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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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nen, die die Ehre haben, dies merkwürdige Stück
vor euch tragiren zu dürfen. -- Darauf faßte er
Marion sänftlich bei der Hand, sie von der Bühne
zu bringen. Die aber machte sich los und, ermuthigt
durch den Zuruf Einiger, daß sie bleiben und ihre
Sache führen solle, rief sie nun: Ich will auch blei¬
ben, und euch, ihr werthen Herren zu Richtern ma¬
chen, ob mir nicht übel mitgespielt worden. Nun
ja, ich bin schweigsam von Natur; aber sollte das
ein Fehler sein, was ihr Männer uns armen Dingern
sonst allerorten vorhaltet, daß ich unnütz Schwatzen
lasse und aufhorche auf das was mein Mann sagt?
-- Marion hat Recht! Ein Hoch auf Marion und
sie soll weiter sprechen! riefen die Zuschauer lachend
und winkten ihr Muth zu. -- Und, fuhr sie fort
und wurde immer beredter, wenn ich hier nicht her¬
gehören soll, weil ich nicht in Versen spreche -- deren
weiß ich genug und die allerbesten. Mein Mann,
der mich jetzt verlästert, hat sie selbst auf mich ge¬
macht, da wir Brautleute waren. Und ich will sie
euch hören lassen, daß ihr seht, wie zweizüngig er
ist und was er damals für schöne Worte hatte, mich
zu rühmen, und jetzt hat er nur schimpfliche. Damit
trat sie an den Rand der Bühne und sang folgende
Verse, ob ihr auch die Stimme fast versagen wollte:

Schöne Augen, schöne Wangen,
Arme, lieblich zu umfangen,

nen, die die Ehre haben, dies merkwürdige Stück
vor euch tragiren zu dürfen. — Darauf faßte er
Marion ſänftlich bei der Hand, ſie von der Bühne
zu bringen. Die aber machte ſich los und, ermuthigt
durch den Zuruf Einiger, daß ſie bleiben und ihre
Sache führen ſolle, rief ſie nun: Ich will auch blei¬
ben, und euch, ihr werthen Herren zu Richtern ma¬
chen, ob mir nicht übel mitgeſpielt worden. Nun
ja, ich bin ſchweigſam von Natur; aber ſollte das
ein Fehler ſein, was ihr Männer uns armen Dingern
ſonſt allerorten vorhaltet, daß ich unnütz Schwatzen
laſſe und aufhorche auf das was mein Mann ſagt?
— Marion hat Recht! Ein Hoch auf Marion und
ſie ſoll weiter ſprechen! riefen die Zuſchauer lachend
und winkten ihr Muth zu. — Und, fuhr ſie fort
und wurde immer beredter, wenn ich hier nicht her¬
gehören ſoll, weil ich nicht in Verſen ſpreche — deren
weiß ich genug und die allerbeſten. Mein Mann,
der mich jetzt verläſtert, hat ſie ſelbſt auf mich ge¬
macht, da wir Brautleute waren. Und ich will ſie
euch hören laſſen, daß ihr ſeht, wie zweizüngig er
iſt und was er damals für ſchöne Worte hatte, mich
zu rühmen, und jetzt hat er nur ſchimpfliche. Damit
trat ſie an den Rand der Bühne und ſang folgende
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[84/0096] nen, die die Ehre haben, dies merkwürdige Stück vor euch tragiren zu dürfen. — Darauf faßte er Marion ſänftlich bei der Hand, ſie von der Bühne zu bringen. Die aber machte ſich los und, ermuthigt durch den Zuruf Einiger, daß ſie bleiben und ihre Sache führen ſolle, rief ſie nun: Ich will auch blei¬ ben, und euch, ihr werthen Herren zu Richtern ma¬ chen, ob mir nicht übel mitgeſpielt worden. Nun ja, ich bin ſchweigſam von Natur; aber ſollte das ein Fehler ſein, was ihr Männer uns armen Dingern ſonſt allerorten vorhaltet, daß ich unnütz Schwatzen laſſe und aufhorche auf das was mein Mann ſagt? — Marion hat Recht! Ein Hoch auf Marion und ſie ſoll weiter ſprechen! riefen die Zuſchauer lachend und winkten ihr Muth zu. — Und, fuhr ſie fort und wurde immer beredter, wenn ich hier nicht her¬ gehören ſoll, weil ich nicht in Verſen ſpreche — deren weiß ich genug und die allerbeſten. Mein Mann, der mich jetzt verläſtert, hat ſie ſelbſt auf mich ge¬ macht, da wir Brautleute waren. Und ich will ſie euch hören laſſen, daß ihr ſeht, wie zweizüngig er iſt und was er damals für ſchöne Worte hatte, mich zu rühmen, und jetzt hat er nur ſchimpfliche. Damit trat ſie an den Rand der Bühne und ſang folgende Verſe, ob ihr auch die Stimme faſt verſagen wollte: Schöne Augen, ſchöne Wangen, Arme, lieblich zu umfangen,

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/96>, abgerufen am 16.04.2024.