Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

der einen Auftrag vom Kunsthändler brachte auf
ein Paar Ohrringe in rother Muschel. Er ließ ihn
ohne Bescheid abweisen. Nicht anders einen Bild¬
hauer seiner Bekanntschaft, dem das Gerücht des
furchtbaren Abenteuers zu Ohren gekommen und der
gutherzig genug war, den Einsamen aufzusuchen.

Indessen war Theodor schon ziemlich früh die stei¬
nernen Stufen eines großen Hauses hinaufgestiegen,
in dem Mariens Eltern wohnten. Der alte Diener
öffnete ihm. Die Herrschaften haben Euch lange er¬
wartet gestern Abend, sagte er. Ich wurde nach
Eurer Wohnung geschickt, aber Ihr waret nicht nach
Hause gekommen. Miß Mary meinte, wenn Euch
nur kein Unglück zugestoßen sei, da Ihr zu Pferde
gewesen! Gottlob, Ihr seid ja wohlauf.

Theodor antwortete nicht. Er hörte von innen
Musik, eine Beethoven'sche Sonate. Plötzlich brach
sie ab, ein Sessel wurde geschoben, ein Kleid rauschte.
Als er eintrat, stand er vor Marien, die in der
Richtung nach der Thür mitten im Zimmer stehen
geblieben schien. Sie suchte nach Worten, ihre Wan¬
gen glühten. Da ergriff er hastig ihre Hand mit
beiden Händen und sah nun, daß ihre Augen ver¬
weint waren. Marie, sagte er, ich höre, daß ich
Ihnen mehr abzubitten habe, als ich dachte. Sie
hatten Unruhe um mich! --

Sie versuchte zu lächeln. Ich freue mich, daß es

der einen Auftrag vom Kunſthändler brachte auf
ein Paar Ohrringe in rother Muſchel. Er ließ ihn
ohne Beſcheid abweiſen. Nicht anders einen Bild¬
hauer ſeiner Bekanntſchaft, dem das Gerücht des
furchtbaren Abenteuers zu Ohren gekommen und der
gutherzig genug war, den Einſamen aufzuſuchen.

Indeſſen war Theodor ſchon ziemlich früh die ſtei¬
nernen Stufen eines großen Hauſes hinaufgeſtiegen,
in dem Mariens Eltern wohnten. Der alte Diener
öffnete ihm. Die Herrſchaften haben Euch lange er¬
wartet geſtern Abend, ſagte er. Ich wurde nach
Eurer Wohnung geſchickt, aber Ihr waret nicht nach
Hauſe gekommen. Miß Mary meinte, wenn Euch
nur kein Unglück zugeſtoßen ſei, da Ihr zu Pferde
geweſen! Gottlob, Ihr ſeid ja wohlauf.

Theodor antwortete nicht. Er hörte von innen
Muſik, eine Beethoven'ſche Sonate. Plötzlich brach
ſie ab, ein Seſſel wurde geſchoben, ein Kleid rauſchte.
Als er eintrat, ſtand er vor Marien, die in der
Richtung nach der Thür mitten im Zimmer ſtehen
geblieben ſchien. Sie ſuchte nach Worten, ihre Wan¬
gen glühten. Da ergriff er haſtig ihre Hand mit
beiden Händen und ſah nun, daß ihre Augen ver¬
weint waren. Marie, ſagte er, ich höre, daß ich
Ihnen mehr abzubitten habe, als ich dachte. Sie
hatten Unruhe um mich! —

