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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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der Palme liegt. Sie muß den Winter auch über¬
stehen, so gern ihr sommerlich zu Muth wäre.

Könnt Ihr's läugnen, daß es Euch dennoch mehr
plagt und verzehrt, als der ganze Bettel werth ist?
Es macht uns müßig und weibisch und das ist das
Schlimmste. Wenn wir nicht die Narren wären, uns
ins Unmögliche zu vergaffen -- Alles wäre gut, Eine
so gut wie die Andere, wenn sie hübsch ist und zu
haben.

Ich denke nicht. Ich brauch' eine Andere als
jeder Andere, wenn ich ihr nicht um jeder Andern
willen davon laufen soll.

Wer spricht auch davon?

Ich denke wir Beide.

Ich nicht, erwiederte Bianchi. Ich konnte mir
nicht einfallen lassen, daß Ihr Euch so schlecht auf Eu¬
ern Vortheil versteht, mit diesem Gesicht und diesen
Jahren.

Darauf schwieg er verstimmt. Lassen wir das
sein wie es sein will, sagte Theodor heiter, und Je¬
der sorge für sich und freue sich, wenn der Andere
auf seine Weise sich ein gutes Leben schafft.

Sie sprachen in Zukunft nicht wieder über diesen
Punkt; Bianchi schien ihn durchaus vergessen zu ha¬
ben, Theodor rührte ihn nicht an. Die alte Herbig¬
keit und Wildheit des Kranken kam ihm wieder, je
mehr die Wunden heilten, und jene einzelnen Spu¬

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der Palme liegt. Sie muß den Winter auch über¬
ſtehen, ſo gern ihr ſommerlich zu Muth wäre.

Könnt Ihr's läugnen, daß es Euch dennoch mehr
plagt und verzehrt, als der ganze Bettel werth iſt?
Es macht uns müßig und weibiſch und das iſt das
Schlimmſte. Wenn wir nicht die Narren wären, uns
ins Unmögliche zu vergaffen — Alles wäre gut, Eine
ſo gut wie die Andere, wenn ſie hübſch iſt und zu
haben.

Ich denke nicht. Ich brauch' eine Andere als
jeder Andere, wenn ich ihr nicht um jeder Andern
willen davon laufen ſoll.

Wer ſpricht auch davon?

Ich denke wir Beide.

Ich nicht, erwiederte Bianchi. Ich konnte mir
nicht einfallen laſſen, daß Ihr Euch ſo ſchlecht auf Eu¬
ern Vortheil verſteht, mit dieſem Geſicht und dieſen
Jahren.

Darauf ſchwieg er verſtimmt. Laſſen wir das
ſein wie es ſein will, ſagte Theodor heiter, und Je¬
der ſorge für ſich und freue ſich, wenn der Andere
auf ſeine Weiſe ſich ein gutes Leben ſchafft.

Sie ſprachen in Zukunft nicht wieder über dieſen
Punkt; Bianchi ſchien ihn durchaus vergeſſen zu ha¬
ben, Theodor rührte ihn nicht an. Die alte Herbig¬
keit und Wildheit des Kranken kam ihm wieder, je
mehr die Wunden heilten, und jene einzelnen Spu¬

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[163/0175] der Palme liegt. Sie muß den Winter auch über¬ ſtehen, ſo gern ihr ſommerlich zu Muth wäre. Könnt Ihr's läugnen, daß es Euch dennoch mehr plagt und verzehrt, als der ganze Bettel werth iſt? Es macht uns müßig und weibiſch und das iſt das Schlimmſte. Wenn wir nicht die Narren wären, uns ins Unmögliche zu vergaffen — Alles wäre gut, Eine ſo gut wie die Andere, wenn ſie hübſch iſt und zu haben. Ich denke nicht. Ich brauch' eine Andere als jeder Andere, wenn ich ihr nicht um jeder Andern willen davon laufen ſoll. Wer ſpricht auch davon? Ich denke wir Beide. Ich nicht, erwiederte Bianchi. Ich konnte mir nicht einfallen laſſen, daß Ihr Euch ſo ſchlecht auf Eu¬ ern Vortheil verſteht, mit dieſem Geſicht und dieſen Jahren. Darauf ſchwieg er verſtimmt. Laſſen wir das ſein wie es ſein will, ſagte Theodor heiter, und Je¬ der ſorge für ſich und freue ſich, wenn der Andere auf ſeine Weiſe ſich ein gutes Leben ſchafft. Sie ſprachen in Zukunft nicht wieder über dieſen Punkt; Bianchi ſchien ihn durchaus vergeſſen zu ha¬ ben, Theodor rührte ihn nicht an. Die alte Herbig¬ keit und Wildheit des Kranken kam ihm wieder, je mehr die Wunden heilten, und jene einzelnen Spu¬ 11 *

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/175>, abgerufen am 29.03.2024.