noch nie ging ein Licht in der Welt auf, ohne seinen Aristophanes zu finden, der es, mir nichts, dir nichts, geradezu ausblies, oder — unter dem Scheine des Rechts, als wollt’ er es schneutzen — es neckte und verdunkelte. Fast scheint auf diese Weise das Lächerliche das tägliche Brodt der Menschen zu seyn, und

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/10>, abgerufen am 20.04.2024.