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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Nun waren sie mitten auf dem Meer, und nah
und fern ließ sich kein Segel blicken. Die Insel war
zurückgeblieben, die Küste lag im Sonnenduft weitab,
nicht einmal eine Möwe durchflog die tiefe Einsam¬
keit. Antonino sah um sich her. Ein Gedanke schien
in ihm aufzusteigen. Die Röthe wich plötzlich von
seinen Wangen und er ließ die Ruder sinken. Un¬
willkürlich sah Laurella nach ihm um, gespannt,
aber furchtlos.

Ich muß ein Ende machen, brach der Bursch
heraus. Es dauert mir schon zu lange und wundert
mich schier, daß ich nicht drüber zu Grunde gegan¬
gen bin. Du kennst mich nicht, sagst du? Hast du
nicht lange genug mit angesehen, wie ich bei dir vor¬
überging als ein Unsinniger und hatte das ganze
Herz voll, dir zu sagen? Dann machtest du deinen
bösen Mund und drehtest mir den Rücken.

Was hatt' ich mit dir zu reden? sagte sie kurz.
Ich habe wohl gesehen, daß du mit mir anbinden
wolltest. Ich wollt' aber nicht in der Leute Mäuler
kommen um nichts und wieder nichts. Denn zum
Manne nehmen mag ich dich nicht, dich nicht und
Keinen.

Und Keinen? So wirst du nicht immer sagen.
Weil du den Maler weggeschickt hast? Pah! Du
warst noch ein Kind damals. Es wird dir schon
einmal einsam werden, und dann, toll wie du bist,
nimmst du den ersten besten.

Nun waren ſie mitten auf dem Meer, und nah
und fern ließ ſich kein Segel blicken. Die Inſel war
zurückgeblieben, die Küſte lag im Sonnenduft weitab,
nicht einmal eine Möwe durchflog die tiefe Einſam¬
keit. Antonino ſah um ſich her. Ein Gedanke ſchien
in ihm aufzuſteigen. Die Röthe wich plötzlich von
ſeinen Wangen und er ließ die Ruder ſinken. Un¬
willkürlich ſah Laurella nach ihm um, geſpannt,
aber furchtlos.

Ich muß ein Ende machen, brach der Burſch
heraus. Es dauert mir ſchon zu lange und wundert
mich ſchier, daß ich nicht drüber zu Grunde gegan¬
gen bin. Du kennſt mich nicht, ſagſt du? Haſt du
nicht lange genug mit angeſehen, wie ich bei dir vor¬
überging als ein Unſinniger und hatte das ganze
Herz voll, dir zu ſagen? Dann machteſt du deinen
böſen Mund und drehteſt mir den Rücken.

Was hatt' ich mit dir zu reden? ſagte ſie kurz.
Ich habe wohl geſehen, daß du mit mir anbinden
wollteſt. Ich wollt' aber nicht in der Leute Mäuler
kommen um nichts und wieder nichts. Denn zum
Manne nehmen mag ich dich nicht, dich nicht und
Keinen.

Und Keinen? So wirſt du nicht immer ſagen.
Weil du den Maler weggeſchickt haſt? Pah! Du
warſt noch ein Kind damals. Es wird dir ſchon
einmal einſam werden, und dann, toll wie du biſt,
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[111/0123] Nun waren ſie mitten auf dem Meer, und nah und fern ließ ſich kein Segel blicken. Die Inſel war zurückgeblieben, die Küſte lag im Sonnenduft weitab, nicht einmal eine Möwe durchflog die tiefe Einſam¬ keit. Antonino ſah um ſich her. Ein Gedanke ſchien in ihm aufzuſteigen. Die Röthe wich plötzlich von ſeinen Wangen und er ließ die Ruder ſinken. Un¬ willkürlich ſah Laurella nach ihm um, geſpannt, aber furchtlos. Ich muß ein Ende machen, brach der Burſch heraus. Es dauert mir ſchon zu lange und wundert mich ſchier, daß ich nicht drüber zu Grunde gegan¬ gen bin. Du kennſt mich nicht, ſagſt du? Haſt du nicht lange genug mit angeſehen, wie ich bei dir vor¬ überging als ein Unſinniger und hatte das ganze Herz voll, dir zu ſagen? Dann machteſt du deinen böſen Mund und drehteſt mir den Rücken. Was hatt' ich mit dir zu reden? ſagte ſie kurz. Ich habe wohl geſehen, daß du mit mir anbinden wollteſt. Ich wollt' aber nicht in der Leute Mäuler kommen um nichts und wieder nichts. Denn zum Manne nehmen mag ich dich nicht, dich nicht und Keinen. Und Keinen? So wirſt du nicht immer ſagen. Weil du den Maler weggeſchickt haſt? Pah! Du warſt noch ein Kind damals. Es wird dir ſchon einmal einſam werden, und dann, toll wie du biſt, nimmſt du den erſten beſten.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/123>, abgerufen am 29.03.2024.