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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Theodors feines Ohr. Er schob einen Stuhl neben
das Lager, faßte Bianchi's Hand und sagte: Nichts
will ich wissen, als wie Ihr Euch fühlt; und wenn Ihr
zum Sprechen keine Laune habt, so sagt mir's Eure
Hand, die nur einen gelinden Rest von Fieber verräth.

Er fühlte den Druck dieser Hand, die sich ihm
darauf verlegen entzog.

Ihr werdet bald so weit sein, daß wir auf Nie¬
wiedersehn von einander gehn können. Vorläufig
findet Euch noch in meine Zudringlichkeit; denn Ihr
müßt wissen, daß ich nicht gesonnen bin, einen Künst¬
ler, wie Ihr seid, durch einen plumpen Burschen
umbringen zu lassen.

Wie ich bin! und er lachte schmerzhaft. Wißt
Ihr, wie ich bin? Wer weiß es? Ein Tagelöhner
bin ich, der Muscheln schnitzelt mit Weibergeduld für
Weiber, daß sich seine gesunden Arme schämen, wenn
sie einem Stück Marmor begegnen. Nun, es ist viel¬
leicht gestern dafür gesorgt worden, daß die armen
Krüppel sich nichts mehr vorzuwerfen haben.

Ihr redet wunderlich. Als ob nicht auf zwei
Zollen Raum genug für den Geist wäre, der sich
zuweilen in zwei Worten ausspricht.

Für den Geist vielleicht; aber schwerlich für die
Form.

Ihr müßt das erfahren haben, sagte Theodor. Aber
seid Ihr gezwungen, zu thun, was Euch widerstrebt?

Theodors feines Ohr. Er ſchob einen Stuhl neben
das Lager, faßte Bianchi's Hand und ſagte: Nichts
will ich wiſſen, als wie Ihr Euch fühlt; und wenn Ihr
zum Sprechen keine Laune habt, ſo ſagt mir's Eure
Hand, die nur einen gelinden Reſt von Fieber verräth.

Er fühlte den Druck dieſer Hand, die ſich ihm
darauf verlegen entzog.

Ihr werdet bald ſo weit ſein, daß wir auf Nie¬
wiederſehn von einander gehn können. Vorläufig
findet Euch noch in meine Zudringlichkeit; denn Ihr
müßt wiſſen, daß ich nicht geſonnen bin, einen Künſt¬
ler, wie Ihr ſeid, durch einen plumpen Burſchen
umbringen zu laſſen.

Wie ich bin! und er lachte ſchmerzhaft. Wißt
Ihr, wie ich bin? Wer weiß es? Ein Tagelöhner
bin ich, der Muſcheln ſchnitzelt mit Weibergeduld für
Weiber, daß ſich ſeine geſunden Arme ſchämen, wenn
ſie einem Stück Marmor begegnen. Nun, es iſt viel¬
leicht geſtern dafür geſorgt worden, daß die armen
Krüppel ſich nichts mehr vorzuwerfen haben.

Ihr redet wunderlich. Als ob nicht auf zwei
Zollen Raum genug für den Geiſt wäre, der ſich
zuweilen in zwei Worten ausſpricht.

Für den Geiſt vielleicht; aber ſchwerlich für die
Form.

Ihr müßt das erfahren haben, ſagte Theodor. Aber
ſeid Ihr gezwungen, zu thun, was Euch widerſtrebt?

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[156/0168] Theodors feines Ohr. Er ſchob einen Stuhl neben das Lager, faßte Bianchi's Hand und ſagte: Nichts will ich wiſſen, als wie Ihr Euch fühlt; und wenn Ihr zum Sprechen keine Laune habt, ſo ſagt mir's Eure Hand, die nur einen gelinden Reſt von Fieber verräth. Er fühlte den Druck dieſer Hand, die ſich ihm darauf verlegen entzog. Ihr werdet bald ſo weit ſein, daß wir auf Nie¬ wiederſehn von einander gehn können. Vorläufig findet Euch noch in meine Zudringlichkeit; denn Ihr müßt wiſſen, daß ich nicht geſonnen bin, einen Künſt¬ ler, wie Ihr ſeid, durch einen plumpen Burſchen umbringen zu laſſen. Wie ich bin! und er lachte ſchmerzhaft. Wißt Ihr, wie ich bin? Wer weiß es? Ein Tagelöhner bin ich, der Muſcheln ſchnitzelt mit Weibergeduld für Weiber, daß ſich ſeine geſunden Arme ſchämen, wenn ſie einem Stück Marmor begegnen. Nun, es iſt viel¬ leicht geſtern dafür geſorgt worden, daß die armen Krüppel ſich nichts mehr vorzuwerfen haben. Ihr redet wunderlich. Als ob nicht auf zwei Zollen Raum genug für den Geiſt wäre, der ſich zuweilen in zwei Worten ausſpricht. Für den Geiſt vielleicht; aber ſchwerlich für die Form. Ihr müßt das erfahren haben, ſagte Theodor. Aber ſeid Ihr gezwungen, zu thun, was Euch widerſtrebt?

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/168>, abgerufen am 23.04.2024.