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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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nen; ihm zu Füßen wanden sich zwei Hunde, blutig,
im letzten Todeszucken.

Seid Ihr verwundet? hörte er fragen.

Ich weiß nicht.

Ihr wohnt in Rom?

Beim Tritone.

Der Andere half ihm sich aufrichten. Er ver¬
mochte nicht zu stehen, der linke Fuß schmerzte ihn
heftig. Er war barhaupt, der Mantel in Fetzen, der
Rock am Arm aufgerissen und blutig, das Gesicht
blaß und starr. Ohne zu sprechen, ließ er sich von
seinem Retter stützen, der ihn die kurzen Schritte
bis zu dem Pferde mehr trug als führte. Er saß
endlich im Sattel, und der Andere faßte den Zügel
des Pferdes und leitete es langsam nach der Stadt zu.

Bei der ersten Osterie außerhalb der Mauern hiel¬
ten sie. Der junge Mann rief der Wirthin, daß sie
Wein bringe. Als der Verwundete ein Glas geleert,
belebten sich seine Züge und er sprach:

Ihr habt mir einen Dienst geleistet, Herr. Viel¬
leicht verwünsch' ich ihn noch einmal, statt ihn Euch
zu danken. Fürs erste dank ich aber. Man hängt
nun einmal am Leben wie an anderen schlechten Ge¬
wohnheiten. Man weiß, die Luft ist voll von Fieber und
Fäulniß und nichtswürdigem Dunst der Menschen,
und doch dünkt Jeden Athemholen eine gute Sache.

Ihr seid schlecht auf die Menschen zu sprechen.

nen; ihm zu Füßen wanden ſich zwei Hunde, blutig,
im letzten Todeszucken.

Seid Ihr verwundet? hörte er fragen.

Ich weiß nicht.

Ihr wohnt in Rom?

Beim Tritone.

Der Andere half ihm ſich aufrichten. Er ver¬
mochte nicht zu ſtehen, der linke Fuß ſchmerzte ihn
heftig. Er war barhaupt, der Mantel in Fetzen, der
Rock am Arm aufgeriſſen und blutig, das Geſicht
blaß und ſtarr. Ohne zu ſprechen, ließ er ſich von
ſeinem Retter ſtützen, der ihn die kurzen Schritte
bis zu dem Pferde mehr trug als führte. Er ſaß
endlich im Sattel, und der Andere faßte den Zügel
des Pferdes und leitete es langſam nach der Stadt zu.

Bei der erſten Oſterie außerhalb der Mauern hiel¬
ten ſie. Der junge Mann rief der Wirthin, daß ſie
Wein bringe. Als der Verwundete ein Glas geleert,
belebten ſich ſeine Züge und er ſprach:

Ihr habt mir einen Dienſt geleiſtet, Herr. Viel¬
leicht verwünſch' ich ihn noch einmal, ſtatt ihn Euch
zu danken. Fürs erſte dank ich aber. Man hängt
nun einmal am Leben wie an anderen ſchlechten Ge¬
wohnheiten. Man weiß, die Luft iſt voll von Fieber und
Fäulniß und nichtswürdigem Dunſt der Menſchen,
und doch dünkt Jeden Athemholen eine gute Sache.

Ihr ſeid ſchlecht auf die Menſchen zu ſprechen.

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[133/0145] nen; ihm zu Füßen wanden ſich zwei Hunde, blutig, im letzten Todeszucken. Seid Ihr verwundet? hörte er fragen. Ich weiß nicht. Ihr wohnt in Rom? Beim Tritone. Der Andere half ihm ſich aufrichten. Er ver¬ mochte nicht zu ſtehen, der linke Fuß ſchmerzte ihn heftig. Er war barhaupt, der Mantel in Fetzen, der Rock am Arm aufgeriſſen und blutig, das Geſicht blaß und ſtarr. Ohne zu ſprechen, ließ er ſich von ſeinem Retter ſtützen, der ihn die kurzen Schritte bis zu dem Pferde mehr trug als führte. Er ſaß endlich im Sattel, und der Andere faßte den Zügel des Pferdes und leitete es langſam nach der Stadt zu. Bei der erſten Oſterie außerhalb der Mauern hiel¬ ten ſie. Der junge Mann rief der Wirthin, daß ſie Wein bringe. Als der Verwundete ein Glas geleert, belebten ſich ſeine Züge und er ſprach: Ihr habt mir einen Dienſt geleiſtet, Herr. Viel¬ leicht verwünſch' ich ihn noch einmal, ſtatt ihn Euch zu danken. Fürs erſte dank ich aber. Man hängt nun einmal am Leben wie an anderen ſchlechten Ge¬ wohnheiten. Man weiß, die Luft iſt voll von Fieber und Fäulniß und nichtswürdigem Dunſt der Menſchen, und doch dünkt Jeden Athemholen eine gute Sache. Ihr ſeid ſchlecht auf die Menſchen zu ſprechen.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/145>, abgerufen am 25.04.2024.