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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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weiten Weg zum Cardinal Staatssecretair; denn meine
Seele hing dran und ich sorgte, ein Andrer möcht's
zu Falle kommen lassen. Nun muß ich erst dem Schlin¬
gel von Bedienten gute Worte geben und meinen
letzten Scudo, daß er mich nur vorläßt. Drinnen
war es dann schwarz und roth und violett von geist¬
lichen Strümpfen, und sie besehn mich von oben bis
unten, weil ich so im einfachen Rock aus der Werk¬
statt weggerannt war. Ich denke: Laß sie gaffen!
mache mir einen Muth und trete mit meinem Com¬
pliment und Werk vor die Eminenz. Ich sah gleich,
daß er ungnädig war und seine Nächsten schon die
Mißlaune gekostet hatten. Nun erklär' ich kurz, um
was ich gekommen und bitte, meine Skizze zeigen zu
dürfen. Der Alte nickt, wie's seine Art ist, wirft
einen halben Blick auf die Figuren, die mir unter
den Schranzen doppelt anständig schienen, und sagt:
Nicht übel; aber geht nicht, geht nicht! fehlt die No¬
blesse, mein Sohn, und der Hinblick auf die heilige
Kirche! Tragt es heim und schmelzt es um. Der
Thon ist ja noch naß! -- Ich stand wie in einem
Tollhaus. Umschmelzen, als ob meine festen Gedan¬
ken Brei wären! -- Indem ich so keines Wortes mäch¬
tig bin, treten die Monsignori heran, setzen die ge¬
lehrte Brille auf und tadeln hinten und vorn, daß
keines Nagels Breite ohne Schimpf besteht, wie wenn
der alte Wolf ein Schaf halb todt gebissen hat und

weiten Weg zum Cardinal Staatsſecretair; denn meine
Seele hing dran und ich ſorgte, ein Andrer möcht's
zu Falle kommen laſſen. Nun muß ich erſt dem Schlin¬
gel von Bedienten gute Worte geben und meinen
letzten Scudo, daß er mich nur vorläßt. Drinnen
war es dann ſchwarz und roth und violett von geiſt¬
lichen Strümpfen, und ſie beſehn mich von oben bis
unten, weil ich ſo im einfachen Rock aus der Werk¬
ſtatt weggerannt war. Ich denke: Laß ſie gaffen!
mache mir einen Muth und trete mit meinem Com¬
pliment und Werk vor die Eminenz. Ich ſah gleich,
daß er ungnädig war und ſeine Nächſten ſchon die
Mißlaune gekoſtet hatten. Nun erklär' ich kurz, um
was ich gekommen und bitte, meine Skizze zeigen zu
dürfen. Der Alte nickt, wie's ſeine Art iſt, wirft
einen halben Blick auf die Figuren, die mir unter
den Schranzen doppelt anſtändig ſchienen, und ſagt:
Nicht übel; aber geht nicht, geht nicht! fehlt die No¬
bleſſe, mein Sohn, und der Hinblick auf die heilige
Kirche! Tragt es heim und ſchmelzt es um. Der
Thon iſt ja noch naß! — Ich ſtand wie in einem
Tollhaus. Umſchmelzen, als ob meine feſten Gedan¬
ken Brei wären! — Indem ich ſo keines Wortes mäch¬
tig bin, treten die Monſignori heran, ſetzen die ge¬
lehrte Brille auf und tadeln hinten und vorn, daß
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[158/0170] weiten Weg zum Cardinal Staatsſecretair; denn meine Seele hing dran und ich ſorgte, ein Andrer möcht's zu Falle kommen laſſen. Nun muß ich erſt dem Schlin¬ gel von Bedienten gute Worte geben und meinen letzten Scudo, daß er mich nur vorläßt. Drinnen war es dann ſchwarz und roth und violett von geiſt¬ lichen Strümpfen, und ſie beſehn mich von oben bis unten, weil ich ſo im einfachen Rock aus der Werk¬ ſtatt weggerannt war. Ich denke: Laß ſie gaffen! mache mir einen Muth und trete mit meinem Com¬ pliment und Werk vor die Eminenz. Ich ſah gleich, daß er ungnädig war und ſeine Nächſten ſchon die Mißlaune gekoſtet hatten. Nun erklär' ich kurz, um was ich gekommen und bitte, meine Skizze zeigen zu dürfen. Der Alte nickt, wie's ſeine Art iſt, wirft einen halben Blick auf die Figuren, die mir unter den Schranzen doppelt anſtändig ſchienen, und ſagt: Nicht übel; aber geht nicht, geht nicht! fehlt die No¬ bleſſe, mein Sohn, und der Hinblick auf die heilige Kirche! Tragt es heim und ſchmelzt es um. Der Thon iſt ja noch naß! — Ich ſtand wie in einem Tollhaus. Umſchmelzen, als ob meine feſten Gedan¬ ken Brei wären! — Indem ich ſo keines Wortes mäch¬ tig bin, treten die Monſignori heran, ſetzen die ge¬ lehrte Brille auf und tadeln hinten und vorn, daß keines Nagels Breite ohne Schimpf beſteht, wie wenn der alte Wolf ein Schaf halb todt gebiſſen hat und

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/170>, abgerufen am 20.04.2024.