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Hilscher, Paul Christian: Nachricht von der aus ihrem Grabe wieder auferstandenen Goldschmids-Frau in Dreßden. Dresden, 1723.

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Eine begrabene Frau
berührt, und folglich nach Gebrauch mit einem
Leichbegängniß zu St. Peter vor der Stadt auff
den Kirchhoff begleitet, der Sarg aber noch eins
in der Kirchen eröffnet ward, ersahe einer aus
den Toden-Gräbern die an dem todten Cör-
per
blinckende Finger-Ringe, welche gewöhn-
lich mit in den Sarg kommen. Diesen stach der
Glantz solcher Ringe in die Augen und der Geitz
ins Hertz/ also, daß er Lust gewann, selbige dem
Leichnam zu entwenden. Demnach machte er
sich bey späten Abend über das Grab, räumte die
erst darüber gescharrte Erde hinweg, öffnete dem
Sarg/ und begunte die Ringe von den Fingern
abzuziehen,
als das Kleinod, so ihn zu dieser ge-
fährlichen Arbeit gereitzet. Aber was geschahe?
Jndem er damit beschäfftiget war, richtete die
Begrabene sich auf,
und verursachte dadurch
bey dem Todten-Gräber einen solchen Schrecken,
daß er mit Hinterlassung alles Raubs/ unter tau-
send Aengsten, und Furcht, geschwinde heim eilte/
welches auch die wieder Aufgemunterte gethan,
und den Weg, durch welchen man sie als eine
Leiche hinaus begleitet hatte, wieder zurück ge-
nommen. Als sie zu ihrer Behausung gelanget
war, klopffte sie an das Thor, und bath, man solte
sie doch einlassen. Als aber die Haußgenossen
fragten, wer da klopfte? Kam von ihr die Ant-
wort: Sie wäre die Hauß-Frau/ so man heu-
te hätte begraben.
Worüber alle, die in dem
Hause sich aufhielten, unmenschl. erschracken, und

mit

Eine begrabene Frau
beruͤhrt, und folglich nach Gebrauch mit einem
Leichbegaͤngniß zu St. Peter vor der Stadt auff
den Kirchhoff begleitet, der Sarg aber noch eins
in der Kirchen eroͤffnet ward, erſahe einer aus
den Toden-Graͤbern die an dem todten Coͤr-
per
blinckende Finger-Ringe, welche gewoͤhn-
lich mit in den Sarg kommen. Dieſen ſtach der
Glantz ſolcher Ringe in die Augen und der Geitz
ins Hertz/ alſo, daß er Luſt gewann, ſelbige dem
Leichnam zu entwenden. Demnach machte er
ſich bey ſpaͤten Abend uͤber das Grab, raͤumte die
erſt daruͤber geſcharrte Erde hinweg, oͤffnete dem
Sarg/ und begunte die Ringe von den Fingern
abzuziehen,
als das Kleinod, ſo ihn zu dieſer ge-
faͤhrlichen Arbeit gereitzet. Aber was geſchahe?
Jndem er damit beſchaͤfftiget war, richtete die
Begrabene ſich auf,
und verurſachte dadurch
bey dem Todten-Graͤber einen ſolchen Schrecken,
daß er mit Hinterlaſſung alles Raubs/ unter tau-
ſend Aengſten, und Furcht, geſchwinde heim eilte/
welches auch die wieder Aufgemunterte gethan,
und den Weg, durch welchen man ſie als eine
Leiche hinaus begleitet hatte, wieder zuruͤck ge-
nommen. Als ſie zu ihrer Behauſung gelanget
war, klopffte ſie an das Thor, und bath, man ſolte
ſie doch einlaſſen. Als aber die Haußgenoſſen
fragten, wer da klopfte? Kam von ihr die Ant-
wort: Sie waͤre die Hauß-Frau/ ſo man heu-
te haͤtte begraben.
Woruͤber alle, die in dem
Hauſe ſich aufhielten, unmenſchl. erſchracken, und

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[27/0033] Eine begrabene Frau beruͤhrt, und folglich nach Gebrauch mit einem Leichbegaͤngniß zu St. Peter vor der Stadt auff den Kirchhoff begleitet, der Sarg aber noch eins in der Kirchen eroͤffnet ward, erſahe einer aus den Toden-Graͤbern die an dem todten Coͤr- per blinckende Finger-Ringe, welche gewoͤhn- lich mit in den Sarg kommen. Dieſen ſtach der Glantz ſolcher Ringe in die Augen und der Geitz ins Hertz/ alſo, daß er Luſt gewann, ſelbige dem Leichnam zu entwenden. Demnach machte er ſich bey ſpaͤten Abend uͤber das Grab, raͤumte die erſt daruͤber geſcharrte Erde hinweg, oͤffnete dem Sarg/ und begunte die Ringe von den Fingern abzuziehen, als das Kleinod, ſo ihn zu dieſer ge- faͤhrlichen Arbeit gereitzet. Aber was geſchahe? Jndem er damit beſchaͤfftiget war, richtete die Begrabene ſich auf, und verurſachte dadurch bey dem Todten-Graͤber einen ſolchen Schrecken, daß er mit Hinterlaſſung alles Raubs/ unter tau- ſend Aengſten, und Furcht, geſchwinde heim eilte/ welches auch die wieder Aufgemunterte gethan, und den Weg, durch welchen man ſie als eine Leiche hinaus begleitet hatte, wieder zuruͤck ge- nommen. Als ſie zu ihrer Behauſung gelanget war, klopffte ſie an das Thor, und bath, man ſolte ſie doch einlaſſen. Als aber die Haußgenoſſen fragten, wer da klopfte? Kam von ihr die Ant- wort: Sie waͤre die Hauß-Frau/ ſo man heu- te haͤtte begraben. Woruͤber alle, die in dem Hauſe ſich aufhielten, unmenſchl. erſchracken, und mit

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Zitationshilfe: Hilscher, Paul Christian: Nachricht von der aus ihrem Grabe wieder auferstandenen Goldschmids-Frau in Dreßden. Dresden, 1723, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilscher_nachricht_1723/33>, abgerufen am 29.03.2024.