Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

darin. Hätt' ich ein Messer, macht' ich's meinen Gästen
leichter. So aber -- und er prüfte die starke Eisen¬
spitze seines Stockes -- wenn es ihrer wenige sind --
wer weiß, ob mein Hunger nicht den ihren überlebt.

Er schlug sich den Mantel um, daß der rechte
Arm frei wurde und der linke, vielfach umwunden,
zur Abwehr gerüstet war, und faßte den Stock. Mit
kaltblütiger Entschlossenheit untersuchte er den Boden,
wo er stand. Er fand ihn von Gras entblößt, steinig
und hart. Sie mögen kommen, sagte er, und stellte
sich fest gegen die Erde. Er sah sie jetzt und zählte in
der Dämmerung. Fünf! zählte er, und da ein sechster!
Sie rasen heran wie der höllische Feind, dürre hoch¬
beinige Bestien. Wart! -- und er hob einen starken
Stein -- man muß doch den Krieg anzeigen, wie es
Brauch ist.

Damit schleuderte er den Stein gegen den vor¬
dersten, auf funfzig Schritt hinaus. Ein verdop¬
peltes Geheul antwortete. Das Rudel hielt einen
Augenblick im Jagen inne. Einer von ihnen lag
zuckend am Boden.

Waffenstillstand! sagte der Mann. Seine Lippe
zitterte, das Herz schlug tobend gegen den linken Arm,
der den Mantel krampfhaft fest hielt. Aber die Wim¬
per über dem scharfen Auge zuckte nicht. Er sah seine
Feinde wieder losbrechen und ihre Augen glänzen
durch die Schatten. Zu Paaren kamen sie, der größte

9 *

darin. Hätt' ich ein Meſſer, macht' ich's meinen Gäſten
leichter. So aber — und er prüfte die ſtarke Eiſen¬
ſpitze ſeines Stockes — wenn es ihrer wenige ſind —
wer weiß, ob mein Hunger nicht den ihren überlebt.

Er ſchlug ſich den Mantel um, daß der rechte
Arm frei wurde und der linke, vielfach umwunden,
zur Abwehr gerüſtet war, und faßte den Stock. Mit
kaltblütiger Entſchloſſenheit unterſuchte er den Boden,
wo er ſtand. Er fand ihn von Gras entblößt, ſteinig
und hart. Sie mögen kommen, ſagte er, und ſtellte
ſich feſt gegen die Erde. Er ſah ſie jetzt und zählte in
der Dämmerung. Fünf! zählte er, und da ein ſechster!
Sie raſen heran wie der hölliſche Feind, dürre hoch¬
beinige Beſtien. Wart! — und er hob einen ſtarken
Stein — man muß doch den Krieg anzeigen, wie es
Brauch iſt.

Damit ſchleuderte er den Stein gegen den vor¬
derſten, auf funfzig Schritt hinaus. Ein verdop¬
peltes Geheul antwortete. Das Rudel hielt einen
Augenblick im Jagen inne. Einer von ihnen lag
zuckend am Boden.

Waffenſtillſtand! ſagte der Mann. Seine Lippe
zitterte, das Herz ſchlug tobend gegen den linken Arm,
der den Mantel krampfhaft feſt hielt. Aber die Wim¬
per über dem ſcharfen Auge zuckte nicht. Er ſah ſeine
Feinde wieder losbrechen und ihre Augen glänzen
durch die Schatten. Zu Paaren kamen ſie, der größte

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="131"/>
darin. Hätt' ich ein Me&#x017F;&#x017F;er, macht' ich's meinen Gä&#x017F;ten<lb/>
leichter. So aber &#x2014; und er prüfte die &#x017F;tarke Ei&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;pitze &#x017F;eines Stockes &#x2014; wenn es ihrer wenige &#x017F;ind &#x2014;<lb/>
wer weiß, ob mein Hunger nicht den ihren überlebt.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;chlug &#x017F;ich den Mantel um, daß der rechte<lb/>
Arm frei wurde und der linke, vielfach umwunden,<lb/>
zur Abwehr gerü&#x017F;tet war, und faßte den Stock. Mit<lb/>
kaltblütiger Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit unter&#x017F;uchte er den Boden,<lb/>
wo er &#x017F;tand. Er fand ihn von Gras entblößt, &#x017F;teinig<lb/>
und hart. Sie mögen kommen, &#x017F;agte er, und &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich fe&#x017F;t gegen die Erde. Er &#x017F;ah &#x017F;ie jetzt und zählte in<lb/>
der Dämmerung. Fünf! zählte er, und da ein &#x017F;echster!<lb/>
Sie ra&#x017F;en heran wie der hölli&#x017F;che Feind, dürre hoch¬<lb/>
beinige Be&#x017F;tien. Wart! &#x2014; und er hob einen &#x017F;tarken<lb/>
Stein &#x2014; man muß doch den Krieg anzeigen, wie es<lb/>
Brauch i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Damit &#x017F;chleuderte er den Stein gegen den vor¬<lb/>
der&#x017F;ten, auf funfzig Schritt hinaus. Ein verdop¬<lb/>
peltes Geheul antwortete. Das Rudel hielt einen<lb/>
Augenblick im Jagen inne. Einer von ihnen lag<lb/>
zuckend am Boden.</p><lb/>
        <p>Waffen&#x017F;till&#x017F;tand! &#x017F;agte der Mann. Seine Lippe<lb/>
zitterte, das Herz &#x017F;chlug tobend gegen den linken Arm,<lb/>
der den Mantel krampfhaft fe&#x017F;t hielt. Aber die Wim¬<lb/>
per über dem &#x017F;charfen Auge zuckte nicht. Er &#x017F;ah &#x017F;eine<lb/>
Feinde wieder losbrechen und ihre Augen glänzen<lb/>
durch die Schatten. Zu Paaren kamen &#x017F;ie, der größte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0143] darin. Hätt' ich ein Meſſer, macht' ich's meinen Gäſten leichter. So aber — und er prüfte die ſtarke Eiſen¬ ſpitze ſeines Stockes — wenn es ihrer wenige ſind — wer weiß, ob mein Hunger nicht den ihren überlebt. Er ſchlug ſich den Mantel um, daß der rechte Arm frei wurde und der linke, vielfach umwunden, zur Abwehr gerüſtet war, und faßte den Stock. Mit kaltblütiger Entſchloſſenheit unterſuchte er den Boden, wo er ſtand. Er fand ihn von Gras entblößt, ſteinig und hart. Sie mögen kommen, ſagte er, und ſtellte ſich feſt gegen die Erde. Er ſah ſie jetzt und zählte in der Dämmerung. Fünf! zählte er, und da ein ſechster! Sie raſen heran wie der hölliſche Feind, dürre hoch¬ beinige Beſtien. Wart! — und er hob einen ſtarken Stein — man muß doch den Krieg anzeigen, wie es Brauch iſt. Damit ſchleuderte er den Stein gegen den vor¬ derſten, auf funfzig Schritt hinaus. Ein verdop¬ peltes Geheul antwortete. Das Rudel hielt einen Augenblick im Jagen inne. Einer von ihnen lag zuckend am Boden. Waffenſtillſtand! ſagte der Mann. Seine Lippe zitterte, das Herz ſchlug tobend gegen den linken Arm, der den Mantel krampfhaft feſt hielt. Aber die Wim¬ per über dem ſcharfen Auge zuckte nicht. Er ſah ſeine Feinde wieder losbrechen und ihre Augen glänzen durch die Schatten. Zu Paaren kamen ſie, der größte 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/143
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/143>, abgerufen am 16.04.2024.