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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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und eine ihrer Gespielinnen hereintrat. Erst als
diese ihren Namen rief, schreckte sie in die Höhe. Gu¬
ten Tag, Perrette, sagte sie. Was bringt dich her?
-- Oder was hält dich hier, Marion? sprach das
Mädchen flink; du sitzest und weinst, und gehst nicht
nach den drei Lilien, wo doch heut das neue Stück
deines Mannes von den fremden Schauspielern auf¬
geführt wird? Das heiß' ich eine Frau! Ich liefe
doch Allen zuvor, wenn ich einen Mann hätte, der
die halbe Stadt in den Hof der alten Schenke lockte.
Geh, was hast du nur? Hast alte Gedichte gelesen,
die dein Adam auf dich gemacht hat? Nun, ich meine,
die wüßtest du an den Fingern herzusagen, wie den
Rosenkranz. -- Die arme Frau fing bitterlich an zu
weinen. "Weißt du's denn noch nicht, schluchzte sie,
und spricht nicht die ganze Stadt davon, daß er fort
will nach Paris und mich im Stich lassen und nim¬
mer heimkommen? -- Ach Narrheiten, eiferte Per¬
rette. Wie hast du dir das eingebildet? -- Er hat
mirs selbst haarklein gesagt, und seit dem Tag ist er
nicht ins Haus gekommen zur Essenszeit, und Nachts
erst ganz spät, und hat sich unten im Erker gebettet.
-- Ei nun, er hat alle Hände voll gehabt, das Spiel
herzurichten; und dann, die Mannsleut stecken voll
Grillen, Marion, und müssen immer was haben, uns
zu plagen; doch Gottlob! es ist nicht alles Ernst was
nicht lacht. Trockne dir die Augen, sei eine gescheite

und eine ihrer Geſpielinnen hereintrat. Erſt als
dieſe ihren Namen rief, ſchreckte ſie in die Höhe. Gu¬
ten Tag, Perrette, ſagte ſie. Was bringt dich her?
— Oder was hält dich hier, Marion? ſprach das
Mädchen flink; du ſitzeſt und weinſt, und gehſt nicht
nach den drei Lilien, wo doch heut das neue Stück
deines Mannes von den fremden Schauſpielern auf¬
geführt wird? Das heiß' ich eine Frau! Ich liefe
doch Allen zuvor, wenn ich einen Mann hätte, der
die halbe Stadt in den Hof der alten Schenke lockte.
Geh, was haſt du nur? Haſt alte Gedichte geleſen,
die dein Adam auf dich gemacht hat? Nun, ich meine,
die wüßteſt du an den Fingern herzuſagen, wie den
Roſenkranz. — Die arme Frau fing bitterlich an zu
weinen. „Weißt du's denn noch nicht, ſchluchzte ſie,
und ſpricht nicht die ganze Stadt davon, daß er fort
will nach Paris und mich im Stich laſſen und nim¬
mer heimkommen? — Ach Narrheiten, eiferte Per¬
rette. Wie haſt du dir das eingebildet? — Er hat
mirs ſelbſt haarklein geſagt, und ſeit dem Tag iſt er
nicht ins Haus gekommen zur Eſſenszeit, und Nachts
erſt ganz ſpät, und hat ſich unten im Erker gebettet.
— Ei nun, er hat alle Hände voll gehabt, das Spiel
herzurichten; und dann, die Mannsleut ſtecken voll
Grillen, Marion, und müſſen immer was haben, uns
zu plagen; doch Gottlob! es iſt nicht alles Ernſt was
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[79/0091] und eine ihrer Geſpielinnen hereintrat. Erſt als dieſe ihren Namen rief, ſchreckte ſie in die Höhe. Gu¬ ten Tag, Perrette, ſagte ſie. Was bringt dich her? — Oder was hält dich hier, Marion? ſprach das Mädchen flink; du ſitzeſt und weinſt, und gehſt nicht nach den drei Lilien, wo doch heut das neue Stück deines Mannes von den fremden Schauſpielern auf¬ geführt wird? Das heiß' ich eine Frau! Ich liefe doch Allen zuvor, wenn ich einen Mann hätte, der die halbe Stadt in den Hof der alten Schenke lockte. Geh, was haſt du nur? Haſt alte Gedichte geleſen, die dein Adam auf dich gemacht hat? Nun, ich meine, die wüßteſt du an den Fingern herzuſagen, wie den Roſenkranz. — Die arme Frau fing bitterlich an zu weinen. „Weißt du's denn noch nicht, ſchluchzte ſie, und ſpricht nicht die ganze Stadt davon, daß er fort will nach Paris und mich im Stich laſſen und nim¬ mer heimkommen? — Ach Narrheiten, eiferte Per¬ rette. Wie haſt du dir das eingebildet? — Er hat mirs ſelbſt haarklein geſagt, und ſeit dem Tag iſt er nicht ins Haus gekommen zur Eſſenszeit, und Nachts erſt ganz ſpät, und hat ſich unten im Erker gebettet. — Ei nun, er hat alle Hände voll gehabt, das Spiel herzurichten; und dann, die Mannsleut ſtecken voll Grillen, Marion, und müſſen immer was haben, uns zu plagen; doch Gottlob! es iſt nicht alles Ernſt was nicht lacht. Trockne dir die Augen, ſei eine geſcheite

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/91>, abgerufen am 25.04.2024.