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Hilscher, Paul Christian: Nachricht von der aus ihrem Grabe wieder auferstandenen Goldschmids-Frau in Dreßden. Dresden, 1723.

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Ob Lebendige begraben werden?
ihrem Grabe hervor gekrochenen Gold-
schmids-Frau, Anlaß gegeben habe.

§. 5. Doch gesetzt, daß diese Erzehlungen
an ihnen selber nichts anders denn ein blos-
ses Fabel-Werck wären, so kan man doch
hierbey eine gute Gelegenheit finden in nütz-
liche Uberlegung zu nehmen: Ob sichs
nicht wahrhafftig so zutragen könte, daß
man einen noch nicht gestorbenen, son-
dern nur vor todt angesehenen Menschen
lebendig begrübe, und derohalben nöthi-
ge Vorsichtigkeit zu gebrauchen wäre,
daß dergleichen nicht geschehe?

§. 6. Die menschlichen Zufälle sind zum
Theil von einer solchen Art, daß sie unsern
Leib ohne Bewegung, ohne Fühlen, ohne
Wärme darstellen/ ihn auch alle Weile also
lassen, daß, wenn nicht der Ausgang bißweilen
ein anders erwiese, man auf die Gedancken
kommen solte, daß kein Leben mehr in einem
sey. Wir mercken etwas dergleichen auch
an einigen Fliegen, welche den Winter über
nicht anders, als gestorben, sich darstellen, bey
angehenden Sommer aber wiederum zu ih-
ren vorigen Stande gelangen, und gnugsame
Anzeigung geben, daß sie das nicht gewesen,
wovor man sie angesehen. Ehen dergleichen

giebt

Ob Lebendige begraben werden?
ihrem Grabe hervor gekrochenen Gold-
ſchmids-Frau, Anlaß gegeben habe.

§. 5. Doch geſetzt, daß dieſe Erzehlungen
an ihnen ſelber nichts anders denn ein bloſ-
ſes Fabel-Werck waͤren, ſo kan man doch
hierbey eine gute Gelegenheit finden in nuͤtz-
liche Uberlegung zu nehmen: Ob ſichs
nicht wahrhafftig ſo zutragen koͤnte, daß
man einen noch nicht geſtorbenen, ſon-
dern nur vor todt angeſehenen Menſchen
lebendig begruͤbe, und derohalben noͤthi-
ge Vorſichtigkeit zu gebrauchen waͤre,
daß dergleichen nicht geſchehe?

§. 6. Die menſchlichen Zufaͤlle ſind zum
Theil von einer ſolchen Art, daß ſie unſern
Leib ohne Bewegung, ohne Fuͤhlen, ohne
Waͤrme darſtellen/ ihn auch alle Weile alſo
laſſen, daß, wenn nicht der Ausgang bißweilen
ein anders erwieſe, man auf die Gedancken
kommen ſolte, daß kein Leben mehr in einem
ſey. Wir mercken etwas dergleichen auch
an einigen Fliegen, welche den Winter uͤber
nicht anders, als geſtorben, ſich darſtellen, bey
angehenden Sommer aber wiederum zu ih-
ren vorigen Stande gelangen, und gnugſame
Anzeigung geben, daß ſie das nicht geweſen,
wovor man ſie angeſehen. Ehen dergleichen

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[6/0012] Ob Lebendige begraben werden? ihrem Grabe hervor gekrochenen Gold- ſchmids-Frau, Anlaß gegeben habe. §. 5. Doch geſetzt, daß dieſe Erzehlungen an ihnen ſelber nichts anders denn ein bloſ- ſes Fabel-Werck waͤren, ſo kan man doch hierbey eine gute Gelegenheit finden in nuͤtz- liche Uberlegung zu nehmen: Ob ſichs nicht wahrhafftig ſo zutragen koͤnte, daß man einen noch nicht geſtorbenen, ſon- dern nur vor todt angeſehenen Menſchen lebendig begruͤbe, und derohalben noͤthi- ge Vorſichtigkeit zu gebrauchen waͤre, daß dergleichen nicht geſchehe? §. 6. Die menſchlichen Zufaͤlle ſind zum Theil von einer ſolchen Art, daß ſie unſern Leib ohne Bewegung, ohne Fuͤhlen, ohne Waͤrme darſtellen/ ihn auch alle Weile alſo laſſen, daß, wenn nicht der Ausgang bißweilen ein anders erwieſe, man auf die Gedancken kommen ſolte, daß kein Leben mehr in einem ſey. Wir mercken etwas dergleichen auch an einigen Fliegen, welche den Winter uͤber nicht anders, als geſtorben, ſich darſtellen, bey angehenden Sommer aber wiederum zu ih- ren vorigen Stande gelangen, und gnugſame Anzeigung geben, daß ſie das nicht geweſen, wovor man ſie angeſehen. Ehen dergleichen giebt

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Zitationshilfe: Hilscher, Paul Christian: Nachricht von der aus ihrem Grabe wieder auferstandenen Goldschmids-Frau in Dreßden. Dresden, 1723, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hilscher_nachricht_1723/12>, abgerufen am 24.04.2024.