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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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jäh; er sah freudig auf, er wandte sich und trat ihr
näher. Außer sich stürzte sie auf ihn zu, und er em¬
pfing sie, die wie bewußtlos ihn an sich riß, in sei¬
nen Armen. Er küßte sie auf die Stirn. Still!
sagte er, du und ich, wir müssen uns fassen. Es
ist nun so gut, und besser. Wer weiß, ob ich das
Andere überstanden hätte. Aber es darf dennoch
nicht so bleiben, es darf nicht, oder ich gehe dennoch
zu Grunde. Komm, sagte er, mach' ein Bündel von
deinen besten und liebsten Sachen und was du
brauchst zur Reise. Eil dich, Caterina. Ich denke,
wir werden uns wiedersehn, aber hier nicht. Habe
Geduld!

Sie sah ihn groß an, sie begriff nichts, ihr ahnte
nichts. Mechanisch that sie was er befohlen hatte.
Wohin gehn wir? fragte sie schüchtern, als Alles
bereit war. Komm! sagte er. Er löschte das Licht.
Der Vogel draußen im Bauer flatterte heftig gegen
die Dräthe, die Guitarre gab einen klingenden Ton,
als er im Dunkeln daran stieß; den beiden Menschen
pochte das Herz laut. So gingen sie.


In der seltsamsten Verfassung hatte Theodor
Bianchi's Haus verlassen. Sobald er die stille Luft
um sich fühlte, wich der letzte schwere Hauch von ihm,
der ihn noch vor dem Bilde gedrückt hatte. Nur

jäh; er ſah freudig auf, er wandte ſich und trat ihr
näher. Außer ſich ſtürzte ſie auf ihn zu, und er em¬
pfing ſie, die wie bewußtlos ihn an ſich riß, in ſei¬
nen Armen. Er küßte ſie auf die Stirn. Still!
ſagte er, du und ich, wir müſſen uns faſſen. Es
iſt nun ſo gut, und beſſer. Wer weiß, ob ich das
Andere überſtanden hätte. Aber es darf dennoch
nicht ſo bleiben, es darf nicht, oder ich gehe dennoch
zu Grunde. Komm, ſagte er, mach' ein Bündel von
deinen beſten und liebſten Sachen und was du
brauchſt zur Reiſe. Eil dich, Caterina. Ich denke,
wir werden uns wiederſehn, aber hier nicht. Habe
Geduld!

Sie ſah ihn groß an, ſie begriff nichts, ihr ahnte
nichts. Mechaniſch that ſie was er befohlen hatte.
Wohin gehn wir? fragte ſie ſchüchtern, als Alles
bereit war. Komm! ſagte er. Er löſchte das Licht.
Der Vogel draußen im Bauer flatterte heftig gegen
die Dräthe, die Guitarre gab einen klingenden Ton,
als er im Dunkeln daran ſtieß; den beiden Menſchen
pochte das Herz laut. So gingen ſie.


In der ſeltſamſten Verfaſſung hatte Theodor
Bianchi's Haus verlaſſen. Sobald er die ſtille Luft
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[197/0209] jäh; er ſah freudig auf, er wandte ſich und trat ihr näher. Außer ſich ſtürzte ſie auf ihn zu, und er em¬ pfing ſie, die wie bewußtlos ihn an ſich riß, in ſei¬ nen Armen. Er küßte ſie auf die Stirn. Still! ſagte er, du und ich, wir müſſen uns faſſen. Es iſt nun ſo gut, und beſſer. Wer weiß, ob ich das Andere überſtanden hätte. Aber es darf dennoch nicht ſo bleiben, es darf nicht, oder ich gehe dennoch zu Grunde. Komm, ſagte er, mach' ein Bündel von deinen beſten und liebſten Sachen und was du brauchſt zur Reiſe. Eil dich, Caterina. Ich denke, wir werden uns wiederſehn, aber hier nicht. Habe Geduld! Sie ſah ihn groß an, ſie begriff nichts, ihr ahnte nichts. Mechaniſch that ſie was er befohlen hatte. Wohin gehn wir? fragte ſie ſchüchtern, als Alles bereit war. Komm! ſagte er. Er löſchte das Licht. Der Vogel draußen im Bauer flatterte heftig gegen die Dräthe, die Guitarre gab einen klingenden Ton, als er im Dunkeln daran ſtieß; den beiden Menſchen pochte das Herz laut. So gingen ſie. In der ſeltſamſten Verfaſſung hatte Theodor Bianchi's Haus verlaſſen. Sobald er die ſtille Luft um ſich fühlte, wich der letzte ſchwere Hauch von ihm, der ihn noch vor dem Bilde gedrückt hatte. Nur

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/209>, abgerufen am 25.04.2024.