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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Coulissen. Mit einem Sprung war sie auf der Bühne
und stand mit glühenden Wangen und erzürntem
Blick gerade vor dem, der ihr so bösen Leumund
machte.

Schämst du dich nicht, Adam, rief sie mitten in
seine Rede hinein, schämst du dich nicht, so vor
aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬
test du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt,
du hättest die Rede nicht über die Lippen gebracht.
Und nun sag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich
dir Eine böse Stunde gemacht, dir nicht Alles an
den Augen abgesehn? Und sprichst nun schlecht von
mir vor ganz Arras?

So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬
zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerst
dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem
sie boshaft genug waren, sich an ihrer Nachbarn ehe¬
lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie sie aber sahen,
daß es die leibhaftige Marion war, verging denn
doch auch den Aergsten die Laune und sie starrten be¬
troffen auf die Bühne. Adam aber, so sehr ihn der
Handel verdroß, faßte sich doch geschwind und rief
laut und unerschrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬
hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück
hereingeschneit und findet sich gar nicht im Personal.
Ich bitt' euch, bringe sie einer weg. Ihr hört, sie
spricht nicht einmal in Versen, wie doch alle Perso¬

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Couliſſen. Mit einem Sprung war ſie auf der Bühne
und ſtand mit glühenden Wangen und erzürntem
Blick gerade vor dem, der ihr ſo böſen Leumund
machte.

Schämſt du dich nicht, Adam, rief ſie mitten in
ſeine Rede hinein, ſchämſt du dich nicht, ſo vor
aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬
teſt du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt,
du hätteſt die Rede nicht über die Lippen gebracht.
Und nun ſag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich
dir Eine böſe Stunde gemacht, dir nicht Alles an
den Augen abgeſehn? Und ſprichſt nun ſchlecht von
mir vor ganz Arras?

So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬
zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerſt
dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem
ſie boshaft genug waren, ſich an ihrer Nachbarn ehe¬
lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie ſie aber ſahen,
daß es die leibhaftige Marion war, verging denn
doch auch den Aergſten die Laune und ſie ſtarrten be¬
troffen auf die Bühne. Adam aber, ſo ſehr ihn der
Handel verdroß, faßte ſich doch geſchwind und rief
laut und unerſchrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬
hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück
hereingeſchneit und findet ſich gar nicht im Perſonal.
Ich bitt' euch, bringe ſie einer weg. Ihr hört, ſie
ſpricht nicht einmal in Verſen, wie doch alle Perſo¬

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[83/0095] Couliſſen. Mit einem Sprung war ſie auf der Bühne und ſtand mit glühenden Wangen und erzürntem Blick gerade vor dem, der ihr ſo böſen Leumund machte. Schämſt du dich nicht, Adam, rief ſie mitten in ſeine Rede hinein, ſchämſt du dich nicht, ſo vor aller Ohren von deinem Eheweib zu reden? O hät¬ teſt du mich je nur ein armes Bischen lieb gehabt, du hätteſt die Rede nicht über die Lippen gebracht. Und nun ſag, hab' ich's um dich verdient? hab' ich dir Eine böſe Stunde gemacht, dir nicht Alles an den Augen abgeſehn? Und ſprichſt nun ſchlecht von mir vor ganz Arras? So zornig und traurig unter Weinen und Schluch¬ zen eiferte das arme Weib. Die Zuhörer, die zuerſt dachten, das gehöre zum Stück, lachten, je nachdem ſie boshaft genug waren, ſich an ihrer Nachbarn ehe¬ lichem Unfrieden zu ergötzen. Wie ſie aber ſahen, daß es die leibhaftige Marion war, verging denn doch auch den Aergſten die Laune und ſie ſtarrten be¬ troffen auf die Bühne. Adam aber, ſo ſehr ihn der Handel verdroß, faßte ſich doch geſchwind und rief laut und unerſchrocken: Ihr guten Bürger, das ge¬ hört nicht zum Spiel. Die Frau kommt da ins Stück hereingeſchneit und findet ſich gar nicht im Perſonal. Ich bitt' euch, bringe ſie einer weg. Ihr hört, ſie ſpricht nicht einmal in Verſen, wie doch alle Perſo¬ 6 *

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/95>, abgerufen am 18.04.2024.