Sie verſuchte zu lächeln. Ich freue mich, daß es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0164" n="152"/>
der einen Auftrag vom Kun&#x017F;thändler brachte auf<lb/>
ein Paar Ohrringe in rother Mu&#x017F;chel. Er ließ ihn<lb/>
ohne Be&#x017F;cheid abwei&#x017F;en. Nicht anders einen Bild¬<lb/>
hauer &#x017F;einer Bekannt&#x017F;chaft, dem das Gerücht des<lb/>
furchtbaren Abenteuers zu Ohren gekommen und der<lb/>
gutherzig genug war, den Ein&#x017F;amen aufzu&#x017F;uchen.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en war Theodor &#x017F;chon ziemlich früh die &#x017F;tei¬<lb/>
nernen Stufen eines großen Hau&#x017F;es hinaufge&#x017F;tiegen,<lb/>
in dem Mariens Eltern wohnten. Der alte Diener<lb/>
öffnete ihm. Die Herr&#x017F;chaften haben Euch lange er¬<lb/>
wartet ge&#x017F;tern Abend, &#x017F;agte er. Ich wurde nach<lb/>
Eurer Wohnung ge&#x017F;chickt, aber Ihr waret nicht nach<lb/>
Hau&#x017F;e gekommen. Miß Mary meinte, wenn Euch<lb/>
nur kein Unglück zuge&#x017F;toßen &#x017F;ei, da Ihr zu Pferde<lb/>
gewe&#x017F;en! Gottlob, Ihr &#x017F;eid ja wohlauf.</p><lb/>
        <p>Theodor antwortete nicht. Er hörte von innen<lb/>
Mu&#x017F;ik, eine Beethoven'&#x017F;che Sonate. Plötzlich brach<lb/>
&#x017F;ie ab, ein Se&#x017F;&#x017F;el wurde ge&#x017F;choben, ein Kleid rau&#x017F;chte.<lb/>
Als er eintrat, &#x017F;tand er vor Marien, die in der<lb/>
Richtung nach der Thür mitten im Zimmer &#x017F;tehen<lb/>
geblieben &#x017F;chien. Sie &#x017F;uchte nach Worten, ihre Wan¬<lb/>
gen glühten. Da ergriff er ha&#x017F;tig ihre Hand mit<lb/>
beiden Händen und &#x017F;ah nun, daß ihre Augen ver¬<lb/>
weint waren. Marie, &#x017F;agte er, ich höre, daß ich<lb/>
Ihnen mehr abzubitten habe, als ich dachte. Sie<lb/>
hatten Unruhe um mich! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Sie ver&#x017F;uchte zu lächeln. Ich freue mich, daß es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0164] der einen Auftrag vom Kunſthändler brachte auf ein Paar Ohrringe in rother Muſchel. Er ließ ihn ohne Beſcheid abweiſen. Nicht anders einen Bild¬ hauer ſeiner Bekanntſchaft, dem das Gerücht des furchtbaren Abenteuers zu Ohren gekommen und der gutherzig genug war, den Einſamen aufzuſuchen. Indeſſen war Theodor ſchon ziemlich früh die ſtei¬ nernen Stufen eines großen Hauſes hinaufgeſtiegen, in dem Mariens Eltern wohnten. Der alte Diener öffnete ihm. Die Herrſchaften haben Euch lange er¬ wartet geſtern Abend, ſagte er. Ich wurde nach Eurer Wohnung geſchickt, aber Ihr waret nicht nach Hauſe gekommen. Miß Mary meinte, wenn Euch nur kein Unglück zugeſtoßen ſei, da Ihr zu Pferde geweſen! Gottlob, Ihr ſeid ja wohlauf. Theodor antwortete nicht. Er hörte von innen Muſik, eine Beethoven'ſche Sonate. Plötzlich brach ſie ab, ein Seſſel wurde geſchoben, ein Kleid rauſchte. Als er eintrat, ſtand er vor Marien, die in der Richtung nach der Thür mitten im Zimmer ſtehen geblieben ſchien. Sie ſuchte nach Worten, ihre Wan¬ gen glühten. Da ergriff er haſtig ihre Hand mit beiden Händen und ſah nun, daß ihre Augen ver¬ weint waren. Marie, ſagte er, ich höre, daß ich Ihnen mehr abzubitten habe, als ich dachte. Sie hatten Unruhe um mich! — Sie verſuchte zu lächeln. Ich freue mich, daß es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/164
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/164>, abgerufen am 20.04.2024.