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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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übers Gesicht und schien in ernstlichen Betrachtungen
ungestört bleiben zu wollen.

Die beiden jungen Leute gingen nun ein wenig
voran, denn sie hörten Miß Betsy halblaut mit sich
selbst reden, wie es ihr oft begegnete, und wollten
ihre Träume nicht belauschen. Die Gute! sagte Ma¬
rie mit ihrer sanften Stimme, die Reise hat sie ganz
aus ihrer Fassung gebracht. Sie hatte auch sonst
wohl einen abenteuerlichen Zug, den sie aber in Eng¬
land unschuldig an der Politik ausließ. Mit dem
ersten Fuß auf das Festland ist dieser seltsame Hang,
Erlebnisse zu machen, in ihr aufgewacht und hat
uns auf der Reise schon manche Sorge um sie und
freilich auch manchen Anlaß zum Lachen gegeben.

In jüngern Jahren muß ihr dies phantastische
Wesen allerliebst gestanden haben, sagte Theodor.
Aeltere Leute wissen in der Regel, daß man schon
vollauf zu thun hat, Schicksale, die kommen, zu neh¬
men, und daß es mißlich ist, sie aufzusuchen. Hof¬
fentlich wird sie es mit ihrem höflichen römischen
Freunde bald eben so wenig ernst nehmen, als er es
mit ihr von Anfang an genommen hat.

Ich sah sie Beide nach Haus kommen. Er war
um vieles jünger, ein ansehnlicher Mann mit etwas
übermüthigen, aber feinen Zügen.

Was haltet Ihr von der Streitfrage, die Miß
Betsy aufwarf? fragte Theodor nach einer Pause.

übers Geſicht und ſchien in ernſtlichen Betrachtungen
ungeſtört bleiben zu wollen.

Die beiden jungen Leute gingen nun ein wenig
voran, denn ſie hörten Miß Betſy halblaut mit ſich
ſelbſt reden, wie es ihr oft begegnete, und wollten
ihre Träume nicht belauſchen. Die Gute! ſagte Ma¬
rie mit ihrer ſanften Stimme, die Reiſe hat ſie ganz
aus ihrer Faſſung gebracht. Sie hatte auch ſonſt
wohl einen abenteuerlichen Zug, den ſie aber in Eng¬
land unſchuldig an der Politik ausließ. Mit dem
erſten Fuß auf das Feſtland iſt dieſer ſeltſame Hang,
Erlebniſſe zu machen, in ihr aufgewacht und hat
uns auf der Reiſe ſchon manche Sorge um ſie und
freilich auch manchen Anlaß zum Lachen gegeben.

In jüngern Jahren muß ihr dies phantaſtiſche
Weſen allerliebſt geſtanden haben, ſagte Theodor.
Aeltere Leute wiſſen in der Regel, daß man ſchon
vollauf zu thun hat, Schickſale, die kommen, zu neh¬
men, und daß es mißlich iſt, ſie aufzuſuchen. Hof¬
fentlich wird ſie es mit ihrem höflichen römiſchen
Freunde bald eben ſo wenig ernſt nehmen, als er es
mit ihr von Anfang an genommen hat.

Ich ſah ſie Beide nach Haus kommen. Er war
um vieles jünger, ein anſehnlicher Mann mit etwas
übermüthigen, aber feinen Zügen.

Was haltet Ihr von der Streitfrage, die Miß
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[143/0155] übers Geſicht und ſchien in ernſtlichen Betrachtungen ungeſtört bleiben zu wollen. Die beiden jungen Leute gingen nun ein wenig voran, denn ſie hörten Miß Betſy halblaut mit ſich ſelbſt reden, wie es ihr oft begegnete, und wollten ihre Träume nicht belauſchen. Die Gute! ſagte Ma¬ rie mit ihrer ſanften Stimme, die Reiſe hat ſie ganz aus ihrer Faſſung gebracht. Sie hatte auch ſonſt wohl einen abenteuerlichen Zug, den ſie aber in Eng¬ land unſchuldig an der Politik ausließ. Mit dem erſten Fuß auf das Feſtland iſt dieſer ſeltſame Hang, Erlebniſſe zu machen, in ihr aufgewacht und hat uns auf der Reiſe ſchon manche Sorge um ſie und freilich auch manchen Anlaß zum Lachen gegeben. In jüngern Jahren muß ihr dies phantaſtiſche Weſen allerliebſt geſtanden haben, ſagte Theodor. Aeltere Leute wiſſen in der Regel, daß man ſchon vollauf zu thun hat, Schickſale, die kommen, zu neh¬ men, und daß es mißlich iſt, ſie aufzuſuchen. Hof¬ fentlich wird ſie es mit ihrem höflichen römiſchen Freunde bald eben ſo wenig ernſt nehmen, als er es mit ihr von Anfang an genommen hat. Ich ſah ſie Beide nach Haus kommen. Er war um vieles jünger, ein anſehnlicher Mann mit etwas übermüthigen, aber feinen Zügen. Was haltet Ihr von der Streitfrage, die Miß Betſy aufwarf? fragte Theodor nach einer Pauſe.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/155>, abgerufen am 23.04.2024.