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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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beres Stück hätte, ein Mysterium oder ein Mirakel;
denn meinen ganzen Packen Scripturen hab' ich in
Cambrai liegen lassen, bis auf das Passionsstück.
Ei Herr, sagt' ich da, es wimmelt bei uns zu Land
von trefflichen Trouveres und Ditiers und Jongleurs;
und da ist der Meister Adam de la Halle, der steckt
sie Alle in die Tasche. -- Bei Sankt Niklas, sprach
der Mann, ich wollt' ihm die Hälfte von der Ein¬
nahme geben, wenn er mir ein gutes Stück verfaßte
und das auch Zulauf hätte. -- Da kamt Ihr just in
die Thür. Und nun schickt er mich, daß ich Euch frage.

Adam stand auf, stürzte den Wein hinunter und
ging dann gerade auf den Führer der Histrionenbande
zu, der ehrerbietig aufsprang und sich verneigte. Sie
sprachen kurze Zeit mit einander. Dann schüttelten
sie sich die Hände. So sei's, sagte Adam, in acht
Tagen spielt Ihr's, und Tags drauf hab' ich mein
Geld, und nun behüt' Euch unsre liebe Frau! Ich
will gehn und das Ding ins Werk setzen. -- So ging
er denn und nach seiner Gewohnheit murmelte er
was zwischen den Zähnen, das ungefähr klang wie:
Sie sollen an mich denken!

Da nun etwa acht Tage verflossen waren, saß
eines Nachmittags Marion in ihrer Kammer, mit
rothgeweinten Augen und blaßgehärmtem Gesicht,
blätterte in alten Manuscripten, die sie auf dem Schoß
hatte, und überhört' es ganz, daß die Thür aufging

beres Stück hätte, ein Myſterium oder ein Mirakel;
denn meinen ganzen Packen Scripturen hab' ich in
Cambrai liegen laſſen, bis auf das Paſſionsſtück.
Ei Herr, ſagt' ich da, es wimmelt bei uns zu Land
von trefflichen Trouvères und Ditiers und Jongleurs;
und da iſt der Meiſter Adam de la Halle, der ſteckt
ſie Alle in die Taſche. — Bei Sankt Niklas, ſprach
der Mann, ich wollt' ihm die Hälfte von der Ein¬
nahme geben, wenn er mir ein gutes Stück verfaßte
und das auch Zulauf hätte. — Da kamt Ihr juſt in
die Thür. Und nun ſchickt er mich, daß ich Euch frage.

Adam ſtand auf, ſtürzte den Wein hinunter und
ging dann gerade auf den Führer der Hiſtrionenbande
zu, der ehrerbietig aufſprang und ſich verneigte. Sie
ſprachen kurze Zeit mit einander. Dann ſchüttelten
ſie ſich die Hände. So ſei's, ſagte Adam, in acht
Tagen ſpielt Ihr's, und Tags drauf hab' ich mein
Geld, und nun behüt' Euch unſre liebe Frau! Ich
will gehn und das Ding ins Werk ſetzen. — So ging
er denn und nach ſeiner Gewohnheit murmelte er
was zwiſchen den Zähnen, das ungefähr klang wie:
Sie ſollen an mich denken!

Da nun etwa acht Tage verfloſſen waren, ſaß
eines Nachmittags Marion in ihrer Kammer, mit
rothgeweinten Augen und blaßgehärmtem Geſicht,
blätterte in alten Manuſcripten, die ſie auf dem Schoß
hatte, und überhört' es ganz, daß die Thür aufging

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[78/0090] beres Stück hätte, ein Myſterium oder ein Mirakel; denn meinen ganzen Packen Scripturen hab' ich in Cambrai liegen laſſen, bis auf das Paſſionsſtück. Ei Herr, ſagt' ich da, es wimmelt bei uns zu Land von trefflichen Trouvères und Ditiers und Jongleurs; und da iſt der Meiſter Adam de la Halle, der ſteckt ſie Alle in die Taſche. — Bei Sankt Niklas, ſprach der Mann, ich wollt' ihm die Hälfte von der Ein¬ nahme geben, wenn er mir ein gutes Stück verfaßte und das auch Zulauf hätte. — Da kamt Ihr juſt in die Thür. Und nun ſchickt er mich, daß ich Euch frage. Adam ſtand auf, ſtürzte den Wein hinunter und ging dann gerade auf den Führer der Hiſtrionenbande zu, der ehrerbietig aufſprang und ſich verneigte. Sie ſprachen kurze Zeit mit einander. Dann ſchüttelten ſie ſich die Hände. So ſei's, ſagte Adam, in acht Tagen ſpielt Ihr's, und Tags drauf hab' ich mein Geld, und nun behüt' Euch unſre liebe Frau! Ich will gehn und das Ding ins Werk ſetzen. — So ging er denn und nach ſeiner Gewohnheit murmelte er was zwiſchen den Zähnen, das ungefähr klang wie: Sie ſollen an mich denken! Da nun etwa acht Tage verfloſſen waren, ſaß eines Nachmittags Marion in ihrer Kammer, mit rothgeweinten Augen und blaßgehärmtem Geſicht, blätterte in alten Manuſcripten, die ſie auf dem Schoß hatte, und überhört' es ganz, daß die Thür aufging

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/90>, abgerufen am 25.04.2024.